Auf den Einzelfall kommt es an
Das Land Baden-Württemberg legte schon 2023 einen 36-seitigen „Wegweiser für (Groß-)Veranstaltungen“ vor - auch als Ergänzung der zwei Jahre zuvor veröffentlichten Handreichung Schutz vor Überfahrtaten. Beide inzwischen grundlegend überarbeiteten Leitfäden richten sich an Kommunen und Veranstalter, schreibt Innenminister Thomas Strobl. Als Stadt- und Kreisrat hatte ich mich wegen den für Veranstaltungen in den Kommunen notwendigen Sicherheitskonzepten an den Minister gewandt.
Auch Baden-Württemberg geht - wie Rheinland-Pfalz und Hessen - von Prüfungen des Einzelfalles aus, lässt sich dem Antwortbrief von Strobl entnehmen. Stadtfeste, Weihnachtsmärkte und eine Vielzahl weiterer Veranstaltungen würden das kulturelle Leben in Baden-Württemberg prägten und seien Ausdruck einer gelebten Tradition. Dem Schutz dieser (Groß-)Veranstaltungen sowie der Gewährleistung von Sicherheit für die Besucherinnen und Besucher komme eine herausragende Bedeutung zu. Die Planung und Durchführung von Veranstaltungen stellten - insbesondere auch für ehrenamtliche Vereine und die Kommunen - häufig eine besondere Herausforderung in vielerlei Hinsicht dar.
Der Minister ordnete in seinem Antwortbrief zunächst die Sicherheitslage ein. Nach Bewertung des Bundeskriminalamts stünden die Bundesrepublik Deutschland - und damit auch Baden-Württemberg - sowie ihre Interessen und Einrichtungen weltweit unverändert im Zielspektrum unterschiedlicher terroristischer Organisationen, allen voran des sogenannten Islamischen Staats. Eine hohe abstrakte Gefahr jihadistisch motivierter Gewalttaten bestehe damit weiter fort.
Den Sicherheitsbehörden lägen derzeit jedoch keine Erkenntnisse auf eine konkrete Gefährdung von Veranstaltungen in Baden-Württemberg vor. Es besteht daher kein Anlass, auf die Durchführung oder den Besuch von Veranstaltungen zu verzichten. Gerade In Zeiten wie diesen ist es freilich wichtig, das gesellschaftliche Leben nicht einzuschränken, sondern es mit Augenmaß und Verantwortung abzusichern.
Keine pauschale Genehmigungspflicht
In Baden-Württemberg existiere keine Regelung, die eine pauschale Genehmigungspflicht für (Groß-)Veranstaltungen vorsieht. Vielmehr richte sich deren Durchführbarkeit danach, ob die Veranstaltung mit den für sie im Einzelfall geltenden Regelungen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten vereinbar sei, in welchen auch fachrechtliche Genehmigungspflichten enthalten sein könnten. Gerade bei größeren Veranstaltungen stelle die Umsetzung gefahrenabwehrrechtlicher Auflagen oftmals die Voraussetzung für die Genehmigung der Veranstaltung durch die jeweilige Genehmigungsbehörde dar. Resultierend aus dem Rechtsstaatsprinzip müssen etwaige Auflagen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, also geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Hierbei sei, so der CDU-Landespolitiker weiter, grundsätzlich auch der gegebenenfalls mit der jeweiligen Auflage verbundene finanzielle Aufwand im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu würdigen. Dies gelte im Zusammenhang mit kleineren traditionellen Veranstaltungen freilich in besonderem Maße.
Für Veranstalter und Kommunen hat der Minister eine gute Adresse: Die Polizei vor Ort steht als kompetenter Ansprechpartner in Sicherheitsfragen gerne zur Verfügung und nimmt beispielsweise im Rahmen der Erstellung eines Sicherheitskonzepts eine beratende Funktion ein. Hierbei bringe sie unter anderem die polizeilichen (Gefährdungs-)Erkenntnisse und Erfahrungswerte ein. Dies sei häufig ein nicht zu unterschätzender Mehrwert für alle Beteiligten.
Pauschale Vorgaben nicht zielführend
Die konkreten Maßnahmen, die jeweils erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen und die jeweilige Beratung der Polizei erfolgen grundsätzlich einzelfallbezogen, so der Ressortchef für Inneres, unter Berücksichtigung der individuellen örtlichen Gegebenheiten (beispielsweise Größe, Lage, erwartetes Besucheraufkommen etc.) sowie regionaler Erkenntnisse. Pauschale Vorgaben beziehungsweise allgemein gültige Sicherheitsvorkehrungen hält Minister Strobl daher grundsätzlich für nicht zielführend und würden den jeweils vorliegenden Rahmenbedingungen häufig nicht gerecht.
Gleichwohl sei es ihm als Innen- und Kommunalminister des Landes ein wichtiges Anliegen, Hilfestellung zu geben. Vor diesem Hintergrund habe das Innenministerium Im Jahr 2023 eine Handreichung für (Groß-)Veranstaltungen in Baden-Württemberg herausgegeben. Sie solle als Orientierungshilfe zu einer effizienten, zielgerichteten und abgestimmten Zusammenarbeit der beteiligten Akteure beitragen sowie ein landesweit einheitliches Vorgehen fördern.
Handreichungen des Landes überarbeitet
Darüber hinaus sei im September 2021 die Handreichung ,Schutz vor Überfahrtaten" von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes veröffentlicht worden. Diese Broschüre, welche unter der Mitarbeit des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg entstanden sei, richte sich vornehmlich an Verantwortliche der Kommunen und solle als Leitfaden für die eigenverantwortliche Entwicklung von Strategien gegen sogenannte Überfahrtaten mittels mehrspuriger Fahrzeuge dienen. Die Polizei unterstützt diesen Planungs- und Umsetzungsprozess, indem sie ihre Expertise im Risikomanagementprozess hinsichtlich der Gefährdungslage und der allgemeinen Kriminalitätslage an den entsprechenden Örtlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Handreichung sei im Jahr 2025 grundlegend überarbeitet worden.
Seien Sie versichert, dass ich mich auch weiterhin dafür einsetzen werde, dass Veranstaltungen in Baden-Württemberg als ein zentrales Element gesellschaftlichen Lebens und kultureller Vielfalt stattfinden können. Zum Gelingen von Veranstaltungen sei ein enges und vertrauensvolles Zusammenwirken der zuständigen Behörden, der Polizei und der Veranstalter im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten von entscheidender Bedeutung. Nur so schaffen wir es, gemeinsam Traditionen zu wahren und gleichzeitig erforderliche Sicherheitsaspekte nicht zu vernachlässigen - ein Anspruch, dem sich die Landesregierung mit Nachdruck verpflichtet fühlt.
Mein Schreiben IM_Strobl__Gefahrenvorsorge.pdf
Die Minister-Antwort Antwort_Innenminister_Strobl_Gefahrenkonzepte.pdf
Der Leitfaden 306-HR-Ueberfahrtaten-barrierefrei.pdf
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