Daube Zwetschga und bachelige Rät – Protokollstreit im Vaihinger Stadtparlament

Albrecht Müller, beileibe keiner der Vielredner, die auch in den Reihen der drei Fraktionen im gedämpft wirkenden Vaihinger Ratssaal - ebenso wie andernorts – zu Hause sind, konnte sich da nicht mehr zurückhalten. Der sonst schweigsame Auricher FFW-Mann spürte den Ernst der Stunde, kramte in seinem wohl breiten, bislang unbekannten Fundus knitzer schwäbischer Sprüche, fragte dann leicht spitzbübisch in die Runde: Ihr kennt alle den Onderschied zwischa ’m Zwetschgaboom on’ am Gmoiderat – beim Zwetschgaboom senn dia Daube onna uff’m Boda.

Doch seine Kollegen im erlauchten Rat der Großen Kreisstadt Vaihingen fanden solch’ Worte, die gar schnell die Pointe erraten ließen, offenbar gar nicht spaßig, geschweige denn hilfreich. Jedenfalls verzogen sie nicht einen Millimeter ihre Mienen. Dabei gedachte Müller, durch den nicht alltäglichen Vergleich die Ehre des Gemeinderates, speziell aber die des Ortschaftsrates im Stadtteil Gündelbach zu retten. Denn, so sein Gedankengang, die Verwaltung solle doch bittschön nicht glauben, im Stadtparlament säßen nur taube Früchte. Man sei immerhin wer, nämlich die gewählten Abgesandten der Bürgerschaft: On dia senn net bachelich, dia mist ihr ernschter nehma.

Wer glaubt, im historischen Vaihinger Rathaus habe es sich in so ernsten Stunden um Jahrhundertbeschlüsse, vielleicht gar um Unumstößliches gedreht, sieht sich freilich trotz gewichtiger Worte enttäuscht. Der Gegenstand, der ons saumäßig gschtonka hoat (Ortsvorsteher Klein), ließ sich mit zwei Fingern fassen; nämlich zwei eng beschriebene weiße Schreibmaschinenblätter. Der Inhalt: Protokoll einer Waldbegehung just in jenem beschaulichen Strombergort Gündelbach.

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Einen Einundzwanziger beim Onkel Gustav

Einer seiner vielen Stationen in Maulbronn. Im Jahr 1923, in sonnigen Herbsttagen, hielt sich ein 39-jähriger Redakteur und Dozent an der Hochschule für Politik in Berlin wieder einmal in dem Oberamtsstädtchen auf. Maulbronn war ihm ans Herz gewachsen, dem liberalen Politiker Theodor Heuss. Ein Jahr später rückte der Politiker in den Deutschen Reichstag ein.

Der Mann aus dem Zabergäu, in Brackenheim groß geworden, verband die Lust an der Politik mit der Lust an der Poesie. Er schaffte ein enormes Redner-Pensum pro Tag, hielt seine Eindrücke auf dem Papier fest, schuf so literarische Genussstücke. Eines davon fiel mir vor mehr als einem halben Jahrhundert in die Hände. Seinerzeit entstand daraus ein Beitrag für das Württembergische Abendblatt, erschienen in der Ausgabe vom 27. August 1970. Er ist das Kernstück der heutigen Geschichte.

Für Maulbronn hatte er viel übrig. Das zeigen seine Aufzeichnungen über die Spaziergänge im Städtle, am Elfingerberg, auf der Reichshalde. Beides auch Lagen, auf denen – welch Glück nicht nur für ihn! - Reben wachsen, Trauben gedeihen. Der Politiker und Poet rühmte diese Produkte aus den Weinbergen. Er wusste um die guten Tropfen. Der spätere Bundespräsident widmete sich bei seinem Besuch in den Herbsttagen 1923 dem Kloster, im zwölften Jahrhundert von Zisterzienser-Mönchen gegründet.  In seinen Erinnerungen, mit Herbsttagen in Maulbronn betitelt, führte er über den Wein in die Landschaft ein.

In einer milden Sonne zum See hinab

Theodor Heuss’ Herbsttage erschienen im Jahr 1959 im Tübinger Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins im Rahmen des 309-seitigen Bandes Von Ort zu Ort, Wanderungen mit Stift und Feder.  Einfühlsam sein Stil, keiner der versucht, auf der Glatze noch Locken zu drehen. So schildert Theodor Heuss zuerst die wein- und wasserspendende Umgebung von Maulbronn.

Aber den Eilfinger Berg stiegen wir in einer milden Sonne zum See hinab, zwischen den Rebstöcken, in einiger Sorge, dass Regen und Sonne an den Trauben noch ihr gutes Werk tun.

Theodor Heuss 1924 - Foto aus dem Abgeordnetenausweises des Reichstags

Ein paar Hundert Meter weiter liegt die Reichshälde. Und wir grüßten sie dankbar; sie ist nicht ganz so berühmt, und von ihrem Gewächs gab’s in der behaglichen Wirtsstube beim Onkel Gustav einen Einundzwanziger. Der Eilfinger aus diesem gesegneten Jahr ist weggetrunken. oder, schnöde genug, da einer göttlichen Gabe dies geschehen darf, zur Kapitalanlage verwandelt: in ein paar Häusern und Kellern bewahrt man ihn noch als feierliche Familienlegende. Über den Reichshäldener haben sie keine Gedichte gemacht, er wird auch nicht etikettiert; deshalb blieb einiges für uns davon übrig.

Seltsame Geister

Der Redakteur schreibt von seltsamen Geistern, die sich in dieser Ecke Württembergs, die zum nördlichen Schwarzwald guckt und in den badischen Kraichgau ihre Hügel laufen lässt, nach Bretten und Bruchsal begegnen. Theodor Heuss zeigt sich als ein profunder Weinkenner, der die Maulbronner Gegend richtig einstuft: Sie ist dem eigentlichen Weinland schon etwas entrückt; aber mit einer letzten Anstrengung haben es die schwäbischen Weine hier erreicht, flaschenreif zu werden und ihre Spitze zu finden. Die wichtigste Weinlage sei Krongut mit pfleglichster Behandlung gewesen: In einer liebenswürdigen Bewegung habe die junge Republik sie dem letzten König bei der Finanzauseinandersetzung zum Familiengut geschlagen. Also der heutigen Hofkammer.

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Das kleine Weihnachtssammelsurium

Weihnachtsgrüße ganz lokal – aus dem Christbaumständermuseum im alten Rathaus Lienzingen, Friedenstraße 10. Mein geschenkter Tipp für die Festtage: Geöffnet sonntags von 14.00 bis 17.00 Uhr, auch am 1. Weihnachtsfeiertag und am Neujahrstag.

Zur Einstimmung aus dem Luxemburger Wort  und druckfrisch aus der PZ.

Der Weihnachtsmann als Staffage für den Baumhalter (MuseumLienzingen, Fotos: Günter Bächle)

Alle Jahre wieder - gute Wünsche zum Fest und zum neuen Jahr. Mühe machen sich die Menschen, schreiben, fotografieren, mailen. Und was tun die Adressaten? Freude, ein Die ist aber schön - dann jedoch die immer gleiche Frage: Wohin damit? Eigentlich zu schade zum Entsorgen. 

Angeschaut und weggeklickt oder in  die Ablage Papierkorb? Die eine oder andere Karte steht für einige Zeit in der guten Stube auf einem Fensterbrett, dem Kachelofen oder an der Wand. Bis zum Großputz...

Eigentlich schade für den gesamten Aufwand. Deshalb sammle ich wenigstens die Sinnsprüche auf den Karten: Zitate, Volksweisheiten, Bibelstellen, Ideensplitter und blogge dazu wie schon voriges Jahr und im Jahr zuvor jetzt wieder mit Freude: Das kleine Weihnachtssammelsurium fürs Netz. Und weil auch das hübsche Museum im alten Rathaus Lienzingen in der Nach-Corona-Zeit wieder regelmäßig geöffnet hat, gibt es dafür einen Werbeblock. Kürzlich sprach mich ein Ehepaar in der Mühlacker Bahnhofstraße an, schwärmte vom Museum mit den  Christbaumständern, war nach einer Führung ganz begeistert. Werbung dafür machen, so mein Ratschlag. Obschon zunächst belächelt, der Welt einziges Christbaumständermuseum, wird Besuchern rasch klar: Die Geschichte des eisernen Baumhalters ist weitaus interessanter als gedacht.

 

350 Exponate sind in der Ausstellung zu sehen: Historisches Gebäude mit einem rückwärtigen barrierefreien Eingang.

Und nun zu dem, was der Postbote brachte (oder auf elektronischem Weg sein Ziel erreichte).

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Tonis Treffer: Schnappschüsse aus dem Salmen

Nachklapp, ein eher persönlicher Nachklapp, zur Verleihung des Landespreises für Heimatforschung digital 2022 vom Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Eingerahmt von Fotos, die meine Tochter Anthonia schoss - Bilder, die den ganzen, bewegten und sich bewegenden Menschen einfangen, sein aktuelles (Nicht-)Wohlbefinden zeigen und die wechselnde Mimik.

Vor Tonis Offenburger Fotogalerie das Ergebnis von dreieinhalb Stunden vorangegangener Aufnahmearbeit. Ein Resultat in 3,26 Minuten: Tim Richter und Christian Steinbrenner von Grasshopper Kreativ aus Tübingen setzten mich für einen Filmbeitrag in Szene, zuhause, in der Kirchenburg, in der Hinteren Gasse, im Stadtarchiv. Ein schönes Projekt, das allen Beteiligtenn auch Spaß machte. Rote Hosenträger als Markenzeichen? Bei der Preisverleihung im Salmen in Offenburg musste ich dann doch klarstellen, dass ich ein Schwarzer bin. Vor allem aber ein Lienzinger.

Ich gebe zu: Sich selbst zu sehen, sich zu hören, sich gestikulierend erkennend - das ist im ersten Moment eher verunsichernd. Authentisch sei ich in dem Video. sagen sie, die mir schrieben. Meinen herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung. Es ist sehr interessant, die Lienzinger Geschichte(n) zu lesen. Für eine kurze Zeit durfte ich auch Lienzinger sein Einen Gruß aus Texas - Steffen.

Eine frühere Kollegin aus Stuttgart schickte mir ein WhatsApp, die mich berührte: Erstmal: nochmal herzlichen Glückwunsch zum (verdienten) Preis! Sehr schöner Film! Die roten Hosenträger sind klasse! Die Szenen im Arbeitszimmer: viel Atmosphäre! Die Sprache: genau das richtige Maß an Dialekt. Und bei dem Satz auf'm Bänkle "Lienzingen ist nicht die Welt...." sind mir ja glatt die Tränen gekommen.

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Kanäle, Accounts, Apps: Mühlacker legt zu

Eine Portion Mediales, bittschön - lokal, regional, national.

Offizielle Seite der Stadt Mühlacker

Mühlacker holt bei der Öffentlichkeitsarbeit auf, nachdem man jahrelang auf der Stelle trat (der erste Antrag zur Nutzung der sozialen Medien lag im Frühjahr 2013 vor, eingebracht von der CDU-Fraktion – es erfolgte Kenntnisnahme, eine milde Form der Ablage, deshalb von der Union neu aufgelegt im Mai 2016).

Immerhin: Nach erstem Zögern ist die Stadt jetzt auch auf Instagram aktiv. Der OB an die Stadträte:  Wir wollen diesen Account künftig nutzen, um besonders auch jüngere Personen zu erreichen. Während Twitter für unsere Verwaltung noch kein Medium ist, das sie nutzen will, präsentiert sich Mühlacker auf Facebook schon seit 2013 als junge Stadt (2200 Follower)Noch ist die Zahl der Beiträge und die der Follower bei Instagram auf niedrigem Niveau, der Trend zeigt jedoch nach oben. Momentan bespielen besonders Stadtbücherei und Volkshochschule diesen Kanal.

Apropos Kanal: Stadt Mühlacker heißt einer auf Youtube mit derzeit 37 Abonnenten und zahlenmäßiger schmaler Videokost.

Mit ihren Social-Media-Auftritten ist sie fit, auch wenn der Datenschutzbeauftragte des Landes sich zurückhaltend über ein kommunales Engagement auf diesen Plattformen äußert. Der Vorschlag, wie Pforzheim aktuell aus den Gemeinderatssitzungen zu berichten, konnte nicht begeistern, schon deshalb, weil Kommunen den Medienunternehmen rechtlich nicht ins Gehege kommen sollen – keine wettbewerbsverzerrende Konkurrenz nennt sich diese Vorgabe.

Auch auf dem App-Markt ist die Senderstadt unterwegs. Mit der Stadt-App und ihrem von der Ratsmehrheit erzwungenen Schmalkost-Angebot: Homepage-Inhalt und Mängelmelder (etwa 350 aktive Nutzer, 2021) und die enzJoy-App von Stadtwerken, MT und anderen - mit deutlich höheren Nutzer-Zahl, da sie auch thematisch breiter aufgestellt ist und noch mehr Inhalte plant (zum Beispiel: Herzenssache Lienzingen interessiert sich, ihr Datenmaterial über den Stadtteil so online zu verwerten).

Das alles macht sich nicht von allein oder nachts durch fleißige Heinzelmännchen von Mühlacker.  Die Stadt Pforzheim hat insgesamt zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit (ÖA). Die Senderstadt bleibt deutlich hinter der Eins vor dem Komma zurück.

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Das wieder entdeckte Wochenende

Besonderes Flair: der Konrad-Adenauer-Platz als Festles-Quartier - auch in der Schräge

Ob nun die Bauarbeiten an der neuen Herrenwaagbrücke, die Rückkehr einer gewissen Normalität nach Corona oder ob andere Gründe mit hineinspielten: Das letzte Wochenende der Sommerferien 2022 war lebendig wie vormals der Pandemie. Und so ganz nebenbei setzte es auch neue Akzente. Manchmal schadet es eben nicht, wenn etwas neu gedacht werden muss.

Beispiel Straßenfest:

Premiere im 47. Jahr: Der Fassanstich durch den OB vor dem Rathaus auf dem Kelterplatz (Fotos: Günter Bächle)

Die Festmeile - wenn auch diesmal merkbar kürzer und durch gewerbliche Fahrgeschäfte auf eine Mindestgröße gebracht - quasi im Stadtzentrum zu beginnen, war richtig. Als 1975 das erste Straßenfest in Mühlacker stattfand, fehlte noch die neue Stadtmitte, die junge Große Kreisstadt hatte sich gerade nach der letzten Eingemeindung, der von Lienzingen, neuformiert. Das Straßenfest konzentrierte sich auf Waldenserstraße und angrenzende Straßen und Plätze in Dürrmenz.  So blieb es, so schrumpfte die Zahl der teilnehmenden Vereine. Höchste Zeit, auch Neues zu wagen, wenn auch auf sanften Druck von außen.

Der Fassanstich gehört auf den zentralen Platz der Stadt wie sich am Samstag zeigte, den Konrad-Adenauer-Platz zum Festquartier mit eigener Note und dem Flügelschlag zu machen, nicht zuletzt das vergessene Plätzchen hinter der historischen Kelter erstmals zu nutzen, das alles waren für mich Pluspunkte dieses 2022-er Konzepts. Auf das 2023-er dürfen wir gespannt sein. Dahinter zurück darf es nicht. Wer Tradition bewahren will, muss zu Veränderungen bereit sein.

Wir treffen uns am Hurgler hinter der Kelter. So hatte Sender-City geworben. Dieser kleine Park ist etwas ganz besonderes und in einer Woche werden wir seiner Geschichte endlich mal wieder gerecht. ????????Hurgelt euch schon mal ran . . . Leider nur am ersten Tag, doch immerhin.

Der Weinhurgler geht auf eine Spendenaktion des verstorbenen Stadtrates, meines liebeswürdigen Fraktionskollegen  Dr. Detlef Gebauer zurück, die Stadt hatte auch einen Teil der Kosten übernommen, nachdem der Spendenstrom etwas gestockt hatte. 

 

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Bretonische Notizen: Granit, Schiefer und zwei Kamine als First-Endpunkte

Die Bretonen stellen mit ungefähr 3,27 Millionen etwa fünf  Prozent der Einwohner Frankreichs und als sollte es genau so sein, stehen ihnen mit der Fläche der Bretagne von etwa 34.000 km²  auch etwa fünf Prozent der Gesamtfläche Frankreichs als Lebensraum zur Verfügung. Den gestalteten sie nach ihrer kulturellen Identität – deutlich zu sehen auch an ihren Häusern.

Häuser wie aufgeschnitten, aber mit dem obligatorischen Kamin-Abschluss (Foto: Günter Bächle, 2022, Plomodiern)

Die Wohnhäuser, architektonisch vielfältig,  aber sich doch stark ähnelnd. Das steht nicht im Widerspruch zueinander. Für den Ähnlichkeitsfaktor sorgt ein typisch bretonisches Planungselement, die beidseits den First begrenzenden Kamine.

Typisch bretonisch.

Selbst erst jüngst entstandene Gebäude schließen mit den, den First leicht überragenden  Quadraten ab, die zumindest aussehen wie Schornsteine.  Das Bretonen-Haus-Konzept beinhaltet jedoch mehr gemeinsame Elemente: Granitwände, Schieferdächer, eine südliche Ausrichtung, um die Sonne zu genießen. 

Typische Merkmale bretonischer Architektur sind also die Verwendung von Granit, Rundbögen über der Tür, Kamine an den Seiten sowie weiße Sprossenfenster.

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