Unechte Teilortswahl mit klarer Mehrheit abgeschafft




Der Ratssaal im Mühlacker Rathaus: Von 2014 an reichen weniger Stühle.

Die unechte Teilortswahl wird in Mühlacker zur nächsten Gemeinderatswahl - im Jahr 2014 - abgeschafft. Dann wird es 32 Stadträte geben, vier weniger als jetzt. Bei den Kommunalwahlen 2019 reduziert sich die Zahl auf 26. Die Entscheidung darüber fiel heute Abend deutlich aus: 25 Ratsmitglieder stimmten dafür, acht dagegen. Die Meinungen gingen quer durch die Fraktionen. Damit endete ein monatelanger Diskussionsprozess, in die auch die Bevölkerung einbezogen wurde, die aber leider kaum Gebrauch davon machte.
Seit 1972 gibt es die unechte Teilortswahl in Mühlacker, damals eingeführt nach der ersten Eingemeindung (Lomersheim). Seitdem bestand diese Sitzgarantie für die Stadtteile, schon gar, als 1975 die letzte Phase der Gemeindereform abgeschlossen war. Doch in den vergangenen Jahren begannen zahlreiche Kommunen im Land, die unechte Teilortswahl abzuschaffen, weil sie die Integration der Ortsteile für abgeschlossen hielten. Zuletzt strich der Vaihinger Gemeinderat vor wenigen Wochen dieses komplizierte Wahlverfahren, allerdings hat diese Stadt - im Gegensatz zu Mühlacker - Ortschaftsräte.

Zum Diskussionsprozess legte die Stadtverwaltung Mühlacker im Frühjahr einen Erfahrungsbericht mit der unechten Teilortswahl sowie eine Auflistung von Pro und Contra auf.


Ich räume offen ein, dass mir die Entscheidung heute Abend nicht leicht fiel. Das Herz war für die unechte Teilortswahl, der Verstand dagegen. Letztlich mussten die Plus- und Minus-Punkte gegeneinander abgewogen werden. Die größte Sorge, dass bei der nächsten oder einer folgenden Wahl einer oder mehrere Stadtteile nicht mehr im Gemeinderat vertreten sind, trieb mich um. Denn diese Gefahr ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch letztlich haben mich die Erfahrungen in anderen Kommunen überzeugt. Die Stadtverwaltung legte Beispiele vor: In Maulbronn und Ditzingen ging kein einziger Stadtteil nach der Abschaffung der unechten Teilortswahl leer aus, teilweise stellten einzelne Ortsteile mehr Ratsmitglieder als zuvor. Denn bei der unechten Teilortswahl dürfen nur so vielen Kandidaten bis zu drei Stimmen gegeben werden, wie Ratsvertreter für den Ortsteil zu wählen waren - wurden mehr Bewerber aus dem Ortsteil angekreuzt, waren die Stimmen ungültig. Ohne unechte Teilortswahl dürfen die Lienzinger zum Beispiel alle Lienzinger Kandidaten ankreuzen, weil es da kein Limit gibt. Das Geheimnis: Die Chancen der Bewerber aus dem "eigenen" Ortsteil wachsen, wenn die Wähler Stimmen auf diese konzentrieren - dies muss einhergehen mit einer guten Wahlbeteiligung. Das ist der neue Garant für die Vertretung der Stadtteile. Wenn es gute Kandidaten sind, die auch in anderen Teilen Mühlackers bekannt sind, muss man sich eh keine Sorgen machen.


Ein weiterer entscheidender Punkt  ist, dass das Wahlverfahren einfacher wird: Der Wähler muss nur darauf achten, dass er einem Bewerber/einer Bewerberin nicht mehr als drei Stimmen gibt und insgesamt nicht mehr als 32 Stimmen verteilt. Hier noch extra pro Stadtteil rechnen zu müssen, fällt weg. Das kompliziertere bisherige Wahlverfahren durch die unechte Teilortswahl sorgte für 25 Prozent ungültiger und Fehlstimmen in den Stadtteilen Mühlackers. Jede vierte Stimme war also für die Katz. Dadurch wird das Ergebnis verfälscht. Und das kann nicht im Sinne der Bürger sein. Die Erfahrung in Kommunen, die dieses schwierige Wahlverfahren abgeschafft haben, zeigt, dass dann der Anteil ungültiger und Fehlstimmen deutlich abnimmt.


Noch ein weiterer Punkt zählt: Wir sind für die gesamte Stadt da. Natürlich sind wir die ersten Adressen vor Ort im eigenen Ortsteil oder Wohngebiet in der Kernstadt, doch häufig melden sich auch Bürger aus anderen Stadtteilen, die ein Anliegen haben. Und für die setzen wir uns auch ein. Meine Erfahrung ist: Die Bürger wenden sich an jene Stadträte, die ihnen vertraut sind, denen sie vertrauen und denen sie zutrauen, dass sie sich einsetzen. Egal, wo sie wohnen.


Was auch eine Überlegung war: Die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten wird immer schwieriger. In Mühlacker konnte eine Liste bis zu 35 Namen zählen, im viermal so großen Pforzheim sind es bis zu 40 pro Liste. Wir brauchten also prozentual mehr Bewerber, was die Suche erschwerte. Sie kann nun leichter werden.


Übrigens: Ein kleinerer Gemeinderat kann effektiver arbeiten, ist preisgünstiger für den Steuerzahler.


Auf meinen Antrag hin hat der Gemeinderat heute Abend beschlossen, mindestens einmal im Jahr in der Kernstadt und in allen Stadtteilen jeweils einen Ausspracheabend für die Bürgerschaft anzubieten. Dadurch soll ein zusätzliches Forum für die Bürger entstehen.  Das war eine Anregung unseres früheren Stadtratskollegen Rolf Schäfer bei der Infoveranstaltung der Stadt zum Wahlverfahren in Lienzingen. Eine Idee im Interesse der Bürgernähe unserer Kommunalpolitik.


Hier die Sitzungsvorlagen zu den heutigen Beratungen:


213_2010Kopie.pdf


213_2010Anlage1.pdf


213_2010Anlage2.pdf


Anlage3zurSivo213-2010.pdf



Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.