Von einem Glücksfall, den Defiziten und der Hoffnung




Professor Dr. Stefan Sell

Arthrose und Bewegung oder Gelenkschmerz- was tun? Professor Dr. Stefan Sell pflegt die populären Themen. Der "Focus" zählt den Orthopäden zu den Top-Medizinern, insbesondere im Bereich Knie und künstlicher Gelenkersatz. Jetzt baut  er an der Klinik Neuenbürg, ein Krankenhaus des Enzkreises, das Gelenkzentrum Nordschwarzwald auf. Wie heute zu lesen war, früher als zuerst geplant. Der neue Chefarzt war in gleicher Funktion bisher an der Sana-Klinik in Bad Wildbad tätig. Innerhalb weniger Tage fielen die Entscheidungen in den kommunalen Gremien des Enzkreises, ohne dass die Nachricht vorher durchgestochen wurde. Für die Klinik Neuenbürg ist dieser Wechsel ein Glücksfall, der Landkreis erhofft sich mittelfristig eine deutliche Senkung des Defizits des Hauses. Zwei medizinische Gutachten brachten zuvor keine Perspektiven für unsere Schwarzwald-Klinik. Sie schlugen als wirtschaftlichste Maßnahme die Schließung vor. Alle anderen Vorschläge für neue Angebote, die zusätzliche Einnahmen generieren, scheiterten an der Umsetzbarkeit. Dann kam die Rettung - ohne Gutachten. 

Doch die Enzkreis-Kliniken sind noch nicht über dem Berg, sie gelten immer noch als eines der Probleme der Kreispolitik. Allerdings stehen die Zeichen auf Hoffnung. Denn für das Krankenhaus Mühlacker rechnet die Geschäftsführung der Regionalen Kliniken Holding, unter deren Dach die Enzkreis-Häuser mit denen der Landkreise Ludwigsburg und Karlsruhe sind, mit einer Trendwende: Die Stationen sind für 12 Millionen Euro saniert worden, die radiologische Praxis siedelte ans Krankenhaus um, die Geburtenzahlen stiegen kräftig, ein Linksherzkatheterplatz wurde geschaffen, die Gefäßchirurgie ausgebaut. 2014 schlossen die Enzkreis-Kliniken ihren Betrieb mit einem Defizit von rund 4,5 Millionen Euro ab, 400.000 Euro mehr als geplant, 900.000 Euro weniger als zwischendurch befürchtet. Hinzu  kommen noch 3,2 Millionen Euro Kapitaldienst für Investitionen, die die Kreiskasse sowieso trägt, so dass die Kliniken Mühlacker und Neuenbürg den Kreishaushalt mit mehr als 7,5 Millionen Euro belasten, was immer wieder zu Debatten führt. 


Dass die Krankenhäuser des Kreises Karlsruhe im selben Jahr im Ergebnis erstmals schwarze Zahlen schrieben, werte ich als Zeichen dafür, dass rote Zahlen kommunaler Kliniken nicht in Stein gemeißelt sind. Mit dem Angebotsausbau in Mühlacker und Neuenbürg stehen die Zeichen auf Hoffnung, dass die Krankenhäuser den Landkreis finanziell bald weniger kräftig drücken werden. 2013 beschloss der Kreistag, die kommunale Trägerschaft bis 2018 festzuschreiben. Wenn sich die jetzigen Erwartungen umsetzen lassen, wird diese Trägerschaft dann sicherlich nicht in Frage gestellt. Selbst dann nicht von jenen, denen traditionell die Hospitäler in Pforzheim und Leonberg näher sind, weil sie vor ihren Haustüren stehen. Die Ampel steht auf Gelb mit Tendenz zu Grün. Wohl wissend, dass in den vergangenen 35 Jahren ein ständiges Auf und Ab die Krankenhauslandschaft bestimmte. Jetzt ist der Aufschwung dran. Hoffentlich!


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Das viele Klicken

Den ganzen Tag läuft im SWR in fast allen Sendeformaten der Kliniken-Check Südwesten. In allen Varianten wird die Lage von Krankenhäusern in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland beleuchtet. Die Zahlenlage: Vom SWR selbst recherchierte Daten von Kliniken und Krankenkassen, ausgewertete Qualitätsberichte der Hospitäler, Selbstbeschreibungen der Krankenhausbetreiber. Meist schlechte wirtschaftliche Lage der Häuser und Mangel an Pflegekräften sind einzelne der Teilaspekte. Nachrichten, die nicht neu sind wie jene Aussage, dass in Deutschland zu viel operiert werde, gehören auch dazu. Wie klappt es beim Notfall? Wie schnell erfolgt Hilfe nach einem Schlaganfall? Welche Zahlen meldet die Geburtshilfeabteilung? Ein Sammelsurium von Daten. Und weil mir als Kreisrat die beiden Kliniken des Enzkreises nahe sind, suche ich den jeweilien Steckbrief im Menüpunkt "Mein Krankenhaus". Es gibt viel zum Klicken. Zuerst Mühlacker, dann Neuenbürg. Und dann stoße ich bei beiden Kliniken auf die Feststellung, dass sie 2014 Gewinn gemacht haätten. Da frage ich mich: Was versteht der SWR unter Gewinn? Denn die Enzkreis-Kliniken schrieben 4,9 Millionen Euro Miese, stehen damit keineswegs allein im Land. Der Landkres gleicht den Abmangel aus. Wer irrt nun? Vor allem aber: Wie brüchig ist die Datenlage des SWR? Nur mal so gefragt.                                                                                                                           

Enzkreis-Kliniken: Das Thema Nummer eins




Euin Gutachten soll die Richtung aufzeigen.


Eigentlich ist es ein Widerspruch: Das Krankenhaus Neuenbürg ist nigelnagelneu, das Krankenhaus Mühlacker wird derzeit für zwölf Millionen Euro zur Klinik mit Hotel-Charakter saniert: Also müsste alles gut sein. Der Enzkreis als Träger der beiden Hospitäler verpflichtete sich, den Kapitaldienst für die Investitionen beider Hospitäler zu übernehmen. Das sind unterm Strich etwa drei Millionen Euro jährlich. Eigentlich sollte sich der laufende Betrieb dann selbst tragen. Eine gute Arbeitsteilung, die Basis war für die Entscheidung im Jahr 2004, die Kliniken in eine gemeinnützige GmbH zu überführen und in eine gemeinsame Holding mit den Kliniken des Kreises Ludwigsburg einzubringen.

Doch seit Monaten ist die Welt nicht mehr so wie sie war. Inzwischen sind die Enzkreis-Kliniken selbst zum Notfall geworden. Das Defizit aus dem laufenden Betrieb liegt bei mehr als fünf Millionen Euro - zu finanzieren durch die Städte und Gemeinden des Enzkreises. Und das ist das Problem: Für die Menschen rund um Pforzheim sind nicht die Kliniken in Neuenbürg und Mühlacker die "natürlichen" Krankenhäuser, für die sie gerne auch etwas bezahlen. Für sie liegt Pforzheim näher. Vor diesem Hintergrund ist auch die Debatte um die Zukunft der Häuser des Enzkreises zu sehen. Als ich jüngst auf eine Frage des Mühlacker Tagblatt, was denn kreispolitisch geschehe, wenn weiterhin tiefrote Zahlen geschrieben werden, die Antwort gab, dann werde wohl die Verkaufsdiskussion von 2004 wieder aufbrechen, war dies ein richtige Einschätzung der Lage, wie die Haushaltsreden wenige Tage später im Kreistag belegen. 

Für mich sind Kliniken immer noch kommunale Daseinsvorsorge. Wir wissen auch, dass es keine Probleme sind, die nur die Krankenhäuser des Enzkreises plagen, sondern viele andere Häuser sind angesichts der Rahmenbedingungen der Finanzierung der stationären Gesundheitsversorgung auch in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Viele Träger versuchen derzeit, gegenzusteuern: Der Enzkreis gab ein Sanierungs- und Strukturgutachten in Auftrag, auf das alle nun hoffen. Ende Februar sollen die Resultate vorliegen. Dann kommt es zur Nagelprobe: Wie viel Geld sind dem Enzkreis die beiden Krankenhäuser wert? Das Vertrauen in die Holding ist angeknackst. Dafür können aber die 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Enzkreis-Kliniken nichts. Krankenhäuser sind ein sensibles Thema, wie sich derzeit in der Nachbarschaft - im Raum Bretten - zeigt.  Und diie Krankenkassen? Die blocken eher ab. An Hiobsbotschaften interessierter Kreise fehlt es auch nicht.

Meine Hoffnung als Kreisrat ist, mit einem rundum sanierten Haus in Mühlacker - zusammen mit dem neuen in Neuenbürg - auf einem härter gewordenen Markt bestehen zu können und dank weiterer interessanter Angebote zusätzliche Erträge zu schöpfen. Mitspielen muss auch die Bundespolitik, die sich so gerne in der Rolle desjenigen gefällt, der nur noch Häuser mit 200 und mehr Betten will. Dann wären wir weg vom Fenster. Doch den Enzkreis-Kliniken fehlen nicht die Patienten, sondern eher die schweren Fälle, die dickes Geld bringen. Case-mix-Punkte entwickelten sich zum Schlüssel des wirtschaftlichen Erfolgs. Ein solcher Punkt bringt derzeit gut 3000 Euro. Je schwerer ein Fall, um so mehr Punkte und um so höher die Einnahmen. Dass eine Geburt gerade mal mit einem halben Punkt veranschlagt ist, zeigt die ganze Fragwürdigkeit dieses System der Fallpauschalen - einst aus Australien importiert, bedrohen sie die Grund- und Regelversorgung, wenn Berlin nicht gegensteuert. Trotzdem: Kreispolitisch wird es wichtig sein, dass auch Handlungsstrategien im Rahmen dieses Systems entwickelt werden.
Wie das der Landrat sieht und was die Kreistagsfraktionen dazu meinen, habe ich hier zusammengestellt. Es sind im Original die Teile der Haushaltsreden von FW, CDU, SPD, Grünen und FDP in der Dezember-Sitzung des Kreistags zum aktuellen Thema Nummer eins der Kreispolitik: "Enzkreis-Kliniken: Das Thema Nummer eins" vollständig lesen

Neuenbürg - Enzkreis garantiert Klinik-Standort



Das neue Krankenhaus Neuenbürg - hoch über der Stadt und gegenüber das Schloss.


Vor knapp eineinhalb Jahren habe ich über die Bauarbeiten am Krankenhaus Neuenbürg gebloggt, heute ist der Neubau eingeweiht worden. Nach zwei Jahren Bauzeit in zwei Abschnitten und Investitionen von knapp 21 Millionen Euro - davon 3,5 Millionen Euro vom Land Baden-Württemberg - sind die Arbeiten jetzt abgeschlossen. Für die Patienten stehen komplett neue Pflegestationen mit ansprechenden Zimmern und modernen Funktionsräumen zur Verfügung. Mehr als eine Klinik, wird auf der Internetseite des Krankenhauses Neuenbürg geworben. Dieses 82-Betten-Haus der Grundversorgung für den westlichen Enzkreis und den Bereich Bad Wildbad im angrenzenden Kreis Calw ist nun auf der Höhe der Zeit, kann - auch medizinisch - gut mit anderen Häusern konkurrieren. Die Schwarzwaldklinik des Enzkreises bietet aber auch eines - wunderbare Blicke auf Neuenbürg, das Schloss und die bewaldeten Höhen. Als der schönste Raum gilt das Eckzimmer im zweiten Stockwerk, von dem aus ein Panoramablick über Städtle und Schloss möglich ist. In das dritte Obergeschoss sollen Arztpraxen einziehen.

Allen Unkenrufen zum Trotz hat der Landkreis damit bewiesen, dass er sich zum Standort Neuenbürg in seiner stationären Krankenversorgung bekennt. Das alte Haus ist weitgehend von der Bildfläche verschwunden, das neue ist kompakter und damit auch wirtschaftlicher zu betreiben. Der Kliniken-Verbund mit den Kreisen Ludwigsburg und Karlsruhe, für den sich die CDU-Kreistagsfraktion mit Nachdruck eingesetzt hatte, bewährte sich damit auch für Neuenbürg.


Doch der Enzkreis-Kliniken gGmbH gehen die Investitionen auch nach der Einweihung nicht aus. Jetzt wird das in die Jahre gekommene Krankenhaus Mühlacker in vier Bauabschnitten bis 2014 saniert. Zwölf Millionen Euro sind dazu notwendig, zumindest nach einer ersten Kostenberechnung. Der Landkreis, der bisher jährlich 1,5 Millionen Euro für den Kapitaldienst der Gesellschaft aufbringt, muss diesen Betrag aufstocken. Weil die Klinik Mühlacker konkurrenzfähig bleiben soll, wird der Enzkreis mehr Geld locker machen müssen. Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Krankenhäuser erhöhten den Kostendruck und verhindern, dass aus dem laufenden Betrieb mehr Mittel für Investitionen erwirtschaftet werden. Der Landkreis hat jedenfalls einen gesetzlichen Versorgungsauftrag, dem er gerecht werden muss. Die große  Mehrheit des Kreistags steht zu dieser Aufstockung, wie die öffentlichen Erklärungen zeigen. 

Von roten Zahlen, einem Sanierungsstau und der Politik




Kreistagskollegen beim Rundgang. Bild: Michael Seiss

Heute Nachmittag hat sich der Kreistag des Enzkreises zuerst über den Klinik-Neubau in Neuenbürg informiert, anschließend über den Sanierungsbedarf des Krankenhauses Mühlacker. Eine interessante Tour, die einen aber angesichts der Finanzlage der Enzkreis-Kliniken gGmbH sowie des Landkreises eher ratlos zurück lässt. Die Kliniken, im Holding-Verbund mit den Kliniken der Kreise Ludwigsburg und Karlsruhe, geraten vom laufenden Betrieb immer mehr in die roten Zahlen. Für 2010 muss die Prognose auf 1,5 Millionen Euro und damit deutlich nach oben korrigiert werden, 2011 wird wieder ein ähnlich hohes Defizit erwartet. Wenn das 2012 so bleiben würde, und die Zeichen stehen eher dafür, müsste das Eigenkapital angegriffen werden. Mit der Bildung der GmbH zum 1. Januar 2005 war ein wichtiger Eckpunkt die Vorgabe der Kreispolitik, dass sich der Klinikbetrieb selbst tragen muss, also keine Steuergelder erwartet werden können. Die Zeit der Subvention sollte vorbei sein. Ausnahme: Für den Kapitaldienst der Darlehen, die für Investitionen aufgenommen werden, überweist der Enzkreis jährlich 1,5 Millionen Euro an seine Tochtergesellschaft. Diese müssten ausreichen für den Altschuldendienst sowie für die Investitionen an beiden Kliniken-Standorten. Doch inzwischen ist klar: Altschulden und Klinik-Neubau Neuenbürg fressen die Summe auf, für Mühlacker bleibt nichts übrig. Da gleichzeitig der laufende Betrieb tiefer in die roten Zahlen läuft, kann nicht genügend für Investitionen erwirtschaftet werden - zusätzlich zu den eineinhalb Millionen. Aber das war ursprünglich auch Geschäftsgrundlage.



So wurde heute eine Zwischenbilanz gezogen. Seit 2005 investierte die GmbH ins Krankenhaus Mühlacker acht Millionen Euro, notwendig wären zusätzlich 14 Millionen Euro, für die nun kein Geld mehr da ist. Lebhaft beklagte die Geschäftsführung die politischen Rahmenbedingungen, die zum Nachteil von Häusern der Grund- und Regelversorgung seien und alle im Betrieb erreichten wirtschaftlichen Fortschritte gleich wieder zunichte machten. Also: Das habe ich heute verstanden - "die Politik" ist schuld. Aber diese saß ja nicht am Tisch . . . Geht es nicht allen so, dass wir uns ärgern, wenn die Krankenkassenbeiträge immer weiter steigen (und manchmal gleichzeitig die Leistungen sinken) und "die Politik" aufgefordert wird, auch im Interesse des Abbaus der Lohnnebenkosten, die Beiträge zumindest stabil zu halten? Oder ist genügend Geld im Kreislauf des Gesundheitssystems, das aber nur falsch verteilt wird? Werden Kliniken benachteiligt und Hausärzte oder Apotheker bevorzugt? Letztere Gruppen werden das verneinen. Und alle beschweren sich über "die Politik" (ob die nun Rößler, Fischer, Ulla Schmidt oder Seehofer heißt).


Jedenfalls ist heute klar geworden, dass der Enzkreis seinen Investitionsbeitrag verdoppeln muss, soll der Sanierungsstau am Krankenhaus Mühlacker abgebaut werden. Nachdem nun erstmals die Gefahr droht, zusätzlich für den laufenden Betrieb zuschießen zu müssen, können leicht vier bis viereinhalb Millionen Euro entstehen, die der Enzkreis zuerst bei seinen Kommunen über die Umlage einkassieren muss, bevor er sie den Krankenhäusern überlassen kann. Heute stand die Information im Vordergrund, die wichtig ist, die Lösungen sind noch nicht gefunden worden.


In meiner Haushaltsrede im Dezember 2009 habe ich im Kreistag von der Holding als einer Erfolgsgeschichte gesprochen. Aber inzwischen steht fest: Uns hat der Alltag eingeholt. Zumal es der Geschäftsführung auch nicht gelungen ist, alle ihre Ideen für zusätzliche Erträge umzusetzen. Manches erwies sich als Schnellschuss oder entwickelte sich zur unerträglichen Hängeparty.

Enzkreis-Kliniken brauchen weiter eigenes Profil

Schranke auf für weitere Sanierungsarbeiten am Krankenhaus Mühlacker. Die CDU-Kreistagsfraktion Enzkreis besuchte jetzt die Klinik und ließ sich bei einem Rundgang über die Veränderungen informieren. Wir wollen das 195-Betten-Haus der Regelversorgung für den östlichen Enzkreis weiter stärken, so das Fazit auch der Gespräche. Regionaldirektorin Susanne Jansen und Chefarzt Dr. Ulrich Steigerwald führten durch die interdisziplinäre Privatstation im vierten Stockwerk, die derzeit voll ausgelastet ist. Aus diesen Erfahrungen heraus wisse man, so Jansen, dass die Sanierung eines Patientenzimmers von Grund auf etwa 50.000 Euro koste. Beim Rundgang durch die anderen Stockwerke zeigte sich, dass dort Sanierungsbedarf besteht sowohl in den Zimmern als auch in den Fluren. 35 Jahre nach der Einweihung des Gebäudes herrscht teilweise, auch was die sanitären Bereiche angeht, die Notwendigkeit zum Handeln.

Haltepunkt beim Rundgang war auch die Geburtshilfestation. Werdende Eltern schauen sich vor der Geburt bis zu 20 Kliniken an, um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Sie suchen das Haus ihres Vertrauens. Die Konkurrenz ist groß, Mühlacker behauptet sich dabei gut, auch wenn die allgemein sinkenden Geburtenzahlen zu spüren sind. Den Standard zu sichern, um die Abteilung attraktiv zu halten, ist deshalb wichtig.

Die Fraktion erhielt eine Übersicht über die aktuellen Baumaßnahmen auch im Krankenhaus Neuenbürg. In Mühlacker seien schon viereinhalb Millionen Euro in Brandschutzmaßnahmen gesteckt worden, derzeit werde die alte Wäscherei in Mühlacker für 1,5 Millionen Euro zur Zentralsterilisation umgebaut, deren Leistungen die Kliniken Mühlacker, Neuenbürg und Vaihingen in Anspruch nehmen werden. Das Baugesuch für die Radiologische Praxis am Krankenhaus Mühlacker liege derzeit, so die Vertreter der gemeinnützigen GmbH, bei der Baugenehmigungsbehörde der Stadt Mühlacker, die Gespräche wegen der Einrichtung eines Schlaflabors für Kinder liefen noch.

Die Entscheidung, die Enzkreis-Kliniken in einen Verbund mit den Krankenhäusern der Kreise Ludwigsburg und Karlsruhe einzubringen, ist immer noch richtig, zumal sich die politischen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen verschärft haben und eine solche Zusammenarbeit geradezu erforderlich machen. Trotzdem müssen auch die einzelnen Häuser in der Konkurrenz gesehen werden. Vor dem Hintergrund des Neubaus in Neuenbürg und den Plänen des Landkreises Karlsruhe, in Bretten die alte Klinik durch eine neue zu ersetzen, ist es unbedingt notwendig, am Krankenhaus Mühlacker auf Sanierungskurs zu bleiben. Dazu muss eventuell die Investitionspauschale von 1,5 Millionen Euro, die der Enzkreis jährlich seiner Kliniken gGmbH überweist, neu strukturiert werden, um zusätzlichen Spielraum für den Standort Mühlacker zu gewinnen.

Es war der zweite Termin in einer Woche im Krankenhaus Mühlacker. Tags zuvor tagte der Aufsichtsrat der Enzkreis-Kliniken gGmbH. Im öffentlichen Teil wurde auch über das Minus von 1,2 Millionen Euro informiert, das 2009 entstanden ist - weitaus mehr als ursprünglich prognostiziert. Eine der Ursachen: Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht immer mehr auseinander. Die Krankenhäuser werden unter anderem durch die neuen Tarifverträge zusätzlich belastet, ohne dass ihnen ein entsprechender Ausgleich in den Budgets zugestanden wird. Der Bund hält den Deckel zu fest. Die Synergien durch den Klinik-Verbund sind weitgehend ausgeschöpft, insofern sind wir in der Realität angekommen. Morgen steht der Jahresabschluss auch auf der Tagesordnung des Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss des Kreistags.

Bei aller Notwendigkeit einer Steuerung der Holding kann es aber nicht sein, dass die Holding-Zentrale in Ludwigsburg zum Mittel der Gleichmacherei greift. Wir brauchen auch weiterhin Entscheidungsspielräume vor Ort, zumal es es sich um eigenständige Unternehmen handelt. Sie müssen jeweils ihr eigenes Profil bewahren. Deshalb ist höchst ärgerlich, dass der Internetauftritt der Enzkreis-Kliniken einfach abgeschaltet wurde und nun alles über die Homepage der Regionalen Kliniken Holding läuft. Nichts gegen die optische Einheitlichkeit eines Auftritts - aber die Enzkreis-Häuser sind nicht die Standorte der Holding, sondern zunächst der Enzkreis-Kliniken gGmbH. Inzwischen landet der User immerhin, wenn er www.enzkreis-kliniken.de eingibt, auf der Seite des Hauses Mühlacker, aber Neuenbürg und die Reha-Klinik Mühlacker werden einfach ausgeblendet. Ein unbefriedigender Zustand.

In einem Faltblatt über das Leitbild des Regionalen Kliniken-Verbundes gibt es keine Enzkreis-Kliniken mehr, sondern nur noch Standorte der Holding. Ein bisschen zu viel Zentralismus.



Mobilfunk: Besorgnis der Menschen ernst nehmen

Umstrittene Funkmasten.

Kritiker von Mobilfunkanlagen werden in der politischen Diskussion gerne als Menschen abgestempelt, die sich dem technischen Fortschritt in den Weg stellen wollen. Maschinenstürmern ähnlich. Dass aber nicht alles als unproblematisch hingenommen werden sollte bei dieser Kommunikationstechnik zeigte sich jetzt bei einem Informationsabend in Neulingen-Göbrichen, zu dem die Gemeinde Neulingen zusammen mit der Initiative für verantwortungsbewussten Umgang mit Mobilfunk Enzkreis-Neulingen eingeladen hatte. Referent war Jörn Gutbier, Baubiologe und Stadtrat in Herrenberg. Anlass war der Ausbau von Funksystemen auf dem Göbricher Feuerwehrturm und die Neuaufstellung eines Funkmasten in Nußbaum. Es war kein Handy-nein!-Abend, sondern eine Veranstaltung darüber, wie die Nachteile minimiert werden können. Sorgloser Umgang mit Mobilfunktechnologien kann sich rächen an der Gesundheit: akute, mittel- und langfristige Auswirkungen der Strahlungen sind noch zu wenig untersucht, als dass Entwarnung gegeben werden kann. Angstmacherei, die diese Debatte überlagert, ist genauso fehl am Platz, weil Emotionen freigesetzt und das Rationale zurückgedrängt wird.

Ein klarer Kopf in der Mobilfunkdiskussion ist notwendig. Nach dieser Veranstaltungen steht für mich fest. Die Politik muss handeln. Wir brauchen

- niedrigere Grenzwerte, die sich am Schutz der Menschen, nicht an den Gewinnen der Mobilfunkbetreiber orientieren

- keine neun parallelen Netze, sondern ein taugliches Netz, in das sich die Mobilfunkbetreiber teilen. Wir haben schließlich auch nicht für jede Automarke eine eigene Autobahn

- mehr rechtliche Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen, um das Mobilfunknetz auf ihrer Markung zu steuern.

Die angeblich wissenschaftlich abgesicherten Grenzwerte stammen von der ICNIRP, einem privaten Verein mit 13 Mitgliedern aus München (Ingenieure/Physiker), die übernommen worden sind von der WHO, die aber von Wissenschaftlern wie Professor Dr. Neil Cherry aus Neuseeland kritisiert werden. Zweifel an den Grenzwerten erbrachte auch der ATHEM-Report. Die bisherigen Studien aus dem Deutschen Mobilfunkforschungsprogramm sind nicht ausreichend. Es wäre Aufgabe des Staates, hier für neutrale Studien zu sorgen. Aber der Bund hat offenbar nur ein eingeschränktes Interesse, denn er hat schließlich UMTS-Lizenzen versteigert, seine Kassen mit Milliarden Euro gefüllt und sieht nun die vorrangige Notwendigkeit, auch die technischen Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass diese Lizenzen voll genutzt werden können. Wo aber bleibt die Gesundheit der Bürger? Es ist wie bei der Gentechnik: Die Schädlichkeit für die Menschen ist weder widerlegt noch belegt - deshalb ist Vorsicht geboten. Sind wir als Kommunen und Bürger, wie es Gutbier sagt, völlig entrechtet?

Mobilfunk wird nicht versichert, sagt Gutbier und verweist auf das Beispiel der e-s rück. Hintergrund seien die schlechten Erfahrungen, die Versicherungen mit Asbest und seinen Folgen gemacht haben.

In Deutschland gibt es neun parallel aufgebaute Mobilfunknetze. Derzeit erweitert O² sein Netz. Jetzt baut das Land Baden-Württemberg den digitalen Behördenfunk auf. Allein 17 dieser neuen BOS-Funktürme sind im Enzkreis vorgesehen. Doch die Standorte werden geheim gehalten, auch von der Kreisverwaltung, das sich auf Vorgaben des Landes bezieht. Die Standort-Angaben seien Verschlusssache ("VS - Nur für den Dienstgebrauch"), ist mir vom Landrat auf einen Antrag der CDU-Kreistagsfraktion hin mitgeteilt worden. Das ist lächerlich! Inzwischen wissen wir doch schon Standorte, so den in Neuenbürg, weil die Angelegenheit im Gemeinderat beraten wurde und auf Widerstand in der Bevölkerung stößt. In Mühlacker ist die Anlage an einem der Sender des SWR angebracht worden - von der Stadtverwaltung im Rahmen der Baugenehmigungsverfahren genehmigt. Einer der Standorte soll auch im Raum Friolzheim sein. Nach und nach kommen die Standorte heraus. Weshalb wird da nicht gleich mit offenen Karten gespielt? Das aber ist symptomatisch für den Umgang des Staates mit Bedenken wegen Mobilfunks.

Besorgte Bürger wenden sich an ihr Rathaus. Dort liegt dann der Schwarze Peter. Obwohl die neue Landesbauordnung Baden-Württemberg das Mitspracherecht und die Gestaltungsmöglichkeiten für Städte und Gemeinden deutlich verringert hat.

Die Mobilfunkinitiative Herrenberg hat Handlungsmöglichkeiten der Kommunen aufgelistet. Mit denen müssen wir uns auch in Mühlacker beschäftigen. Das Ziel: ein Konzept zur Minimierung der Mobilfunk-Lasten. Es geht nicht um Handy-Verhinderung (gleichwohl ich mich immer frage, weshalb manche auch noch auf der Toilette telefonisch erreichbar sein wollen), sondern um Minderung der Strahlen-Belastungen, also des Elektrosmogs.

Gefordert ist hier die Politik. Dass kein einziger Abgeordneter an der Veranstaltung in Neulingen teilnahm, obwohl Bürgermeister Michael Schmidt eingeladen hatte, ist typisch. Die zunehmenden Sorgen der Menschen werden von den Politikern leider nicht ernst genommen. Die CDU-Landtagskandidatin Viktoria Schmid hatte den Termin zwar im Kalender ihrer Homepage stehen, doch den Termin hat sie sich dann geschenkt - auch sie war nicht da. Sich mit diesem Thema auseinander zu setzen ist natürlich mühsamer als bei der Bürgermeister-Verabschiedung in Wurmberg in der ersten Reihe zu sitzen, so als sei man schon gewählt. Politik will das lästige Thema verdrängen.

Für mich steht als Ergebnis der Veranstaltung fest: Wir brauchen neutrale Untersuchungen über die Gefahren der Elektrostrahlungen.