Die Sache mit den Anfragen

Gemeinderatsanfragen der Kern allen Übels? Ganz so meinte es Thomas Eier heute im Wochenend-Kommentar des Mühlacker Tagblatts sicherlich nicht. Aber er geht der Verwaltung schon etwas auf den Leim, wenn er schreibt: Anfragen und Hinweise aus dem Gemeinderat sind jederzeit legitim, doch in der Praxis kostet ihre Beantwortung halt ebenfalls Arbeitszeit. Und ob sich in der Folge ein Problem, nur weil es öffentlich angeprangert ist, wirklich zeitnah lösen lässt, hängt vom Personal, vom Geld – und letztlich von den Prioritäten im Gemeinderat ab.

Gemeinderatsanfragen als Arbeitszeitfresser? Natürlich erfordert die Beantwortung einer Anfrage Zeit. Aber diese Zeit muss bei der Personalbemessung schon berücksichtigt sein. Denn über allem steht der gesetzliche Auftrag, nachzulesen in Paragraf 24 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt. Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister.

Der Gemeinderat - ein Überwachungsorgan! Ja! Auch wenn sich der Begriff martialisch anhört: Die Kontrollfunktion ist Kernstück seiner Aufgaben.  Um das zu leisten, sind aber seine Instrumente beileibe nicht scharf wie ein Schwert. Denn der Landtag gesteht zunächst nur im Kollektiv ein Recht zur Überwachung zu: Eine Fraktion oder ein Sechstel der Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet. Ein Viertel der Gemeinderäte kann in Angelegenheiten im Sinne von Satz 1 verlangen, dass dem Gemeinderat oder einem von ihm bestellten Ausschuss Akteneinsicht gewährt wird.

Und welche Möglichkeiten bleiben dem einzelnen Ratsmitglied? Jeder Gemeinderat kann an den Bürgermeister schriftliche, elektronische oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten (…) richten, die binnen angemessener Frist zu beantworten sind.

Das war’s.

Anfragen sind das Instrument zur Umsetzung des gesetzlichen Auftrags der kommunalen Bürgervertreter. Wer dieses Recht faktisch einschränkt, beschädigt das Mandat. Nichts anderes ist es, wenn Anfragen nicht in der angemessenen Frist beantwortet werden – also innert vier Wochen (eine Frist, die im Mühlacker Rathaus – großzügig betrachtet – bei jeder zweiten Anfrage nicht beachtet wird). In die gleiche Kategorie gehört, wenn sich die Spitze der Verwaltung oder einzelne Amtsleitungen mokieren, nur weil ein Ratsmitglied seinen Auftrag ernst nimmt. Das ist ein gezielter Anschlag auf eine der Säulen der kommunalen Selbstverwaltung.

Anfragen als lästiger Zeitfresser?

Derzeit sind 19 Anfragen von mir nicht beantwortet. Ich muss immer einmal wieder mahnen oder das Thema in einer neuen Anfrage nochmals aufgreifen (was wieder Zeit kostet, die bei einer fristgerechten Antwort zu vermeiden gewesen wäre). Von diesen 19 Anfragen basieren 13 auf Punkte von Bürgern, mit denen sie sich an mich wandten, weil sie wissen, dass ich mich darum kümmere. Die Ursachen sind unterschiedlich:  Die, die beim Rat einen Rat suchen, fühlen sich von der Verwaltung nicht gerecht behandelt und nutzen zur Reaktion die Möglichkeiten der Demokratie. Oder: Sie schätzen ihre gewählte Vertretung als Kümmerer, die sich um ein Anliegen kümmert – sozusagen als niederschwelliges Angebot. Anzusprechen auch beim Einkaufen, auf der Straße, wo man sich eben im Alltag begegnet.  Ohne Gang zur Behörde, ohne vorherige Terminvereinbarung. Sie abzuweisen, würde die eh schon vorhandene Unzufriedenheit in der Einwohnerschaft schüren. Wer soll denn sonst Adressat der Anliegen der Menschen in unserer Stadt sein?  Und was dem einen wichtig ist, erscheint dem anderen als unbedeutend – auch das ist kein Grund zum Einbremsen von Anfragen. Natürlich ist es das Ziel, ein Problem zeitnah zu lösen. Wenn das nicht funktioniert, muss nachgehakt werden. Denn es geht um zufriedene Bürgerinnen und Bürger. Um Menschen, die wissen, auf wen sie sich verlassen können.

Die Zahl der Anfragen-Schreiber nahm in den vergangenen Wochen zu. Nun werden auch welche tätig, die die Zahl meiner Anfragen sonst kritisierten. Das veränderte Verhalten dieses Teils das Rates kann, wie das MT vermutet, mit dem heraufziehendem Kommunalwahlkampf zu tun haben. Ist aber eine Anfrage plötzlich weniger ernsthaft, nur weil sie ein Jahr vor der Gemeinderatswahl gestellt wird? Wer das anderen suggerieren will, befindet sich damit auf der schiefen Bahn.  

Zum Rund-um-Paket kommunale Selbstverwaltung - Verfassungsrang! - gehören nicht nur die fest besoldeten Menschen im Rathaus, sondern auch jene, die ihre Freizeit für diese Arbeit opfern - ehrenamtlich.

Das Gejammere, Anträge und Anfragen kämen obendrauf und verhinderten die Erledigung anderer Aufgaben, verraten, dass die Rechte des Gemeinderats wohl als störend empfunden werden. Solche Litaneien sollen den Ratsmitgliedern ein schlechtes Gewissen einreden, sie vom schnellen Schreiben eines Antrags abhalten, auf dass nur noch die Verwaltung die Beratungspunkte bestimmt. Eine Selbstverwaltung mit Schlagseite.  Anfragen und Anträge kommen nicht so quasi auf 100 Prozent drauf - sie gehören zu diesen 100 Prozent. Das Thema taucht immer wieder auf so wie das Ungeheuer von Loch Ness. Zum Beispiel 2018.

Was bleibt: fehlendes Personal. Da widerspreche ich nicht. Im Gegenteil: Gemeinsame Linie von CDU, LMU und SPD im Gemeinderat ist es seit den Haushaltsberatungen Ende 2021, auskömmliche personelle Ressourcen in den Fachämtern zu schaffen. Im Stellenplan stehen seitdem vier zusätzliche Stellen im Umwelt- und Tiefbauamt, zudem plus 2,5 beim Grundstücks- und Gebäudemanagement. Eine Aufstockung, die auch externe Fachleute für notwendig ansahen, gegen die Stimmen von FW und FDP vom Rat genehmigt. Doch mancher im Rathaus hat das Gejammere schon so verinnerlicht, dass trotzdem immer das gleiche Klagelied angestimmt wird. Zitat aus der Antwort zum Hochwasserschutz in Lienzingen: Die Betreuung weiterer Maßnahmen, auch das Führen weiterer externer Planer, sei neben den weiteren Aufgaben nicht leistbar. Die vorhandenen Personalressourcen und Aufgabenstellungen erlauben es aktuell leider nicht, weitere Hochwasserschutzmaßnahmen in Angriff zu nehmen.

Schwacher Trost für Menschen bei der drohenden Wiederholung des Hochwassers von 2013. Wer übernimmt dann die Verantwortung?

Trauerspiel: Noch kein Ersatz für Lärmschutzwand Heidenwäldle – wie Betroffene das empfinden: Wir sind sehr erstaunt und verärgert, dass die Ausschreibung noch nicht veranlasst wurde. Nachdem die Bäume in der Nähe des Kreisverkehrs gerodet wurden, sind wir davon ausgegangen, dann nun endlich bald die Lärmschutzwand errichtet wird! Durch die Rodung der Bäume fehlt nun auch noch der Sichtschutz, der Lärmschutz ja sowieso. Dieses Jahr sind zwei neue Familien an den beiden Eckhäusern direkt zur Straße hin eingezogen. Bei der Entscheidung, dorthin zu ziehen war auch die Aussicht auf eine schnelle Errichtung der Lärmschutzwand maßgebend.

.Können Sie uns sagen, was es bedeutet, dass die Sache ruht bzw. bis zu welchem Termin die Ausschreibung geplant ist? Wir gehen ja davon aus, dass sich der Amtsleiter an seine Aussage vom 25.07.2022 hält! So wie wir es verstanden haben, wurde die Baugrunduntersuchung ja bereits im Jahr 2022 durchgeführt und muss in 2023 nicht mehr ausgeschrieben werden.

Falls wir in den nächsten Monaten wieder auf unbestimmte Zeit vertröstet werden, werden wahrscheinlich vermehrt die lärmgeplagten Anwohner bei der Stadtverwaltung anrufen und Ihrem Ärger Luft machen.

Leider warten wir nun schon seit 3 Jahren auf einen Ersatz unseres alten Lärmschutzes! Wir gehen davon aus, dass die Umsetzung noch in 2023 erfolgt!

Soweit der Auszug aus der Mail der Betroffenen.  Ein Projekt, seit Anfang 2020 ein Thema, zweimal im städtischen Etat finanziert, Ersatzbau vom Gemeinderat beschlossen, in mehreren Anfragen nach dem Sachstand erkundigt, bis jetzt nichts umgesetzt.

Das Problem liegt inzwischen tiefer. Die Glaubwürdigkeit von Verwaltung, aber auch des Gemeinderates leidet in dieser Stadt nicht durch die Zahl der Anfragen enorm, sondern durch das Gefühl: Die kriegen nichts hin! Den Worten folgen kaum Taten. Dabei hat der Gemeinderat 2022 sechs neue Stellen für die technischen Ämter genehmigt – eine Rückkoppelung wegen Ausschreibung und Bewerbungen findet nicht statt. Fragen nach der Attraktivität des Arbeitgebers Stadt Mühlacker im Vergleich zu anderen Kommunen werden zwar zur Kenntnis genommen, versanden aber.

Da bleibt nur eines: Eine weitere der so ungeliebten Anfragen.

1.  Welche Stellen sind unbesetzt? Welche sind aus dem Bestand - frei geworden durch Ausscheiden des Stelleninhabers - und welche neu durch Personalaufstockung durch den Gemeinderat?

2. Welche Stellen wurden wann ausgeschrieben? Mit welchem Ergebnis?

3. Wie sind diese Stellen eingestuft?

4. Wie viel besetzte Stellen hat das Amt?

Am 8. Mai 2023 gestellt, bis jetzt unbeantwortet. Ist aber noch in der Frist.

 

 

 

 

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