Tempo, Torf und Türen

Eine Blog-Pause? In den vergangenen Wochen schon. Eigentlich ungewollt, aber letztlich doch den Terminen geschuldet. Verursacher: Kommunalwahlen – zuerst Kandidierende suchen, dann Nominierung, Listen einreichen und peinlichst auf den letzten bürokratischen Haken achten, Flyer … Daneben noch das normale Sitzungspensum, Bürgeranliegen - und etwas Privates soll es auch noch geben. So blogge ich heute eher über das, was war und/oder noch läuft.

Die digitale Bürgerbeteiligung geht in die nächste Runde. Hier dazu mehr

"Tempo, Torf und Türen" vollständig lesen

Auf den Spuren, die zum Loch führten

Und wieder wussten es so viele besser. Ein guter Grund fehle, um in Mühlacker einkaufen zu gehen, zitierte die Pforzheimer Zeitung ausgerechnet die Familie Sämann, nachdem diese angekündigt hatte, ihr Kaufhaus in der unteren Bahnhofstraße zu schließen. Ganz und gar nicht dieser Ansicht ist Leo Vogt vom Modegeschäft Schwesterherzen in der mittleren Bahnhofstraße. Das muss doch einen Grund haben. Pessimist der eine, Optimist der andere? Vielleicht Optimist, weil er Ideen hat, neue Wege wagt, um Kundschaft zu gewinnen und zu halten.

Wohl dem, der seine wirtschaftliche Malaise auf andere, vor allem die Kommunalpolitik abzuschieben versteht. Und da sind noch die medialen Kommentatoren, die Überschriften produzieren wie Fußgängerzone: Verpasste Chancen, gute Ideen. Und flugs Ist sie da, die Mutter aller Zentrumsprobleme - das Mühlehof-Loch. Das Arial neben dem Rathaus, über der Tiefgarage liegend. Einer Skaterbahn ähnlich.

Nicht zu übersehen: Das Mühlehof-Loch gleich neben dem Rathaus. Foto: Alexander Kirbis

Begeben wir uns auf die Spuren, die zum Loch führten. Ein beliebtes Thema, wie sich zurzeit auch an Informationsständen der Gemeinderatsfraktionen zur Kommunalwahl am 9. Juni 2024 zeigt. Manche/r trauert noch dem Saal nach, andere dem gebrochenen Wort von Räten, weil die zugesagte Stadthalle immer noch nur auf dem Papier steht obwohl real fest zugesagt.

Unsere Zeitreise beginnt 2011: Erstmals gehörte der Mühlehof vollständig der Stadt, erworben zum symbolischen Preis von einem Euro von der Firma Echo aus Berlin, die vor der Sanierungsaufgabe kapitulierte – was manche heute noch verdrängen wollen. Eine von der Stadt beauftragte Machbarkeitsstudie von Dress & Sommer aus Stuttgart gab die Kosten für eine Rund-um-Erneuerung mit 30 Millionen Euro brutto an.

Was tun? Bei einer Bürgerversammlung am 30. Juni 2011 mit etwa 450 Besuchern ging es im Mühlehof-Saal um die Zukunft des Mühlehofs, ums Einkaufen in der Innenstadt und das Kulturangebot in Mühlackers Zukunft. Führungen durch das Gebäude, Blicke hinter die Kulissen – alles sollte der Meinungsbildung dienen. Ein Internetforum ließ die Stadt auch freischalten.

Irgendwie alles schon einmal dagewesen.

"Auf den Spuren, die zum Loch führten" vollständig lesen

Was Schloss Dwasieden in Sassnitz und die Ex-Bijoutterie in Dürrmenz gemeinsam hatten

Dolphin Trust, der Fall für den Staatsanwalt. Dolphin Trust? Da war doch was... Dürrmenz und Bijouterie? Und was haben beide mit dem maroden Schloss Dwasieden in Sassnitz auf der Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) zu tun? Die Antwort: Dolphin Trust hatte bei beiden Projekten die Finger im Spiel.

Stadthäuser an der Brunnengasse: Ersatz für die untergegangene Bijouterie. (Foto: Günter Bächle, November 2022)

Aber im Unterschied zur Dürrmenzer Liegenschaft an Brunnengasse und Krumme Gasse gehörte Dwasieden zur Konkursmasse, aus der heraus kürzlich 15 Immobilien für zusammen 86,5 Millionen Euro verkauft wurden, so eine Mitteilung der Kanzlei BBL vom September 2022. Darunter Dwasieden, in den Jahren 1873 bis 1877 im Auftrag von Adolph von Hansemann, Inhaber der Disconto-Gesellschaft in Berlin und einer der reichsten Männer der Bismarckzeit, erbaut. Heute mehr oder minder Ruine. 

Die ehemalige Bijoutterie in Dürrmenz. Foto: Günter Bächle, 2012

Trotzdem: Die Staatsanwaltschaft Hannover   forderte jetzt, wie zu hören ist, auch bei der Stadt Mühlacker die zu dem Fall vorhandenen Akten an. In Niedersachsens Hauptstadt ermittelt die Justiz gegen das Unternehmen wegen des Verdachts auf Betrug.

Zu dem Fall Dolphin Trust bloggte ich am 11. Mai 2021 und am 15. Dezember 2016.

Wer ist eigentlich Dolphin Trust? Jetzt wissen wir es ganz genau, denn sie machte bundesweit Negativ-Schlagzeilen. Aber in Mühlacker besteht offensichtlich kaum Interesse an der Geschichte. Der Skandal schlug lokal nicht auf, weil im Rathaus rechtzeitig die Reißleine gezogen wurde und zudem die Entscheidungen meist nichtöffentlich fielen. Ein Musterfall der Schadensabwehr - ein wichtiger Erfolg der Stadt.

Exakt und schnell wickelten  Stadtverwaltung und Gemeinderat den Fall Dolphin-Trust ab, bewahrte die Kommune vor Schaden, das Quartier davor, Teil der Konkursmasse von Dolphin Trust zu werden.

Die Dolphin Trust hatte vom Voreigentümer Sax (Tübingen), zunächst ohne Wissen der Kommune, das Areal übernommen. Die Stadt wunderte sich, als sie davon erfuhr, hatte auch Zweifel an der Seriosität des neuen Eigentümers, zumal dieser unter der Adresse in Langenhagen (Sitz des Unternehmens) nur schlecht zu erreichen war. Die Stadt hatte an Sax verkauft, die extra für dieses Vorhaben die Bijouterie Dürrmenz Projekt GmbH & Co. KG gründete. Im September 2015 vertröstete Sax die Mühlacker Kommunalpolitik um ein weiteres Jahr, hielt die vereinbarten Termine für Planung und Realisierung nicht ein. 

"Was Schloss Dwasieden in Sassnitz und die Ex-Bijoutterie in Dürrmenz gemeinsam hatten" vollständig lesen

Kurze Zeitreise zu Denkmal- und Klimaschutz: Wir treten nicht auf der Stelle

Vertragen sich Denkmalschutz und Klimaschutz? Kann auch mit einem Kulturdenkmal ein Beitrag zur Energiewende geleistet werden? Oder reicht es, dass die Menschen im Denkmal die Heizung herunter drehen und sich einen Pullover mehr anziehen?

Ton in Ton: PV-Anlage auf der Scheuer von Friedenstraße 9 in Lienzingen. (Foto: Günter Bächle, 2022)

Da tat sich in der Zwischenzeit einiges, um praktikable Lösungen zu finden. Sowohl Politik als auch Behörden bewegten sich. Reicht das aus? Die Meinungen gehen auseinander. Die Schönheit liegt, wie so oft, im Auge des Betrachters.

Eine kleine Zeitreise zurück.

Im April 2019 griff ich in einer Gemeinderatsanfrage den möglichen Konflikt zwischen Photovoltaik und Kulturdenkmal erstmals auf. Die ganze Antwort der Verwaltung gibt es hier im Blog. Ein Auszug daraus:

PV-Anlagen treten, so die Stadtverwaltung, wegen ihrer Großflächigkeit im Gegensatz zu solarthermischen Anlagen gestalterisch wesentlich stärker in Erscheinung. In Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde sei die Errichtung einer PV-Anlage auf einem nach Süden ausgerichteten Scheunenvordach im Hofbereich einer Gesamtanlage an der Knittlinger Straße nicht genehmigt worden. Der gegen die Ablehnung eingelegte Widerspruch sei vom Regierungspräsidium als höhere Denkmalschutzbehörde zurückgewiesen, Klage nicht erhoben worden.

Drei Jahre später: Wie vertragen sich Denkmalschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien in einer Zeit drohender Engpässe bei der Stromversorgung? Das war auch die zentrale Frage eines Briefs der  Oberbürgermeister der Stadt Konstanz und des seinerzeitigen Bischofs der Evangelischen Landeskirche Baden Ende 2021 an den Ministerpräsidenten. Beide hatten eine Neuorientierung bei der Abwägung gefordert.  Meine Nachfrage bei der Stadtverwaltung: Hat sich die Genehmigungspraxis seit 2019 verändert? Die Antwort (Auszug) der Stadtverwaltung:

Die Zulässigkeit einer PV-Anlage ist immer eine Einzelfallentscheidung und hängt von der Einsehbarkeit der Dachflächen vom öffentlichen Raum, der Gestaltung der PV-Anlage und der Bedeutung des Denkmals - Kulturdenkmal oder Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung mit Umgebungsschutz – ab.
"Kurze Zeitreise zu Denkmal- und Klimaschutz: Wir treten nicht auf der Stelle" vollständig lesen

Scheune suchte Freund: 41 Erben und doch noch die glückliche Rettung der früheren Zehntscheuer

Experten-Termin des amtlichen Denkmalschutzes in Baden-Württemberg auf der Baustelle: Saniert wird die ehemalige Zehntscheuer in Lienzingen. Das Treffen beginnt gleich mit einer überraschenden Nachricht: Der ältere Teil lässt sich auf das Baujahr 1569 eingrenzen, wäre damit knapp 150 Jahre älter als bisher angenommen. In der Ranking-Liste der ältesten Lienzinger Scheunen bedeutet das einen Sprung um sechs Plätze nach vorne auf Rang 5 nach den  2010 vom Bauforscher Tilmann Marstaller vorgelegten Ergebnissen seiner dendrochronologischen Untersuchungen.

Gelungene Gauben-Parade auf der ehemaligen Lienzinger Zehntscheuer (Bilder: Günter Bächle)

Sie gibt es wirklich – die Denkmale Schützenden, die locker formulieren und fröhlich zeigen, welche Schätze zum Beispiel im mittelalterlichen Ortskern von Lienzingen stehen. Die nicht ernst dreinschauen, als würden sie unter der großen Last der Geschichte fast erdrückt. Ernsthaft die Objekte betrachtend, aber nicht bierernst.

Scheune findet Freund - Umnutzung der ehemaligen Zehntscheune in Lienzingen. Klingt gut, macht Lust auf mehr, ist gleich ansprechender als der Inhalt mancher trocknen Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege zu einem Bau- oder Sanierungsantrag, den Fenstersprossen, der Farbwahl, den vielen anderen Details eines Kulturdenkmals, über die sich auch trefflich streiten läast...  Nachschauen, abschauen, zuschauen, umschauen hieß es denn auch gestern in der Herzenbühlstraße an der früheren Zehntscheuer. Eine von vier Baustellen, auf die die Denkmalsschützer ihr fachliches Partnerfeld erstmals einlud – speziell Fachleute aus der denkmalpflegerischen Praxis, Architekten, Handwerker, Baurechtsmenschen aus Behörden.

Die zwei Juni-Termine waren gleich ausgebucht - Gut Bodman in Bodman-Ludwigshafen und Solarkataster Langenburg. Am 8. Juli folgte Bad Urach, jetzt am Freitag die Scheune in Lienzingen, die mit Melanie und Günter Poetsch ihre Freunde fand. So spielt unser Dorf bei den Großen mit. Claudia Baer-Schneider, Fachgebietsleitung im Regierungsbezirk Karlsruhe, Gebietsreferentin Bau- und Kunstdenkmalpflege, und Tina Frühauf, Gebietsreferentin, Landesamt für Denkmalpflege mit Dienstsitz Karlsruhe, Referat: 83.2., übernahmen den fachlichen Part. Frühauf ist zuständig auch für den Enzkreis.  

"Scheune suchte Freund: 41 Erben und doch noch die glückliche Rettung der früheren Zehntscheuer" vollständig lesen

Markant und äußerst stark: Friedenstraße 9, Lienzingen. Das Glanzstück aus dem Dreißigjährigen Krieg liebevoll saniert

Das Dorf der Superlative:

Friedenstraße 10, Rathaus (links), Friedenstraße 9 (rechts) - buntes Fachwerk-Ensemble. Schmuckstücke wie auf einer Perlenschnur. (Fotos: Günter Bächle)

Ein weiterer Prachtbau, ein besonderer schon gar: Den das Ende April 2022 auslaufende, vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Mühlacker seit 2006 gemeinsam gestemmte   Sanierungsprogramm Ortskern Lienzingen im wahrsten Sinne des Wortes in seiner gesamten Schönheit voll zu Tage förderte. Einer der Juwelen des Lienzinger Ortskerns nennt der Bauforscher Tilman Marstaller dieses Anwesen an der Friedenstraße mit der Hausnummer 9. Zumal es auch für fast 400 Jahre Ortsgeschichte steht. 

Vor vier Jahren unterschrieben die jetzigen Eigentümer aus Vaihingen an der Enz, Michaela und Klaus Küchle, den Kaufvertrag für das damalige Ölschläger‘sche Haus. Inzwischen wohnen sie nach der liebevollen Sanierung in den historischen vier Wänden, fühlen sich sichtlich wohl.  Dies, ihr neues Zuhause, steht vis-a-vis des 1719 errichteten Rathauses, heute mit Etterdorfstube und städtisches Museum mit einer Sammlung der schönsten Christbaumständer.

Seit wenigen Tagen ist das inzwischen sanierte Wohnhaus entrüstet - das Gerüst abgebaut, der Blick frei auf die herausgeputzte Fassade des 1624 und damit bereits zuzeiten des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) gebauten Fachwerkhauses. Zum Ensemble gehört die rückwärtige Scheuer. Deren Baujahr laut dendrochronologischer  Datierung: plus/minus 1560.

"Markant und äußerst stark: Friedenstraße 9, Lienzingen. Das Glanzstück aus dem Dreißigjährigen Krieg liebevoll saniert" vollständig lesen

Vorher genauer hinschauen - Fazit aus dem Fall Friedenstraße 12

Das von der Stadt abgebrochene Gebäude Friedenstraße 12 - gleich neben dem Lienzinger Rathaus - war älter als im Werteplan Etterdorf Lienzingen angenommen. Jener war immerhin Basis für das Regierungspräsidium Karlsruhe, über den historischen Ortskern von Lienzingen vor rund zehn Jahren den Schutzschirm aufzuspannen. Wie zum Beispiel über die Altstadt Durlach, die Altstadt Horb, Zell am Harmersbach, Altensteig - die jüngsten Beispiele. Lienzingen in nobler Runde.

Abgeräumt. Blick vom Fußweg zwischen Friedenstraße und Kirchenburggasse, hinter dem Rathaus. (Foto: Günter Bächle)

Doch Friedenstraße 12 stand nicht in der Denkmalliste, was letztlich zur Abbruchentscheidung des Gemeinderats verleidete, nachdem die Stadt als Eigentümerin niemand fand, der die Immobilie sanieren wollte. Dies allein kann aber nicht Maßstab für Entscheidungen sein, einen Platz abzuräumen. Im Gespräch mit dem Bauforscher Tilmann Marstaller zeigte sich, für die Gesamtanlagesatzung und die Abgrenzung des geschützten Areals ist der Werteplan ein wichtiger Orientierungspunkt, hätte aber im konkreten Fall eine vertiefende Untersuchung vertragen. 

Solche Diskussionen brachen zum Beispiel auch in Tübingen auf. Dort habe sich Oberbürgermeister Boris Palmer überzeugen lassen, dass vor einer unverrückbaren Entscheidung ein Objekt mit scharfem Blick geprüft wird, berichtete Marstaller. 

"Vorher genauer hinschauen - Fazit aus dem Fall Friedenstraße 12" vollständig lesen