Schultheiß, Sparkässler, Kirchenaufseher, Aktuar: Die vielen Rollen des Karl Brodbeck
Menschenfreund und -helfer, Pedant und Pfennigfuchser, Visionär und Dynamiker, saumseliger Bürokrat, Hohenloher oder Lienzinger, Konservativer oder Hitlerianer? Karl Brodbeck (1886 bis 1967) lässt Fragen zurück - von jedem etwas oder nur ein Mensch, der Widrigkeiten des Lebens umschiffte, sich durchschlängelte in einer schwierigen Zeit? Denn sie war voller Widersprüche. Die Antwort ist differenziert. Pauschale Urteile wären fehl am Platz. Sein Tun scheint völlig unauffällig sachorientiert gewesen zu sein. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten überstand er nicht nur unbeschadet, seine kommissarische (Neben-)Tätigkeit in Zaisersweiher wurde auch in eine reguläre umgewandelt. Dieses Bild des Bürgermeisters, das der Historiker Konrad Dussel im 2016 erschienenen Ortsbuch Lienzingen zeichnet, wird zumindest durch die Sammlung von amtlichen Schreiben, Protokollen und Aktenvermerken gestützt (S. 172 f).
Lienzinger Geschichte(n). - Der Vierteiler über Karl Brodbeck und seine Ära: innerhalb meiner Blog-Serie über die neuere Ortsgeschichte der bis 1975 selbstständigen Gemeinde das Portrait (3/4)
Was sich als Quelle zu solcher Urteilsbildung anbietet, sind vor allem die Akten aus Stadtarchiv Mühlacker (STAM) und Staatsarchiv Ludwigsburg (StAL FL 20--18 I_Bü 73 und E 180 II_Bü 3968). Er setzte sich beispielsweise dafür ein, die wirtschaftliche Lage der Menschen in dem Bauerndorf zu verbessern – unter anderem durch eine Dreschhalle und mehr Weinbauflächen.
Im Juli 1921 legte die Gemeinde Lienzingen ein Baugesuch betreffs Erbauung einer Dreschhalle am Ortsweg (heute Zaisersweiherstraße) als elf Meter breiter und 10,50 Meter langer Vorbau an der Kelter vor, gefertigt von Architekt Aeckerle, unterschrieben vom 1920 eingesetzten neuen Schultheiß Karl Brodbeck. Sein Vorgänger hatte schon Angebote eingeholt, der neue Bürgermeister bestellte beim Gemeinde-Verband Elektrizitätswerk Enzberg (später EVS) einen Drehstrom-Motor fürs Dreschen. Brodbeck setzte die Pläne um und deshalb hat Lienzingen den Luxus eines großzügig überdachten Vorplatzes an der Kelter (STAM, Li A 8, Li A 79/36).
Von 28 Hektar im Jahr 1930 auf 31 Hektar 1935 vergrößerten die Wengerter ihre Rebflächen (heute 16,6 Hektar). An zahlreichen Weinberghäuschen am Eichelberg ist als Baujahr 1933 eingemeißelt. Da ging offensichtlich viel.
Der Schultes bestellte höchstpersönlich Rebstöcke und verteilte die Setzlinge an die Wengerter, schrieb Annoncen und Werbetexte, warb gleichermaßen für das Lienzinger Best-Produkt und die gute Verkehrsanbindung: Postauto von Mühlacker, Weinberge in nur günstigen Südlagen, gute Tischweine (Schiller- und Rotwein).
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