Was ist mutig? Oder Mühlacker und das Gewerbegebiet

Die Kommunalpolitik macht Ferien. Doch vorher gab es noch eine lebhafte Debatte im Gemeinderat um die künftige gewerbliche Entwicklung.

Erinnern wir uns an die Diskussion in den Jahren 1990/1992 um die seinerzeit umstrittene Ausweisung der "Waldäcker" als Gewerbe- und Industriegebiet. Auch damals stellten die Gegner dieser Planung den Bedarf in Frage. Ein Kritiker sagte gar, in den neuen Bundesländern gebe es genügend leere Gewerbeflächen, da bräuchten wir keine mehr. Natürlich kam der Hinweis auf die Belange der Landwirtschaft, die Schönheit der Landschaft, die angeblich nicht vorhandene Nachfrage nach Gewerbebauplätzen und die angeblichen Gewerbebrachen. Noch bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan, die am 22. Februar 1995 in der Turn- und Festhalle Mühlhausen stattfand, sagten einige Bürger laut Protokoll, der Bedarf nach so viel Gewerbefläche werde in Frage gestellt.

Was wäre eigentlich aus Firmen wie Etzel, Gommel, Sihn, Münch, Bertet, Marquardt, Bernecker geworden, wenn es das angeblich nicht notwendige Gewerbegebiet "Waldäcker" nicht gegeben hätte und wir den Kritikern gefolgt wären? Sie hätten sich in anderen Gemeinden niedergelassen, die die Kraft haben, Gewerbeflächen auszuweisen. Jene etwa 450 Arbeitsplätze, die es heute in den "Waldäckern" gibt, wären wohl kaum in Mühlacker, von der Gewerbesteuer für die Stadt zur Erledigung ihrer Aufgaben etwa im schulischen und sozialen Bereich ganz zu schweigen. Inzwischen sind die "Waldäcker" zu etwa 85 Prozent belegt. Ein angeblich verzichtbares Gewerbegebiet . . .

Und jetzt? Wir erleben eine Neuauflage der Diskussion in den neunziger Jahren. Wieder wird der Bedarf in Frage gestellt oder auf eine Minimal-Fläche reduziert. Im Regionalplan sind aufgrund der Entscheidung des Gemeinderats der Stadt vom November 2001 (bei drei Gegenstimmen und einer Enthaltung) 29 ha (nicht 70 ha!) südlich der B 10 freigehalten - etwas weniger als die "Waldäcker" ausmachen.

Wenn wir auf ein langfristig tragfähiges Entwicklungskonzept für Gewerbeflächen verzichten würden und sagen, jetzt ist Schluss, so wäre dies mutig, meint der Kommentator des Mühlacker Tagblatt heute. Und wenn in fünf Jahren der erste Betrieb abwandert? Dann werden dies alle lautstark beklagen und der Kommunalpolitik Vorwürfe machen, nicht rechtzeitig Flächen für Arbeitsplätze bereitgestellt zu haben. Dann wird man diese Verzichtspolitik nicht mehr als mutig bezeichnen, sondern als dumm. Sicherlich auch vom MT. Deshalb: Was ist mutig?

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