Musterfall gebrochener Versprechen der Kommunalpolitik
Meine Stellungnahme in der Sitzung des Gemeinderates von Mühlacker am 28. April 2025 zur Neuen (Stadt-)Mitte:
Abgebrochen und dann Versprechen gebrochen: der Mühlehof.
Stadtrat Matthias Trück und ich sind die beiden einzigen Mitglieder der heutigen CDU-Fraktion, die noch am Beschluss mitwirkten, nach dem Abbruch des Mühlehofs mit dem Bau der Stadthalle zu beginnen. Beide stimmten wir für eine Stadthalle im Stadtzentrum. Wir halten das immer noch für den richtigen Standort. Den aufzugeben, ohne sich auf einen Neuen zu verständigen, ist falsch. Oder will jemand eine Kultur- oder Multifunktionshalle am Stadtrand?
In meiner persönlichen Stellungnahme zu diesem Tagesordnungspunkt heute spanne ich den Bogen zurück bis ins Jahr 2016.
Der Gemeinderat beschloss 2017 den Bau einer Stadthalle, 2024 unterstützte er den OB-Antrag unter anderem zur neuen Mitte mit einer Stadthalle als einer der beiden entscheidenden Bausteine. Beide Male fielen die Beschlüsse einstimmig aus, doch beide Male tordierten schon nach wenigen Wochen leider Teile des Gemeinderates diese Entscheidungen.
Der heutige Punkt 2 des Antrags soll nun ein dritter Anlauf sein. Weshalb soll es diesmal anders sein? Auch der dritte Versuch, heute beantragt, dürfte ein Ergebnis zeitigen, das umstritten ist.
Erinnern Sie sich noch an die schönen Pläne vom Erlenbachcentrum anno 2016? SPD und Freie Wähler lehnten damals das Investorenmodell ab. Da sind wir beim heutigen Beschlussantrag. Jetzt also doch? Die Stadt sucht nach langer Pause das Heil in privaten Investoren.
Und so wird es wieder auch beim jetzigen dritten Versuch sein. Wenn die ersten Pläne vorliegen, die Investoren renditebewusst nah der wirtschaftlichsten Lösung suchen und deshalb entsprechend verdichten, wird die kontroverse öffentliche Debatte darüber wieder aufbrechen nach dem Motto: Weniger Beton, mehr Grün – Und dann … alles wie gehabt. Dreimal dürfen wir raten, wann die Torpedos wieder gezündet werden.
Wenn wir momentan sehen, wie Höhners lokale Genüsse für eine Aufbruchstimmung im Stadtzentrum sorgen, erkennen wir, wie die Menschen darauf warten.
Aufbruchstimmung! Die gab’s schon Mal. Das Mühlacker Tagblatt titelte in der Ausgabe vom 5. Juli 2017: Gemeinderat beschließt einstimmig einen Neuanfang am Kelterplatz – und drückt beim Zeitplan gleich mächtig aufs Tempo...
Tatsächlich beschloss der Gemeinderat am 4. Juli 2017: 1. Die Stadt Mühlacker wird eine neue Stadthalle bauen. 2. Die Stadthalle wird am bisherigen Standort des Mühlehofes errichtet. Dieser wird abgebrochen. 3. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte einzuleiten. 4. a) Der Terminplan wird zur Kenntnis genommen. b) Der Abbruch des Mühlehofs soll bis zum 31.12.2018 abgeschlossen sein. c) Der Baubeginn der neuen Stadthalle soll unmittelbar nach Beendigung der Abbrucharbeiten des Mühlehofs stattfinden.
Der darauf basierende Beschluss vom 19. Februar 2019 zur neuen Stadthalle lautete - Projektsteuerer, Zeitschiene: Die Verwaltung wird ermächtigt 1. eine geeignete Anwaltskanzlei zu suchen, die bei der Ausschreibung eines Projektentwicklers/Projektplaners unterstützend tätig wird; 2. einen Projektentwickler/Projektsteuerer auszuschreiben, der die Stadt stufenweise bei vorbereitenden und baubegleitenden Maßnahmen bei der Realisierung der neuen Stadthalle unterstützt; 3. eine zusätzliche Vollzeitstelle, befristet auf fünf Jahre mit Verlängerungsoption, im Hochbau auszuschreiben.
Nach der am 19. Februar 2019 vorgestellten Zeitschiene sollte im Oktober 2019 der Projektentwickler/Projektsteuerer die Arbeit aufnehmen und mit allen Beteiligten (GR, VHS, Vereine, Bürger etc.) einen Grobentwurf für die neue Stadthalle als Grundlage des Architektenwettbewerbs erarbeiten. Fertigstellung und Bezug: im Jahr 2025. So preisgünstig hätten wir die Halle nicht mehr bekommen. Und ein Mühlehof-Loch hätte es nie gegeben.
Daraus ergibt sich ein Sachzusammenhang zwischen Mühlehof-Abbruch und Stadthallen-Neubau, der jetzt nicht mehr aufgelöst werden kann, weil ein Teil der Festlegung des Gemeinderats schon vollzogen ist, also der Abbruch des Mühlhofs. Damit besteht ein Anspruch, dass auch der zweite Teil des zusammenhängenden Entscheids umgesetzt wird. Hätte es diese Kombination nicht gegeben, hätte ich – wie andere auch – dem Abbruch des Mühlehofs nicht zugestimmt. Ich habe erhebliche rechtliche Bedenken, den Beschluss vom 4. Juli 2017 aufzuheben.
Und dann: Angeblich können wir eine neue Stadthalle nicht finanzieren. Aber gleichzeitig spielen manche mit dem Gedanken einer Zwischenlösung. Wie, bittschön? Für eine Stadt- oder Versammlungshalle haben wir angeblich kein Geld, aber für eine millionenschwere Zwischenlösung mit späterer endgültiger Lösung ist Geld da? Das zu glauben, bedeutet, sowohl an den Osterhasen als auch an den Weihnachtsmann zu glauben, vielleicht auch noch ans Christkind.
Bleiben wir bei der Beschwerung oder Bescherung. Zur Bürgerbeteiligung a la Mühlacker. Man kann eine solche für überflüssig halten und dagegen stimmen wie es die Freien Wähler taten. Ich dagegen halte Bürgerbeteiligungen für notwendig, zweckdienlich und hilfreich in einem Entscheidungsprozess. Auch wenn klar ist: Das letzte Wort spricht der Gemeinderat. Sofern er das letzte Wort überhaupt spricht, sprechen will oder es nur vor sich herschiebt.
Was wollen eigentlich die Bürger? Sagen diese auch mit Karl Valentin im Rückblick:
Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut
Aufgrund eines SPD-Antrag gab es anno 2016 eine repräsentative Bürgerumfrage, umgesetzt von der Imakomm-Akademie, die 16.624,32 Euro erhielt für die repräsentative Bürgerbefragung plus fakultativer Kosten wie Präsentation in einer Einwohnerversammlung. Ich zitiere aus dem SPD-Antrag in der Vorlage A-15-19 aus 2015: Befragungen können Bürgern die Chance bieten, sich aktiv für die Zukunftsplanung der Stadt einzubringen. Dadurch kann das Bürgerschaftliche Engagement langfristig belebt und gestärkt werden.
Doch irgendwie interessierte das Ergebnis selbst die Antragsteller nicht. Denn eines der Ergebnisse der Umfrage: Eine Kultur-/Stadthalle erreichte auf einer Skala von 1 bis 5 von der Wichtigkeit her den Wert 1,82: 48,2 Prozent hielten sie für sehr wichtig, 30,4 Prozent für eher wichtig und immerhin noch 15,2 Prozent teils/teils. Endstation der Resultate-Sammlung: Schublade oder gar Papierkorb? Wenn wir gnädig sind, war es „nur“ die Schublade. Irgendwo liegt das Ding noch herum.
Immerhin die Stadt kein Geld kostete eine Leserbefragung des Mühlacker Tagblatt 2023 zu den Zukunftsaussichten in der Stadtmitte, an der über 800 Leserinnen und Leser teilgenommen haben. Braucht Mühlacker eine neue Stadthalle mit großem Saal? lautete 2023 die Fragestellung, die 541 von 818 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bejaht haben. Ähnlich wie bei der repräsentativen Umfrage sechs Jahre zuvor. Das bedeutet eine stabile Mehrheit für einen baldigen Bau der Stadthalle dort, wo einst der Mühlehof stand. Was folgert ein Teil des Gemeinderats daraus? Er missachtet den offenkundigen Bürgerwillen, lässt auch Oberbürgermeister Schneider im Regen stehen, der als ehrlicher Makler versucht, doch noch den alten Ratsbeschluss zur Stadthalle im Rahmen einer neuen Neue Mitte zu realisieren. Man gab der Planung nicht einmal eine Chance.
Obwohl aus der Bürgerschaft andere Signale kamen.
Im dritten Projekt – dem Bürgergutachten, Ende September 2024 dem Gemeinderat vorgelegt, sprechen sich 23 von 28 der nach dem Zufallsprinzip ausgewählten repräsentativen Bürger für einen multifunktionalen Bau in nachhaltiger Bauweise auf dem früheren Mühlehofareal aus. Der Gemeinderat sollte sich wenigstens die Zeit nehmen, dieses Gutachten sich nicht nur vorstellen zu lassen wie Ende September 2025, sondern mit diesen engagierten Bürgern darüber zu diskutieren, Dinge zu hinterfragen … Übrigens: Das Gesamtbürgerforum kostete 53.000 Euro. Dann Klausur des Gemeinderats, leider ohne Bürgergutachter, und ein Ergebnis, das in einem Leserbrief so kommentiert wurde:
Ist das der große Wurf? Da werden Bürgerbefragung, Klausur, teure Gutachten in Anspruch genommen. Heraus kommt was ganz anderes – nur, damit das Loch zu ist. Keine gute Entscheidung! Wohnbebauung und Geschäfte zwischen Bundesstraße und lahmer Fußgängerzone? Uhlandbau ersetzt keine Stadthalle.
Das Totschlagsargument, um etwas zu verhindern: Wir haben kein Geld. Das setzte den Debatten ein jähes Ende – Das alles hat Methode. Es wird so getan, als müssten Millionen in einem oder zwei Haushaltsjahren finanziert werden, obwohl alle wissen: Vorlauf, Planung, Wettbewerb – da gehen kurz mal fünf Jahre drauf, die Ausgaben strecken sich. Möglicherweise fließen auch Sanierungsmittel aus Berlin oder Stuttgart. Aber wenn es nicht gewollt ist, prüft das keine Verwaltung.
Nun, um mit Konrad Adenauer zu sprechen: Die Lage ist da.
Ein Bürgergutachten: missachtet, nicht ernst genommen. Das wird sich rächen. Ich habe volles Verständnis, wenn sich jene Bürger, die ihre Freizeit für die Arbeit an diesem Gutachten opferten, sich nicht ernst genommen fühlen. Nie wieder höre ich immer wieder! Da wünsche ich viel Vergnügen bei der Bürgerbeteiligung zum geplanten Integrierten Stadtentwicklungskonzept. Die Bereitschaft zum Bürgerschaftlichen Engagement leidet unter einer solchen Zurücksetzung. Eigentlich müssten alle Antragsteller, die dieses Verfahren zur Bürgerbeteiligung „neue Mitte“ wollten, also CDU, SPD und LMU dafür sein, zumindest sich mit den Bürgergutachtern zusammenzusetzen. Eigentlich haben die Fraktionen dies auch bei der Vorstellung des Gutachtens im Gemeinderat am 24. September 2024 zugesagt. Ich will dies hiermit beantragen
Nochmals Karl Valentin:
Ein Optimist ist ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind.
und
Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative und eine komische.
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