Patient Krankenhaus?

Doch die Enzkreis-Kliniken sind noch nicht über dem Berg, sie gelten immer noch als eines der Probleme der Kreispolitik. Allerdings stehen die Zeichen auf Hoffnung. Denn für das Krankenhaus Mühlacker rechnet die Geschäftsführung der Regionalen Kliniken Holding, unter deren Dach die Enzkreis-Häuser mit denen der Landkreise Ludwigsburg und Karlsruhe sind, mit einer Trendwende: Die Stationen sind für 12 Millionen Euro saniert worden, die radiologische Praxis siedelte ans Krankenhaus um, die Geburtenzahlen stiegen kräftig, ein Linksherzkatheterplatz wurde geschaffen, die Gefäßchirurgie ausgebaut. 2014 schlossen die Enzkreis-Kliniken ihren Betrieb mit einem Defizit von rund 4,5 Millionen Euro ab, 400.000 Euro mehr als geplant, 900.000 Euro weniger als zwischendurch befürchtet. Hinzu kommen noch 3,2 Millionen Euro Kapitaldienst für Investitionen, die die Kreiskasse sowieso trägt, so dass die Kliniken Mühlacker und Neuenbürg den Kreishaushalt mit mehr als 7,5 Millionen Euro belasten, was immer wieder zu Debatten führt.
Dass die Krankenhäuser des Kreises Karlsruhe im selben Jahr im Ergebnis erstmals schwarze Zahlen schrieben, werte ich als Zeichen dafür, dass rote Zahlen kommunaler Kliniken nicht in Stein gemeißelt sind. Mit dem Angebotsausbau in Mühlacker und Neuenbürg stehen die Zeichen auf Hoffnung, dass die Krankenhäuser den Landkreis finanziell bald weniger kräftig drücken werden. 2013 beschloss der Kreistag, die kommunale Trägerschaft bis 2018 festzuschreiben. Wenn sich die jetzigen Erwartungen umsetzen lassen, wird diese Trägerschaft dann sicherlich nicht in Frage gestellt. Selbst dann nicht von jenen, denen traditionell die Hospitäler in Pforzheim und Leonberg näher sind, weil sie vor ihren Haustüren stehen. Die Ampel steht auf Gelb mit Tendenz zu Grün. Wohl wissend, dass in den vergangenen 35 Jahren ein ständiges Auf und Ab die Krankenhauslandschaft bestimmte. Jetzt ist der Aufschwung dran. Hoffentlich!
Doch seit Monaten ist die Welt nicht mehr so wie sie war. Inzwischen sind die Enzkreis-Kliniken selbst zum Notfall geworden. Das Defizit aus dem laufenden Betrieb liegt bei mehr als fünf Millionen Euro - zu finanzieren durch die Städte und Gemeinden des Enzkreises. Und das ist das Problem: Für die Menschen rund um Pforzheim sind nicht die Kliniken in Neuenbürg und Mühlacker die "natürlichen" Krankenhäuser, für die sie gerne auch etwas bezahlen. Für sie liegt Pforzheim näher. Vor diesem Hintergrund ist auch die Debatte um die Zukunft der Häuser des Enzkreises zu sehen. Als ich jüngst auf eine Frage des Mühlacker Tagblatt, was denn kreispolitisch geschehe, wenn weiterhin tiefrote Zahlen geschrieben werden, die Antwort gab, dann werde wohl die Verkaufsdiskussion von 2004 wieder aufbrechen, war dies ein richtige Einschätzung der Lage, wie die Haushaltsreden wenige Tage später im Kreistag belegen.
Für mich sind Kliniken immer noch kommunale Daseinsvorsorge. Wir wissen auch, dass es keine Probleme sind, die nur die Krankenhäuser des Enzkreises plagen, sondern viele andere Häuser sind angesichts der Rahmenbedingungen der Finanzierung der stationären Gesundheitsversorgung auch in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Viele Träger versuchen derzeit, gegenzusteuern: Der Enzkreis gab ein Sanierungs- und Strukturgutachten in Auftrag, auf das alle nun hoffen. Ende Februar sollen die Resultate vorliegen. Dann kommt es zur Nagelprobe: Wie viel Geld sind dem Enzkreis die beiden Krankenhäuser wert? Das Vertrauen in die Holding ist angeknackst. Dafür können aber die 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Enzkreis-Kliniken nichts. Krankenhäuser sind ein sensibles Thema, wie sich derzeit in der Nachbarschaft - im Raum Bretten - zeigt. Und diie Krankenkassen? Die blocken eher ab. An Hiobsbotschaften interessierter Kreise fehlt es auch nicht.
Meine Hoffnung als Kreisrat ist, mit einem rundum sanierten Haus in Mühlacker - zusammen mit dem neuen in Neuenbürg - auf einem härter gewordenen Markt bestehen zu können und dank weiterer interessanter Angebote zusätzliche Erträge zu schöpfen. Mitspielen muss auch die Bundespolitik, die sich so gerne in der Rolle desjenigen gefällt, der nur noch Häuser mit 200 und mehr Betten will. Dann wären wir weg vom Fenster. Doch den Enzkreis-Kliniken fehlen nicht die Patienten, sondern eher die schweren Fälle, die dickes Geld bringen. Case-mix-Punkte entwickelten sich zum Schlüssel des wirtschaftlichen Erfolgs. Ein solcher Punkt bringt derzeit gut 3000 Euro. Je schwerer ein Fall, um so mehr Punkte und um so höher die Einnahmen. Dass eine Geburt gerade mal mit einem halben Punkt veranschlagt ist, zeigt die ganze Fragwürdigkeit dieses System der Fallpauschalen - einst aus Australien importiert, bedrohen sie die Grund- und Regelversorgung, wenn Berlin nicht gegensteuert. Trotzdem: Kreispolitisch wird es wichtig sein, dass auch Handlungsstrategien im Rahmen dieses Systems entwickelt werden.
Wie das der Landrat sieht und was die Kreistagsfraktionen dazu meinen, habe ich hier zusammengestellt. Es sind im Original die Teile der Haushaltsreden von FW, CDU, SPD, Grünen und FDP in der Dezember-Sitzung des Kreistags zum aktuellen Thema Nummer eins der Kreispolitik:
"Enzkreis-Kliniken: Das Thema Nummer eins" vollständig lesen
Allen Unkenrufen zum Trotz hat der Landkreis damit bewiesen, dass er sich zum Standort Neuenbürg in seiner stationären Krankenversorgung bekennt. Das alte Haus ist weitgehend von der Bildfläche verschwunden, das neue ist kompakter und damit auch wirtschaftlicher zu betreiben. Der Kliniken-Verbund mit den Kreisen Ludwigsburg und Karlsruhe, für den sich die CDU-Kreistagsfraktion mit Nachdruck eingesetzt hatte, bewährte sich damit auch für Neuenbürg.
Doch der Enzkreis-Kliniken gGmbH gehen die Investitionen auch nach der Einweihung nicht aus. Jetzt wird das in die Jahre gekommene Krankenhaus Mühlacker in vier Bauabschnitten bis 2014 saniert. Zwölf Millionen Euro sind dazu notwendig, zumindest nach einer ersten Kostenberechnung. Der Landkreis, der bisher jährlich 1,5 Millionen Euro für den Kapitaldienst der Gesellschaft aufbringt, muss diesen Betrag aufstocken. Weil die Klinik Mühlacker konkurrenzfähig bleiben soll, wird der Enzkreis mehr Geld locker machen müssen. Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Krankenhäuser erhöhten den Kostendruck und verhindern, dass aus dem laufenden Betrieb mehr Mittel für Investitionen erwirtschaftet werden. Der Landkreis hat jedenfalls einen gesetzlichen Versorgungsauftrag, dem er gerecht werden muss. Die große Mehrheit des Kreistags steht zu dieser Aufstockung, wie die öffentlichen Erklärungen zeigen.
So wurde heute eine Zwischenbilanz gezogen. Seit 2005 investierte die GmbH ins Krankenhaus Mühlacker acht Millionen Euro, notwendig wären zusätzlich 14 Millionen Euro, für die nun kein Geld mehr da ist. Lebhaft beklagte die Geschäftsführung die politischen Rahmenbedingungen, die zum Nachteil von Häusern der Grund- und Regelversorgung seien und alle im Betrieb erreichten wirtschaftlichen Fortschritte gleich wieder zunichte machten. Also: Das habe ich heute verstanden - "die Politik" ist schuld. Aber diese saß ja nicht am Tisch . . . Geht es nicht allen so, dass wir uns ärgern, wenn die Krankenkassenbeiträge immer weiter steigen (und manchmal gleichzeitig die Leistungen sinken) und "die Politik" aufgefordert wird, auch im Interesse des Abbaus der Lohnnebenkosten, die Beiträge zumindest stabil zu halten? Oder ist genügend Geld im Kreislauf des Gesundheitssystems, das aber nur falsch verteilt wird? Werden Kliniken benachteiligt und Hausärzte oder Apotheker bevorzugt? Letztere Gruppen werden das verneinen. Und alle beschweren sich über "die Politik" (ob die nun Rößler, Fischer, Ulla Schmidt oder Seehofer heißt).
Jedenfalls ist heute klar geworden, dass der Enzkreis seinen Investitionsbeitrag verdoppeln muss, soll der Sanierungsstau am Krankenhaus Mühlacker abgebaut werden. Nachdem nun erstmals die Gefahr droht, zusätzlich für den laufenden Betrieb zuschießen zu müssen, können leicht vier bis viereinhalb Millionen Euro entstehen, die der Enzkreis zuerst bei seinen Kommunen über die Umlage einkassieren muss, bevor er sie den Krankenhäusern überlassen kann. Heute stand die Information im Vordergrund, die wichtig ist, die Lösungen sind noch nicht gefunden worden.
In meiner Haushaltsrede im Dezember 2009 habe ich im Kreistag von der Holding als einer Erfolgsgeschichte gesprochen. Aber inzwischen steht fest: Uns hat der Alltag eingeholt. Zumal es der Geschäftsführung auch nicht gelungen ist, alle ihre Ideen für zusätzliche Erträge umzusetzen. Manches erwies sich als Schnellschuss oder entwickelte sich zur unerträglichen Hängeparty.