Projekt Stromer: Fahre Gutes und rede darüber - Laden wie Tanken und das Battery Electric Vehicl
Das Label Stromauto-Pionier will ich mir wahrlich nicht auf die Stirn bäbben. Doch seit 2016 fahre ich ausschließlich mit Elektrizität angetriebene Wagen: nacheinander zwei Nissan Leaf, jetzt einen Honda E. Mein Abschied vom Verbrennungsmotor geschah eher abrupt, erleichtert durch super-günstige Leasing-Bedingungen im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundes, den Hinweis eines Gemeinderatskollegen – Thomas Knapp: Des wär doch etwas für Dich! – und ungebrochener Neugier trotz 64. Das erste E-Auto in Lienzingen.

Gerade mal um die 170 waren seinerzeit im ganzen Enzkreis amtlich registriert. Es war jene Zeit, in der ich beim Einstöpseln des Ladekabels in eine der seltenen E-Tankstellen noch Zuschauer hatte als sei ich ein Mann vom Mond. Wie zum Beispiel an der von den örtichen Stadtwerken betriebenen Zapfsäule an der Schillerstraße in Ludwigsburg, gleich neben der Kreissparkasse-Zentrale Immerhin pendelte ich noch täglich zwischen dem Wohnort Lienzingen und dem Büro in Ludwigsburg. 34 Kilometer einfach.
Ja, es war auch die Zeit des Spottes, wenn ich mich zum Termin verspätete: Isch ena d’Strom ausganga?
Nein! Im Gegenteil.

Jedenfalls weckte ich das Interesse anderer, zumal ich damals noch hauptberuflich journalistisch arbeitete und für meine Ludwigsburger Kreiszeitung das Tagebuch eines E-Mobilisten schrieb - mit durchaus beachtlichem Interesse in der Leserschaft. Es waren keine Hipp-Hurra-Beiträge, sondern ehrliche Schilderungen aus dem Alltag der Stromer, über geringe Reichweiten, den Kabel- und Ladekartensalat – allesamt nicht gerade eine Werbenummer für E-Autos. Dass anfangs alles rund lief lässt sich wirklich nicht behaupten. Glauben und Hoffen auf eine neue Entwicklung lagen eng beieinander. Zweifel kamen aber selten auf.
Alle reden vom Elektroauto. In der 130-jährigen Autogeschichte schreite erst seit 20 Jahren speziell die Spezies der reinen Stromer nachhaltig voran, schreibt Hebie Schmid in einem höchst informativen zweiseitigen Beitrag der Neuen Zürcher Zeitung (Internationale Ausgabe vom 6. Februar 2025, Seiten 20 und? 21). Das Elektroauto unter der Lupe. Im Zentrum der Doppelseite eine Infografik von Jasmin Ruegg – Technik und Funktionen im Detail visualisiert, das E-Auto, sein Aufbau und die Funktionen portionsgerecht und verständlich selbst dem Laien nahegebracht.

Deutlich wird der rasante Fortschritt der elektrischen Mobilität gerade in jüngster Zeit. Dabei stützt sich der Autor unter anderem auch auf Testergebnisse und Vergleiche der auf solche Innovationen spezialisierten Unternehmensberatung P3 (Sitz Stuttgart, 29 Standorte, 1800 Mitarbeiter). Elektroautos verfügen über geringere laufende Kosten als Verbrenner, so ein Fazit des Autors. Ich kann das nur bestätigen, wenn ich die Abrechnung meiner Stadtwerke für die 2024 in der eigenen Garage via Wallbox eingespeisten Kilowattstunden nehme. Ein Teil der Energie liefert kostenlos die PV-Ablage vom Garagendach. Die Akkus, in den Anfangsjahren – also noch in der Zeit, in der ich das Projekt Stromauto wagte - als Schwachpunkt des Ganzen beargwöhnt wurde, erwiesen sich als weitaus stabiler: Von einer Austauschnotwendigkeit wegen Anfälligkeit nach wenigen Jahren ist inzwischen genauso wenig die Rede wie von den Batterien als größtem Kosten- und gleichzeitig Unsicherheitsfaktor. Nichts von all dem traf ein. Keine geringere Stromausnutzung beim Akku.
Kurzum: Die Batterien, die in der ersten Zeit noch dazu gemietet werden mussten, sind stabiler, effektiver als damals vermutet. Diese Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Wissenschafter erforschen neue Stoffe für Batterien als der Kraftmaschine der Stromer.

Geringere Pannenanfälligkeit, niedrigere Elektrokosten und geringerer Unterhaltungsaufwand werden meist in der Preisdebatte übersehen. Einseitig schieben sich die Anschaffungskosten, weil häufig als noch zu hoch empfunden, ins Blickfeld. Doch je mehr Fahrzeuge produziert werden, umso günstiger der Ladenpreis – nach dem marktwirtschaftlichen Muster zumindest. Einsparungen bei Unterhaltung und Betrieb verbessern schon jetzt die Gesamtbilanz. Wenn ich an meine Inspektionsrechnungen für meinen, vor dem Leaf gefahrerenen Volvo V70 denke, so erscheint dies wie der Unterschied zwischen Himmel und Hölle.
Die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs betrachtet, weisen Autos, die mit Strom fahren, eine bessere Ökobilanz als auf als ein Verbrenner. Das bestätigt eine Studie des Paul-Scherrer-Instituts (Villigen, Schweiz), berechnet für die Jahre 2018 und 2040 bei schärferen Umweltnormen. Die Wissenschaftler hätten verschiedene Faktoren verglichen: verschiedenen Antriebsarten, die Herstellung, die Nutzung und das Recycling der Fahrzeuge, so der NZZ-Autor. Prognosen für 2030 gehen davon aus, dass die Kosten für die Akkus deutlich sinken.
E-Autos stehen noch am Beginn ihrer Entwicklung und sind trotzdem schon den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in vielen Bereichen überlegen. Und die Entwicklung geht weiter. Also: Wo steckt das Problem?
In den Vorurteilen als da herumgeistern:
Das Laden eines E-Autos dauert Stunden
oder
Elektromobilität eignet sich nur für die Stadt und kurze Strecken, lange Fahrten sind damit nicht möglich, da ich gerne 800 km durchfahre
oder
Batterien altern schnell, ihre Kapazität verringert sich und damit die Reichweite sowie die Alltagstauglichkeit.

Damit beschäftigt sich die P3 Group. Sie sieht sich als Vorurteilsaufräumer. Denn verunsicherte potenzielle Nutzer und Interessenten schrecken vor einem Kauf zurück, zumal dann, wenn viele Fragen zum Ladeverhalten und zur Langstreckentauglichkeit nicht ausreichend erläutert oder umfassend beantwortet werden können. Eine Schlussfolgerung, die die Realität trifft, was auch die Zulassungszahlen von 2024 belegen. Negativ-Proganda beschränkt sich nicht nur auf Fake-News in Instagram & Co, auch seriöse Medien lassen die Lust an der Verbreitung erkennen.
Zum Beispiel:
Focus-Online: E-Autos mit mega Verlust - diese Stromer sind jetzt Schnäppchen
MSN: Restwert von E-Autos: Die aktuelle E-Auto-Generation folgt der Logik eines wirtschaftlichem Totalschadens
Tagesschau.de: Nachfrage gleich Null: Gebrauchte E-Autos verkaufen sich nicht - Warum der Akkuzustand beim E-Auto oft für Rätsel sorgt.
Elektromobilität spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel, indem sie maßgeblich zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beiträgt. Neue Technik indessen stößt häufig zuerst auf Bedenkenträger. Und auf Missverständnisse, auf Informationsmangel. Ich finde, zur Gegenstrategie gehören authentischen Berichte aus dem Alltag von E-Mobilisten – auch wenn das Zeit kostet. Fahre Gutes und rede und schreibe darüber. Wenn schon manche Politiker vor Wahlen wankelmütig werden.
Charging Index jährlich aus Stuttgart im Netz
Unabhängige Unternehmensberatung für Elektromobilität nennt sich die P3 Group. Sie bietet Fakten aufgrund von Tests. Dazu gehört seit 2019 der jährliche P3 Charging Index, stellt den ins Netz. Sie setzt eigenen Angaben zufolge die Ladeleistung, den Verbrauch und die Zeit in Relation, um die Autos unter Realbedingungen vergleichen zu können: Beim Vergleich der 2024 ermittelten Werte mit dem Gewinnerfahrzeug des ersten P3 Charging Index aus dem Jahr 2019 (Porsche Taycan 1. Generation) wird schnell klar, wie groß der Entwicklungshub in den letzten fünf Jahren war. Bei dem Taycan der ersten Generation lag die Spitzenladeleistung bei 270kW (2024: +55kW) und dieser konnte eine reale Reichweite von 216 km in 20 Minuten nachladen, wo der heutige Wert mit 383 km realer Reichweite nach 20 Minuten laden um rund 77 Prozent erhöht wurde. (…)
Die Elektromobilität wird unaufhaltsam weiterentwickelt und es ist Anreiz, die Fahrzeuge stetig zu verbessern, damit Laden wie Tanken keine Illusion ist. So die Stuttgarter E-Mobil-Experten.

VW und Mercedes konnten im Herbst 2024 im Real-Betrieb auf der Straße neue Best-Werte liefern, ist da zu lesen. Dass bereits heute geringe Verbrauchswerte im Realbetrieb erreicht werden können, das habe Volkswagen im Oktober 2024 mit dem ID.7 Pro S bei einer Fahrt in der Schweiz unter Beweis gestellt. Die Wolfsburger Limousine habe mit einer Batterieladung 794 Kilometer im normalen Verkehrsfluss auf öffentlichen Straßen zurückgelegt. Der angegebene WLTP-Wert von 709 km sei damit nochmals deutlich überboten worden, was durch einen durchschnittlichen Verbrauch auf einem besonders niedrigen Niveau von nur 10,3 kWh/100km erreicht worden sei. Umgerechnet in Diesel bedeute der gefahrene durchschnittliche Verbrauch lediglich rund 1,1 Liter pro 100 km (Quelle: P3).
Der Verbrauch von Elektrofahrzeugen wird in den Fahrzeugen der nächsten Generation nochmals deutlich gesenkt. Die Batterie-Zelle der Generation 6 soll im Vergleich zur aktuell im Markt verfügbaren Vorgeneration bis zu 30 Prozent mehr Reichweite, bis zu 30 Prozent schnelleres Laden und mehr als 20 Prozent höhere Energiedichte bieten. Akku-Preise sinken, so die Prognose der Stuttgarter.
Neben 15 neuen Fahrzeugen (Audi Q4 e-tron 40, BMW i5, BMW i7, BMW iX1, Genesis G80, Genesis GV70, Hyundai IONIQ 6, KIA EV9, Mercedes-Benz EQE SUV, MG 4 Luxury, NIO ET5, Opel Astra, Smart #1, Volkswagen ID.7, Xpeng G9), die erstmals im P3CI gelistet werden, gibt es laut P3-Angaben auch Updates zu Fahrzeugen aus vorherigen Veröffentlichungen, die ein Facelift erhalten haben. Diese wurden daher neu bewertet hinsichtlich ihrer Ladeperformance, Batteriegröße und Verbrauch (Audi Q8 e-tron, Polestar 2, Porsche Taycan, Tesla Model 3). Einfach reinklicken!
E-Mobilität ist langstreckentauglich
Fazit der Tests nach P3-Angaben: Die Elektromobilität ist langstreckentauglich. Die aktuelle Generation von Elektroautos, wie beispielsweise die Gewinnerfahrzeuge von Hyundai und der beinahe doppelt so teure Porsche, stellten das unter Beweis. Aber der aktuelle Erfolg könne auch nur von kurzer Dauer sein. In den vergangenen Jahren habe sich die Elektromobilität rasant entwickelt.
Stichwort Ladepunkte: Tesla galt lange Zeit als uneinholbarer Marktführer, hat aber die Ladeperformance beim Tesla Model 3 von 2019 (1. Generation) bis 2024 (Highland) kaum weiterentwickelt. Die Europäer haben Tesla überholt. Und die Chinesen werden, so die Fachleute, in Zukunft die Messlatte mit schnellen Entwicklungsschritten auch immer höher legen.
Neben der wachsenden Anzahl an Schnellladesäulen in Europa steigt auch die durchschnittlich installierte Ladeleistung kontinuierlich an. Während die erste Generation von DC-Ladesäulen überwiegend eine maximale Leistung von 50 kW bereitstellen konnte (zum Beispiel die der Stadtwerke Mühlacker bei den Enzgärten, in der Oberen Bahnhofstraße und der Sankt-Andreas-Straße), werden derzeit zunehmend Ladeparks mit Ladesäulen im Bereich von 300 bis 400 kW errichtet, um den Anforderungen der aktuellen Fahrzeuggeneration gerecht zu werden – ein Trend, dem auch unsere kommunalen Versorger folgen (Stadtwerke Mühlacker, Uhlandstraße 99).

Apropos Akkus: Mieten kam längst außer Mode. Elektrofahrzeug-Batterien weisen auch bei hohen Laufleistungen von über 200.000 Kilometern eine bemerkenswerte Lebensdauer auf, so das Fazit in den P3-Papieren. Die meisten Batterien behalten demnach langfristig mehr als 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität und bleiben damit weit über dem üblichen Garantiezeitraum hinaus zuverlässig einsetzbar. Nach dem Einsatz im Fahrzeug könnten sie zum Beispiel in einem stationären Speicher weitergenutzt werden. Durch das Batterierecycling lassen sich wertvolle Rohstoffe wie Lithium und Nickel zurückgewinnen, was langfristig einen beständigen Wert sicherstellt.

Selbst eine stark gealterte Batterie bedeute nach dem so genannten First- oder Second-Life noch keinen wirtschaftlichen Totalschaden, da wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Nickel und Kupfer weiterhin erhalten sind. Durch das Recycling von Batterien ließen sich diese Metalle und weitere Materialien zurückgewinnen und für die Produktion von neuen Batterien nutzen.
Damit steht fest: Auch jene Unkenrufer, die Batterien seien nicht recycelbar, lagen falsch. Wie in anderen Punkten wie Ladedauer und -netz auch. Irgendwie tut mir das gut. Denn wer setzt schon gern auf eine lahmende Pferdestärken-Marke.
Trotzdem: Mehr wäre schon drin. Taufrisch ist die Pressemitteilung des Kraftfahrbundesamtes in Flensburg mit den neuen Zulassungszahlen. Unter den Top-Modellen mit alternativen Antriebsarten gab es im Januar 2025 gegenüber dem Vormonat drei Modellwechsel: Bei den reinen Stromern konnte der VW ID.7 die meisten Neuzulassungen im Januar 2025 verzeichnen, bei den Hybrid (ohne Plug-in) war es der Mercedes GLK, GLC und bei der Antriebsart Gas (insgesamt) war der Dacia Sandero das meistzugelassene Modell. Im Vorjahr sah das Bild so aus: Insgesamt 1,34 Millionen Neuwagen mit alternativen Antrieben, damit 47,6 Prozent der Neuzulassungen – 2,7 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Reine Stromer: 380.609, ein Minus von 27,4 Prozent. E-Pkw (
e) machen damit 13,5 Prozent aller Neuzulassungen aus.
Wen wundert’s, wenn der Bund von einem Tag auf den anderen die Prämien für Elektroautos streicht, Politik zaudert und zögert, Porsche angeblich weiter auf den Verbrennungsmotor setzt – zwar nicht allein auf diese Antriebsart, sonder auch auf elektrische. Wirren und Irren nehmen leider zu.

Kommentare
Dieter Gieseking am :
vielen Dank, für diesen informativen Beitrag!