Wären blank wie N.
Die Chance wollte ich dann doch nutzen, wenn die Junge Union Enzkreis/Pforzheim schon einen älteren Unionisten wie mich zum Besuch beim Spezialisten für die Entwicklung und Fertigung von Anlagen für Papier- und Kartonmaschinen einlädt: der Bellmer GmbH mit Sitz in Niefern-Öschelbronn. Aber nicht ins Stamm-, sondern ins Zweigwerk Enzberg. Das lässt Erinnerungen wach werden, wie 2011 Mühlackers Gemeinderat und Stadtverwaltung just bei Bellmer zeigten, dass sie zum schnellen Handeln und Entscheiden durchaus in der Lage sind.
Die drei Brüder Erich, Martin und Philipp Kolmar - und somit die sechste Generation - leiten das weltweit rund 900 Beschäftigte zählende Unternehmen. Das 1842 und damit sechs Jahre vor der ersten deutschen Revolution somit der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 gegründete Familienunternehmen ist breit aufgestellt. Wie genau, berichtete Donata Kolmar, mit der schon die siebte Generation mit Verantwortung in der Bellmer-Gruppe trägt.
Dies war für die Jungen der Union einen eigenen Termin Wert. In der Einladung wurden erste Fragen formuliert. Wie fühlt es sich an, als junge Frau Führungsverantwortung in einem global agierenden Unternehmen zu übernehmen? Welche Herausforderungen bringt das mit sich – insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten? Ein lockeres Gespräch mit anschließender Betriebsführung durch das Hightech-Maschinenbauunternehmen.
Wo das Werk Enzberg steht, waren vormals der Victoria-Fußballplatz, ein aufgelassenes Möbelhaus und das Firmengebäude von Automobilzulieferer Horst Bernecker, der inzwischen die Produktion in einen Neubau im Mühlacker Gewerbegebiet Waldäcker verlagert hatte. Und nun lohnt sich der kleine Gedankensprung: Hätte es die Waldäcker nicht gegeben, wäre Bernecker heute nicht mehr in Mühlacker (Pforzheims Bürgermeister klopfte schon an die Tür).
Bernecker wollte in Mühlacker bleiben, die Stadt konnte eine Fläche in dem durch eine Änderung des Regionalplanes möglich gewordenen Industriegebiet an der B 10 nahe der Osttangente anbieten. Wäre nicht gelungen, nach dem Bau der neuen Enzberger B10-Umgehung den Sportplatz zu verlagern, dann wäre auch keine freie Fläche für eine Betriebsansiedlung vorhanden gewesen, just dort wo inzwischen das Enzberger Werk von Bellmer steht. Weshalb nicht in Niefern-Öschelbronn? Weil dort Gewerbegebietspläne der Kommune scheiterte.
2008 bot Niefern-Öschelbronns Bürgermeister Jürgen Kurz der Maschinenbaufarbrik an, vom angestammten Firmensitz in der Nieferner Ortsmitte auf die grüne Wiese ins geplante große Gewerbegebiet direkt an der A8 in Niefern zu verlagern. Das Gebiet ist bis heute noch nicht realisiert. Bellmer konnte notwendige Erweiterungspläne nicht mehr aufschieben, handelte dann schnell - und kaufte 2011 das Grundstück in Mühlackers Stadtteil Enzberg.
Mühlacker bot Fläche, schnelle Entscheidungen, superschnelle Baugenehmigungen. Weil wir Fläche hatten. Wir Stadträte zogen mit der Verwaltung an einem Strang.
Das fiel mir bei dem Besuch und dem Gespräch im ersten Stock des Bürotraktes mit dem Blick auf die große, vor wenigen Jahren erweiterte Produktionshalle wieder ein. Man braucht eben Flächenreserven, um rasch Bauland anbieten zu können, sagte ich in der Gesprächsrunde. Doch die Zeiten sind jetzt auch in Mühlacker vorbei, weil der ursprünglich vorgesehene Sprung des Waldäcker-Quartiers über die B10 politisch keine Mehrheit findet.
Nico Gunzelmann (22), Kreisvorsitzender der Jungen Union und seit Samstag Landtagskandidat im Enzkreis, erinnert derweilen in dem Gespräch daran, dass Baden-Württemberg wirtschaftlich an Boden verloren habe, was geändert werden müsse.
Wie der Zufall es will – am selben Tag lief die Antwort der Stadtverwaltung Mühlacker auf die Gemeinderatsanfrage mit der Nummer S25-019-23 (StR Aßmus) ein. Thema: Wirtschaftsstandort Mühlacker. Exakte Zahl über die Nachfrage in den vergangenen drei Jahre könne nicht benannt werden. Für das Jahr 2024 jedoch lägen konkrete Zahlen vor. Dabei werde unterschieden zwischen Anfragen für Greenfield-Flächen (freie und unbebaute Gewerbeflächen) und Brownfield-Flächen (bestehende, leerstehende Gebäude).
Zu Greenfield-Flächen: Es gab rund 20.000 m² an angefragten Gewerbeflächen im lokalen und regionalen Umkreis (ca. 50-60 km). Zu Brownfield-Flächen: Für bestehende Gebäude gibt es ebenfalls Anfragen, die jedoch schwieriger zu erfassen sind, da viele Unternehmen eigene Wege zur Standortsuche gehen oder direkt mit Eigentümern verhandeln. Zu Internationale Anfragen: Mühlacker erhält zunehmend auch überregionale und internationale Anfragen – insbesondere von Unternehmen aus der Batterieentwicklung und Zuliefererindustrie. Allerdings handelt es sich hierbei meist um Flächengrößen, die in der Region nicht zur Verfügung stehen. Soweit ein Auszug aus der Antwort der Stadt.
Und wenn Bellmer heute käme? Dann wäre Mühlacker tatsächlich blank wie Niefern.
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