Ungarn: Zeit für ein Zeichen

Heute fand im Europaparlament eine Debatte über den Stand der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn statt. Anlass war die kürzliche Verfassungsänderung, durch die unter anderem bereits zum wiederholten Male die Kompetenzen des Verfassungsgerichts eingeschränkt wurden. Die EU-Kommission droht Ungarn wegen der Verfassungsnovelle mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Die Pressefreiheit wurde massiv eingeschränkt. Vor dem Parlament hat heute Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding die Entschlossenheit der Europäischen Kommission bekräftigt, die Anwendung von EU-Recht in Ungarn sicherzustellen. "Die Kommission drängt die ungarischen Behörden weiterhin dazu, verantwortungsvoll und im besten Interesse Ungarns und der gesamten EU zu handeln ", sage Reding. In ihrer Funktion als Hüterin der EU-Verträge sei die Kommission dabei, die vierte Verfassungsänderung durch die ungarische Regierung "gründlich, verlässlich und objektiv" zu analysieren, so Reding. "Die Kommission wird, wo relevant, die notwendigen Schritte zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren ergreifen."

Derzeit analysiert die Kommission die vierte Verfassungsänderung, die unter anderem Kompetenzbeschneidungen für die ungarischen Gerichte, eine ad-hoc Steuer zum Ausgleich von ungarischen Strafzahlungen bei Verstößen gegen EU-Recht und eine Beschränkung politischer Werbung umfasst. Bereits im letzten Jahr hatte die Europäische Kommission zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. In einem ersten Verfahren erklärte der Europäische Gerichtshof die Zwangspensionierung ungarischer Richter für nicht vereinbar mit EU-Recht und daher für ungültig. Ein zweites Verfahren zur Unabhängigkeit der ungarischen Datenschutzbehörden läuft noch.

Der Politiker, der diese Änderungen durchboxte, ist Viktor Orban, ungarischer Ministerpräsident und Chef der mit Zwei-Drittel-Mehrheit regierenden Fidesz-Partei. Der Präsident der Generalversammlung des Komitats Györ-Moson-Sopron, Dr. Szakács Imre und Vizepräsident Kara Ákos sitzen ebenfalls für Fidesz im ungarischen Parlament. Die weiteren Abgeordneten aus dem Komitat sind Borkai Zsolt, Dr. Nagy István, Csorna Gyopáros Alpár, Ivanics Ferenc und Firtl Mátyás Sándor. Alle gehören der Regierungspartei Fidesz an. Alle stimmten für all diese Verfassungsänderungen. Von Abweichlern ist nichts bekannt.

Was das mit dem Enzkreis zu tun hat? Das Komitat ist Györ-Moson-Sopron ist Partnerlandkreis des Enzkreises. 15 der 21 Mitglieder der Generalversammlung - unseren Kreistag vergleichbar - gehören Fidesz an, wie ich einer Antwort des Enzkreises auf meine Anfrage entnehme. Wie gehen wir damit um, dass wesentliche Repräsentanten des Komitats für eine Politik votierten, die Warnsignale bei der EU ausgelöst hat? Im Mai will eine Vertretung des Enzkreises und der Stadt Pforzheim in das Komitat zum Partnertschaftsbesuch reisen. Muss das sein? Sollten wir nicht lieber ein Signal setzen zum Beispiel für die Pressefreiheit? Ich finde, der Besuch gehört so lange auf Eis gelegt, bis das Überprüfungsverfahren durch Brüssel abgeschlossen ist und Ungarn die Ergebnisse der Überprüfung durch die EU umgesetzt hat. Ich vermisse klare Aussagen sowohl unseres Landrats als auch des OB von Pforzheim. Ein Beispiel, wie man reagieren kann, gab jetzt Georg Brenner, Bürgermeister von Gerlingen: Er lehnte die Annahme eines Ordens durch die Orban-Regierung ab. Brenner verweist auf die Strafmaßnahmen, die die EU in Erwägung gezogen hat, nicht nur weil Haushalts- und Währungsrichtlinien missachtet, sondern weil auch die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit angegriffen wurden. Hinzu komme, „dass innenpolitisch unter anderem durch die neue Verfassung ein nationalstaatlicher Schwerpunkt gesetzt“ worden sei. Nationalismus habe aber „ in unserem heutigen Europa keinen Platz mehr, sichern wir doch unseren Frieden und unsere wirtschaftliche Stärke durch Anerkennung, Toleranz, gegenseitige Wertschätzung und gemeinsame Werte“.
Da kann man doch bei uns wenigstens den Verzicht auf einen Ausflug nach Ungarn als Signal wählen. Versehen mit einer freundlichen, aber doch klaren Botschaft an die Komitats-Vertreter im Budapester Parlament. 

Sprachregeln für Medien: Wes Geistes Kind ist Aygül Özkan (CDU)?

Ministerin Özkan will Medien auf Kurs bringen: Die erste türkischstämmige Ministerin Deutschlands möchte mit niedersächsischen Tageszeitungen eine "Mediencharta" verabschieden. Darin sollen sich Journalisten unter anderem dazu verpflichten, "den Integrationsprozess in Niedersachsen nachhaltig zu unterstützen". Die CDU-Politikerin tut sich offenbar mit der Pressefreiheit schwer: Ihr Versuch, Medien auf einen von ihr als richtig erkannten politischen Kurs festzulegen, ist erschreckend. Offensichtlich stoßen hier (Freiheits-)Kulturen aufeinander. Wenn das Schule macht, kommen Bürgermeister auf die Idee, mit den Lokalblättern eine Charta mit dem Ziel zu unterschreiben, ihre Stadt immer positiv darzustellen. Kritik oder gar Aufdeckung von Missständen würde sich dann damit nicht mehr vertragen. Auf der Strecke bliebe die Pressefreiheit. Der Möglichkeiten ließe sich viele finden. Politik gibt vor, Journalisten akzeptieren diese Vorgaben und machen sich zu Knechten der Politik.

Der Versuch von Aygül Özkan, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration in Niedersachsen, ist undemokratisch. Aber zur Tradition der CDU gehört die Verteidigung der Pressefreiheit. Özkan steht nicht in dieser Tradition, verletzt sie sogar mit ihren Sprachregeln. Der jetzige Bundespräsident Wulff hat als Ministerpräsident mit der Berufung Özkans wohl eher an die (PR-)Schlagzeilen als an die Inhalte gedacht. Ist das wirklich das moderne Gesicht der CDU? Ich habe meine Zweifel. Modernität um jeden Preis kappt die Wurzeln.

Da geht eine Ministerin hin und will sich unterschriftlich eine positive Berichterstattung einholen. Wes Geistes Kind ist Aygül Özkan? Vermulicht des gleichen Geistes wie so viele Politiker in Deutschland. Die Presse ist nicht mehr ein unterstützendes Element einer Demokratie, sie ist eine lästige Pflicht und im besten Fall ein Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung.


Schweig oder stirb - Tag der Pressefreiheit als Mahnung

Gestern war der Internationale Tag der Pressefreiheit. Im Alltagstrubel geht das gelegentlich unter. Wie es weltweit um die Freiheit von Journalisten und damit auch um die Meinungsfreiheit bestellt ist? 130 Journalisten sind in 32 Ländern inhaftiert: Schweig oder stirb heißt es in vielen, zu vielen Staaten.

Und bei uns? Die Pressefreiheit ist im Grundgesetz garantiert. Doch im Alltag kommt es zu subtilen Formen der Einschränkungen, vor allem dann, wenn Behörden den Informantenschutz nicht achten wollen und den Staatsanwalt schicken. Aber wie steht es um die Schere im Kopf bei den einzelnen Journalisten? Die lieber den ehrenamtlich tätigen Gemeinderat hauen (nichts dagegen, wenn es begründet ist!), weil sie sich an den (Ober-)Bürgermeister nicht heran wagen? Oder die sich immer auf die Seite der Verwaltung schlagen, da man sie ja braucht? Diese Schere zu verbannen, trägt zur Stärkung der Presse- und Meinungsfreiheit im Interesse unserer Bürgergesellschaft bei.