Pietà in der Röhre

Alte Dame und supermoderne Computerwelt: 42 Stunden lang musste die mehr als 500 Jahre alte und zudem ordentlich lädierte Pietà  aus der Frauenkirche Lienzingen in der Röhre ausharren. Jetzt ist die traurige Mutter Gottes virtuell in Schichten zerlegt. Ein gewaltiger Datenberg wuchs heran.  Über das spätgotische Skulpturenfragment, ihren inneren Zustand (Holzwürmer!) und ihre neue Beweglichkeit plauderte heute Dr. Michael Böhnel, Fraunhofer­ Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Fürth zum Abschluss einer sechsteiligen Veranstaltungsreihe der Volkshochschule Mühlacker.

Das Duplikat der Skulptur aus der Frauenkirche, aber mit Gesicht: Maria, ihren toten Sohn Jesus auf dem Schoß tragend. Die Arbeit von Bildhauer Thomas Hildenbrand (Foto: Günter Bächle_Juli_2022)

Die 1,60 Meter hohe Skulptur aus Lindenholz gehört zu jener Gattung von Kandidaten, die das Maß für einen normalen Computertomographen sprengen. Extra für solch große und schwere Fälle unterhält das Entwicklungszentrum Röntgentechnik (EZRT) des Fraunhofer Instituts e.V. in Fürth seit Jahren eine hochmoderne CT-Anlage, eingesetzt auch für einzigartige Kunst­ und Kulturgüter. So soll  eine zerstörungsfreie Analyse des Aufbaus und der inneren Strukturen ermöglicht werden. Das Institutsteam ermöglicht einen Einblick in die aktuelle CT­Technik und Resultate spannender Objekte aus den Bereichen der Paläontologie, Archäologie und musealen Sammlungen, heißt es denn auch auf der Web-Seite des Instituts.

 

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Fahne, Maibaum, Kirchenspitze - der 1. Mai 2022 bringt die Tradition zurück

Nach zwei Jahren Corona-Pause: zum heutigen 1. Mai 2022 die laufende Nummer 19 der Maibäume. (Fotos: Günter Bächle)

Nach zwei Jahren Pause wieder Maibaumstellen in Lienzingen, organisiert vom Männergesangverein Freundschaft Lienzingen. Die Sänger haben diese lokale Tradition begründet. Ich zählte 2019 einmal durch und kam dabei für selbiges Jahr auf Baum Nummer 18. Dann muss dies jetzt der 19. sein. In den zwei Jahren dazwischen - Corona bedingt - stellte das Dorf ein durchaus konkurrenzfähiges Alternativ-Programm auf: Lienzingen bunter.   Was fehlte: Das Fest zum Maibaumstellen.

Heute, am Tag der Arbeit, am 1. Mai, steht der mit bunten Bändern geschmückte Maibaum nicht allein, sondern erhält sozusagen eine Verstärkung durch die Nationalfarben. Wirklich nur eine Eintagesgeschichte. Eine, mit einem anderen Akzent. Deshalb gleich in zwei Varianten hier im Blog. Motto: Fahne, Maibaum, Kirchenspitze.

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Markant und äußerst stark: Friedenstraße 9, Lienzingen. Das Glanzstück aus dem Dreißigjährigen Krieg liebevoll saniert

Das Dorf der Superlative:

Friedenstraße 10, Rathaus (links), Friedenstraße 9 (rechts) - buntes Fachwerk-Ensemble. Schmuckstücke wie auf einer Perlenschnur. (Fotos: Günter Bächle)

Ein weiterer Prachtbau, ein besonderer schon gar: Den das Ende April 2022 auslaufende, vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Mühlacker seit 2006 gemeinsam gestemmte   Sanierungsprogramm Ortskern Lienzingen im wahrsten Sinne des Wortes in seiner gesamten Schönheit voll zu Tage förderte. Einer der Juwelen des Lienzinger Ortskerns nennt der Bauforscher Tilman Marstaller dieses Anwesen an der Friedenstraße mit der Hausnummer 9. Zumal es auch für fast 400 Jahre Ortsgeschichte steht. 

Vor vier Jahren unterschrieben die jetzigen Eigentümer aus Vaihingen an der Enz, Michaela und Klaus Küchle, den Kaufvertrag für das damalige Ölschläger‘sche Haus. Inzwischen wohnen sie nach der liebevollen Sanierung in den historischen vier Wänden, fühlen sich sichtlich wohl.  Dies, ihr neues Zuhause, steht vis-a-vis des 1719 errichteten Rathauses, heute mit Etterdorfstube und städtisches Museum mit einer Sammlung der schönsten Christbaumständer.

Seit wenigen Tagen ist das inzwischen sanierte Wohnhaus entrüstet - das Gerüst abgebaut, der Blick frei auf die herausgeputzte Fassade des 1624 und damit bereits zuzeiten des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) gebauten Fachwerkhauses. Zum Ensemble gehört die rückwärtige Scheuer. Deren Baujahr laut dendrochronologischer  Datierung: plus/minus 1560.

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Das war's dann mal - Ungewohnte Durchblicke, nachdem Friedenstraße 12 abgeräumt ist

Von der Friedenstraße her freie Sicht auf die Anhöhe - ganz oben (rechts) ragt das Dach des früheren Schulhauses an der heutigen Kirchenburggasse heraus. Rechts Rathaus. März 2020 (Fotos: Günter Bächle) Die Vorgeschiochte des Abbruchs, Teil 1: hier der Link.

Neu: Die Sicht auf die Friedenstraße. Ungewohnt
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Der von der Hinteren Gasse und die Frischzellenkur für Kulturdenkmale

Quartiers-Report Hintere Gasse.

Hintere Gasse, Herzenbühlstraße – der Stoff für meine ganz eigene Quartier-Geschichte.  Gemischt, durchmischt, Notizen von Menschen mit Empathie für Fachwerk, ihrer aktuellen Frischzellenkur für die frühere Zehntscheuer und den Häusern Nummer 3 und 4. Meine Geschichte, weil ich dort in einer der schönsten Gassen des Enzkreises aufwuchs, um Streiche nie verlegen und ständig auf Tour. Dort starb an einem trüben April-Sonntag mein Vater, dort startete ich aber auch in den Journalismus, fand die Arbeit in der Jungen Union plötzlich interessanter als Unterricht und Vokabeln pauken (heute weiß ich, dass die Rangfolge falsch war) . . . In einer Arbeiterfamilie von damals konnten die Eltern dem Filius selten bei den Hausaufgaben helfen. Die Sache mit der Herkunft und ihre Folgen. 

Die frühere Zehntscheuer wandelt sich zu einem Wohnhaus.(Aufnahme Februar 2022)

Aus dem gleichen Blickwinkel: die Scheuer im Jahr 2019

Die Hintere-Gasse-Story bunt, persönlich, kommunal. Dabei plante ich eigentlich nur Bild + Text für den Blog zu den aktuell größten Projekten vor dem Auslaufen des Sanierungsprogramms Ortskern Lienzingen Ende April 2022 (dem möglichst 2023 ein neues folgen soll). Mächtig stolz können wir sein über dieses private Engagement. Ergänzen sie doch mit ihren Schmuckstücken in spe die vorhandene prächtige Fachwerkfront zur Straße hin.  

Der, der aus der Herzenbühlstraße kam. Zwischen heutiger Knittlinger Straße, nördlichem und östlichem Scheunengürtel, sowie Scherbentalbach von 1952 bis 1957 in der heutigen Knittlinger Straße 8, danach bis Ende November 1970 in der Herzenbühlgasse 25 (dann noch zwei Stationen: später Brühlstraße und seit 1984 Lohwiesenstraße -  eigenes Häusle, mit Fachwerk und aus Holz auch in einem Neubau? Bewusst ja, wiewohl sich damit selbst Zimmerleute vor mehr als vier Jahrzehnten schwertaten. Handwerkskunst verschludert: Stadt der herkömmlichen Zapfenverbindung zwischen den Balken schnell Metallstücke über das Eck angeschraubt. Mich schaudert dies heute noch - so klein sie auch sind, manchmal geraden sie doch ins Blickfeld.

Immer der Heimatort. Scherzhaft die Frage: Aus Lienzingen nie hinausgekommen?  - Die Antwort: Doch, aber bald immer zurückgekehrt. Muss einen Grund haben. Anderen geht es wohl auch so.

Etwa1954 auf dem Traktor von Landwirt Kontzi in der Hinteren Gasse: Gerhard vorwitzig am Steuer. Beate mutig, Rolf und Günter trauen den Fahrkünsten dann doch nicht

 

Der aus der Hinteren Gasse: als Lienzinger Kandidat für den Mühlacker Gemeinderat im September 1975

Hintere Gasse? Amtlich ist die Gasse auf jeden Fall eine Straße. Das steht fest. Was gilt nun?  In einem alten Plan, der auch im kleinen Saal der Gemeindehalle Lienzingen an die Wand projiziert wurde, war es die Hintere Gasse - und alte oder auch jüngere Lienzinger verwenden heute noch gerne dieses Wort. Mir rutscht dieser Name  auch öfters heraus.

Doch eine Akte aus dem Stadtteilarchiv Lienzingen enthält eine Straßenaufstellung für Lienzingen vom 22. Dezember 1969, unterzeichnet von Bürgermeister Richard Allmendinger. Dort ist noch die Herzenbühlgasse aufgeführt, aber bereits handschriftlich mit Bleistift in „-straße“ geändert worden. So blieb es auch 1972 im Zuge der Umstellung von durchlaufenden Gebäude-Nummern auf straßenweise vergebene Haus-Nummern.

Jetzt kommt der aus der Hinteren Gasse, murmelte Bernhard Braun, sozialdemokratisches Urgestein, Eisenbahner, verdienstvoller Stadtrat und zeitweise stellvertretender Bürgermeister so vor sich hin, dass ich seine Worte hören sollte.

Das war im Herbst 1975 im Saal der Feuerwache an der Rappstraße in Mühlacker. Mit gerade 24 Jahren war es meine erste Sitzung als Ratsmitglied, quasi als die eine Hälfte der Lienzinger Vertretung, die mehr als ein Vierteljahr nach der Zwangseingemeindung im September 1975 gewählt worden war.

Ja, ich war der aus der Hinteren Gass. Dabei wohnten meine Mutter und ich damals schon seit fast sechs Jahren in der Brühlstraße 14. Hintere Gasse? Im Flecken das andere Wort für Herzenbühlgasse oder -straße. Hintere Gasse als Synonym für das Letzte? Der Braun`sche Ausspruch blieb ein Rätsel. Bei ihm hatte ich jedenfalls meinen Ruf weg.

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Als 14-Jähriger im Uhlandbau erstmals politisch Luft geschnuppert - Bei Kiesinger-Auftritt anno 1964

9. April 1964: Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger und sein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Mühlacker. Station im Uhlandbau (Stadtarchiv Mühlacker=STAM, Foto: Hans Losch, MT)

100 Jahre Mühlacker Uhlandbau – am morgigen Donnerstag um 19 Uhr der Festakt als Start ins 100-Jahr-Jubiläum des 1921 als Turn- und Festsaal konzipierten heutigen Kulturdenkmals, dann am Sonntag um 15 Uhr Beginn der Sonderausstellung Dennoch...1921 - Uhlandbau Mühlacker - 2021 im Spiegel der Geschichte in der historischen Kelter. Allesamt Auftakt zu einer Veranstaltungsserie, die sich über mehrere Monate hinzieht. Ein gutes Stück Arbeit, geleistet von Stadtarchiv, Museum und dem Historisch-Archäologischen Verein. Chapeau! Der Kulturtempel wurde in 99 Arbeitstagen in Rekordzeit errichtet, am 28. Oktober 2021 eingeweiht. Die Voraussetzung für eine Finanzierung von 750.000 Reichsmark durch den Mühlacker Fabrikanten Alfred Emrich war somit erfüllt. Ob dies auch ein Rezept gewesen wäre für die neue Mühlacker Feuerwache?

Meine erste (oder zweite?) politische Versammlung besucht: Mit Kiesinger am 9. April 1964 im Uhlandbau. Der Bericht im Mühlacker Tagblatt, Aisgabe vom 11. April 1964

Uhlandbau, was bedeutet mir das dominante Haus auf der Ecke Uhlandstraße und Schillerstraße? Zunächst nichts, weil ich in Lienzingen aufwuchs. Wir nutzten seit 1966 eine damals neue Gemeindehalle, zuvor spielten sich die Dorftreffen im Saal des Gasthauses Hirsch der Familie Geißler ab: Festivitäten, Bürgerversammlungen, Vereinsfeiern - und um 1955 mein missglückter Purzelbaum bei der Weihnachtsfeier des Turnvereins, der demonstrieren wollte, was wir im Kinderturnen gelernt hatten. Ich aber lieferte zur Heiterkeit der Zuschauer auf der Bühne einen Bauchpflatscher. Der Saal tobte, ich aber wusste, dass das nicht geplant war, genierte mich mächtig, verdrückte mich. Der Auftritt beendete so die Feier - im Schnee vor dem Hirsch, fünf Häuser von der Wohnung meiner Eltern entfernt.

Der Uhlandbau im Bild (Festakt zum 100-JahrJubiläum)

Nochmals die Frage: Was bedeutet mir der Uhlandbau?  Nun, ich erlebte dort als noch nicht ganz 14-Jähriger am 9. April 1964 meine erste (oder zweite?) politische Veranstaltung. Kurz vor der Landtagswahl sollte Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger auf einer CDU-Wahlversammlung reden. Um 20.30 Uhr begann sie. Er traf aber erst zwei Minuten vor 22 Uhr ein, weil seine Wahlversammlung zuvor in Leonberg länger gedauert hatte als geplant.

Bei seinem Eintreffen im vollbesetzten Uhlandbau hätten ihn die Hunderte von Besucher mit anhaltendem Applaus begrüßt und der Gastredner sei dann von Bürgermeister Erich Fuchslocher mit einer silbernen Plakette als Geschenk und der Bitte überrascht worden, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen.

Das notierte sich der legendäre Lokalredakteur Rudolf Pospischil ganz exakt und baute es in den satten Vorspann seines stattlichen Berichts ein, der zwei Tage danach im Mühlacker Tagblatt erschien.

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