Von der Kohlplatte bis zum Hamberg – Lienzingen, seine Gruben und der Beginn der Müllabfuhr 1967 - Immer Ärger mit den Behörden - Quälende Suche nach Alternativen
Die Lienzinger taten sich schwer, mussten auf Fallstricke achten - bei der langwierigen Suche nach einer Antwort auf die immer drängender werdende Frage: Wohin mit dem Hausmüll? Denn mehr als zehn Jahre lang beschäftigte das ihren Gemeinderat. Letztlich nahm ihm ein Zweckverband der Kommunen, dann der Enzkreis die Aufgabe ab. Aber zunächst war jede Gemeinde und jede Stadt bis 1972 für sich selbst verantwortlich. Ein Problem, das in den ersten Nachkriegsjahren noch keines war. Umweltschutz, das war vor allem auf dem Land noch ein Fremdwort. Zumindest auf dem Dorf regelte sich zunächst alles von allein. Müll landete auf dem Misthaufen, im Ofen oder auf dem Kompost.
So gab es 1949 in dem damals 940 Einwohner zählenden Dorf 145 landwirtschaftliche Betriebe, elf Jahre später noch 101, im Jahr 1971 immerhin 49. Abfälle, die sich nicht kompostieren oder verbrennen ließen, gab es nur wenige und was doch anfiel, wurde in einer Müllgrube deponiert, schreibt der Historiker Konrad Dussel in dem, 2016 erschienenen Ortsbuch von Lienzingen (S. 202). Heutzutage wird sortiert auf Teufel komm raus, getrennt, verwertet - und trotzdem produzierte 2021 jeder Einwohner des Enzkreises durchschnittlich 130,9 Kilogramm Restmüll (aus: Abfallbilanz des Landes)
Das Thema nahmen die Kommunen in den ersten Jahren nach Kriegsende nicht sonderlich ernst. Doch das Landratsamt Vaihingen an der Enz regte schon 1956 eine staubfreie Müllabfuhr an. Landrat Dr. Friedrich Kuhnle schrieb am 1. Februar 1956 an die Bürgermeisterämter im Landkreis, geplant sei die Gründung eines Zweckverbandes. Ein Anschluss werde wohl nur für größere Gemeinden und für Kommunen, in denen die Landwirtschaft nur eine untergeordnete Bedeutung habe, in Betracht kommen. Dem vorausgegangen war eine Dienstbesprechung mit den Rathauschefs am 19. Januar 1956.
Lienzinger Geschichte(n) heute zu einem leicht anrüchigen Thema: Müll. In Deutschland gilt es als nahezu selbstverständlich, dass Abfälle gesammelt und entsorgt werden. Diese Selbstverständlichkeit steht aber am Ende eines langen Entwicklungsprozesses der Abfallwirtschaft, der Abfalltechnik und des Abfallrechts in Deutschland, heißt es beim Umweltbundesamt. Lienzingen, das Dorf, eignet sich als Musterfall für das Stück: Von den Müllkippen bis zu den Deponien oder Von der Beseitigung zum Kreislauf. Ratsprotokolle und Akten der früher selbstständigen Gemeinde Lienzingen sind durchaus ergiebig. Der neue Beitrag zu meiner digitalen Serie.
Die Beratungsstelle für wirtschaftliche und hygienische Müllverwertung leistete in den Wochen zuvor wichtige Vorarbeit für den Müllabfuhr-Zweckverband der Gemeinden des Landkreises Vaihingen (MZV) – auf dem Tisch lagen ein fix und fertiger Satzungsentwurf, sowie zwei Varianten einer Wirtschaftlichkeitsberechnung, gestützt auf den errechneten Bedarf an 35- und 50-Liter-Mülleimer: zusammen 12.000 Stück. Vorgesehen war, zwei Fahrer und vier Müllwerker beim Zweckverband anzustellen, zwei Fahrzeuge zu beschaffen. Die gesamten Ausgaben für ein Jahr: 71.800 Mark plus 45.000 Mark Kapitaldienst. Dem gegenüber sollten 124.800 Mark auf der Einnahmenseite aus Gebühren stehen. Der Überschuss von 8000 Mark wäre in die Rücklage geflossen.
Doch rasch, schon am 24. Februar beschloss der Lienzinger Gemeinderat: Einem etwaigen, zur Gründung kommenden Zweckverbandes für Müllabfuhr nicht beizutreten. Ein Beitritt würde im Ort zu erheblichen Schwerigkeiten führen, steht im Ratsprotokoll, ohne dass dies näher begründet wurde. Der Bürgermeister forderte, dann aber die Neugewinnung eines geeigneten, vor allen Dingen ortsnahen Auffüllplatzes ins Auge zu fassen. Mit dem Bau einer Dreschhalle im Brühl-West (heute Baugeschäft Straub) würden die Auffüllmöglichkeiten stark eingeschränkt (STAM, Lie B 325, S. 74). Das Ortsparlament der bis 1975 selbstständigen Gemeinde Lienzingen erwies sich in diesen Fragen als besonders widerborstig. Mehrmals schmetterte das Gremium Vorstöße von Bürgermeister Richard Allmendinger noch in den sechziger Jahren ab. Allerdings fiel es zunehmend schwerer, geeignete Flächen für Müllgruben zu finden, die mit Erde abgedeckt wurden, wenn sie voll waren.
Eine solche neue Grube legte die Kommune 1959 an der Kohlplatte an, neben der alten – ein Gelände jenseits der Bundesstraße 35 am Waldrand , nahe des Feldweges zum ersten Fußballplatz des Ortes. Der in dem Bereich vorhandene Müllplatz sollte eingeebnet werden. Der Gemeinderat vergab in seiner Sitzung am 27. November 1959 den Auftrag, den Erdaushub von diesem Ersatz-Standort zum Mühlweg zu karren, der Firma Karl Fegert in Mühlacker, die je Kubikmeter drei Mark und zwanzig Pfennig kassierte. Fünf Bauunternehmen hatten sich beworben. Fegert sei preislich am niedrigsten und zudem leistungsfähig, so der Schultes in seinem Vergabevorschlag an den Rat. Das Material brauchte die Gemeinde, um den vormaligen Eissee der Brauerei Schneider aufzufüllen und einen neuen Fußballplatz anzulegen. Ein anderer Teil diente dazu, den Müll hinter dem Friedrich-Münch-Kindergarten abzudecken. Erste Station eines Waldbegangs des Gemeinderats am 11. Oktober 1959 war die Kohlplatte. Allmendinger sagte, die neue Grube grenze unmittelbar an den Staatswald. Forstmeister Hans Hebenstreit schlug vor, eine Reihe Bäume anzupflanzen (Stadtarchiv Mühlacker=STAM, Li B 325, S. 297, 303).
Oberhalb der Bundesstraße 35: die Kohlplatte
Nun musste der Gemeinderat die Gemeindeverordnung ändern, was am 5. Februar 1960 auch geschah. In Abschnitt 3 des Paragrafen 16 legte die Kommune fest, dass Schutt und ähnliche Abfälle (…) nur auf den für die Ablagerung zugelassenen Platz auf der Kohlplatte – oberhalb der Umgehungsstraße – verbracht werden dürfen. Das Material müsse dort ordnungsgemäß abgelagert werden. Nicht rund um die Uhr hatte diese Service-Stelle geöffnet, sondern nur mittwochs und samstags jeweils von 14 Uhr an bis zum Einbruch der Dunkelheit. Wer außerhalb dieser Zeiten anliefern wollte, brauchte eine Ausnahmegenehmigung der Gemeindeverwaltung (STAM, Li B 326, S. 14).
Als ein Einzelhändler aus der Mühlacker Bahnhofstraße altes Material auf dem Platz ablagerte, erhielt er einen Acht-Zeiler aus dem Lienzinger Rathaus: Auswärtigen sei das nicht erlaubt (15. Januar 1963). Eine Handlungsweise der Kommune, die wiederum das Landratsamt am 5. Mai 1964 (Aktenzeichen I/6002) beanstandete. Bei dem derzeitigen Wortlaut der vom Gemeinderat verabschiedeten Regelung sei die Beschränkung auf Einheimische nicht erlaubt, dazu müsste die Gemeindeverordnung ergänzt werden, schrieb Landrat Kuhnle. Eine Position, die vom Württembergischen Gemeindetag, den Allmendinger um Beistand bat, schon zuvor vertreten wurde (7. Februar 1964). Den Rechtsstreit hatte die Landespolizei, Abteilung Vaihingen, durch eine Anzeige eines Metzgermeisters aus Mühlacker – offenbar gegen die Gemeinde - im Dezember 1963 ausgelöst. Die Polizei und das Landratsamt hielten den Zusatz Schuttabladen nur mit Genehmigung des Bürgermeisteramtes auf einer Tafel an der Kohlplatte für rechtlich nicht haltbar. Entweder sei die Tafel zu entfernen oder ihr durch Änderung der Gemeindeverordnung eine Rechtsgrundlage zu verschaffen (10. Dezember 1963)
Vorsichtiger Versuch, für die Müllabfuhr zu werben
Immer wieder beklagten sich Menschen im Rathaus über wilde Kippen. So landeten nach dem letzten Haus auf der Nordseite der Brühlstraße (Kontzi) Küchen- und andere leicht verderbliche Abfälle sowie Blechdosen auf den Wiesen. Erlaubt war aber nur Erdaushub – und selbst das erforderte die Genehmigung der Gemeinde. Allmendinger ließ einen entsprechenden Ukas vom 16. Jui 1959 vor allem von den Bewohnern des Brühl unterschreiben.
Einen ersten Versuch, die Müllabfuhr einzuführen, unternahm der Bürgermeister im Spätherbst 1963. In der November-Sitzung erinnerte er den Gemeinderat daran, dass die Kommune für 7000 Mark eine Grube für die Müllablagerung bei der Kohlplatte habe anlegen lassen. Trotz wiederholter Hinweise und Bekanntgaben werde dort nicht nur Hausmüll, sondern alles nur erdenkliche Altmaterial abgelagert. Auch Auswärtige, insbesondere Bewohner der Stadt Mühlacker, würden die Grube trotz Verbotstafel anfahren. Rasche Abhilfe beziehungsweise die Einführung von strengen Überwachungsmaßnahmen sei dringend notwendig. Sein Gegenstrategie: eine geordnete Müllabfuhr. Allein diese biete Gewähr für die Ordnung. Allmendinger verwies auf das Beispiel anderer Gemeinden und verriet dann sein Ziel: eine gemeinsame Müllabfuhr mit der Stadt Maulbronn. Dazu bestehe im Augenblick die Möglichkeit. Die geringen Gebühren (90 Pfennig für einen 50-Liter-Viktor und 70 Pfennig für einen mit 35 Liter) seien für jeden Haushalt erschwinglich, der Spermüll würde einmal in drei Monaten abgeholt.
Doch die Bedenkenträger überwogen, der Gegenvorschlag erhielt eine Mehrheit: Die Überwachung des Auffüllplatzes durch eine noch zu suchende Person, bei gleichzeitiger Erhebung von 30 bis 80 Pfennige je Anlieferung, wobei sich Gemeinde und Platzbetreuer den Betrag je hälftig teilen sollten. Bürgermeister Allmendinger bezweifelte, dass sich jemand finden lasse. Bis jetzt habe sich auf die Bekanntmachung niemand gemeldet. Eine heftige Debatte über das Reizthema Müllabfuhr, lässt sich aus dem Protokoll schließen, folgte zwei Wochen später bei einer weiteren Ratssitzung. Sie endete mit dem Beschluss, es seien Erkundigungen darüber einzuziehen, ob die Erhebung von Benutzungsgebühren – zum Beispiel 20 Pfennig pro Einwohner und Vierteljahr – gesetzlich zulässig sei (STAM, Li B 327, S. 235, 240).
Private kontrollieren ihre Gruben stärker
Dem Schultes spielte in die Hände, dass die staatlichen Behörden diese Gruben nun stärker kontrollierten. Im Protokoll der Beratungen des Gemeinderates am 9. April 1965 deutete der Bürgermeister an, es sei mit einer überörtlichen Verfügung zu rechnen. Ausgerechnet die wilde Ablagerung von Erde auf dem kommunalen Auffüllplatz durch das Straßenbauamt löste die Forderung aus, das Gelände einzuzäunen. Eine Mehrheit lehnte dies ab, da sich der Aufwand nicht lohne und die Gemeinde eh einen neuen Standort suchen müsse. Zwar solle gegen das Straßenbauamt keine Anzeige erstattet werden, doch kritisch festgehalten wurde das unsachgemäße Ablagern von Altmaterialien, Sperrgütern und dergleichen - ob von der Behörde oder allgemein, blieb offen. Ergebnis der Debatte: Eine Person zu suchen, die das Areal überwacht und das Altmaterial so weit wie möglich zu verbrennen (STAM, Li B 327, S. 15).
Zwei Monate später platzte die Bombe. In der Ratssitzung vom 4. Juni 1965 legte Allmendinger einen Bericht vor über einen Vor-Ort-Termin beim Müllplatz am 3. Dezember 1964 mit Vertretern des Geologischen Landesamts Baden-Württemberg, des Staatlichen Gesundheitsamts Mühlacker, des Wasserwirtschaftsamts Besigheim, des Landratsamts sowie des Kreisbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege. Die Niederschrift – ein mehrseitiges Papier über diese Parzelle Nummer 4746 im Gewann Schelmenwald – ist aufschlussreich. Die künstlich hergestellte Grube sei seit 25 Jahren in Benutzung und reiche noch für fünf Jahre. Der Untergrund: Gipskeuper. Die Wasserfassung der Gemeinde sei 500 Meter entfernt. Die Behörden bemängelten, dass über die Feldwege Nummer 4/2, 15 und 95 Tagwasser vom Hang in die Müllhalde gelange, der Müll-Lagerplatz in Ortsnähe liege und die Verkehrssicherheit auf der B35 durch Rauchschwaden vom Müllplatz beeinträchtigt werden könne. Das durch die Wege herangeführte Tagwasser müsse durch einen hangseitig um die Halde herumgeführten Graben abgefangen und schadlos abgeleitet werden. Durch die Ortsnähe sei die Ablagerung von Müll dort hygienisch bedenklich und ästhetisch unzulässig. Zudem seien die Richtlinien der Forstdirektion bezüglich des Feuerschutzes nicht gewahrt. Es müsse gefordert werden, kurzfristig einen geeigneten Platz bereitzustellen.
Landratsamt: Müllplatz umgehend aufgeben
In seinem Erlass vom 24. Mai 1964 verwies das Landratsamt Vaihingen im Besonderen auf die der Fortführung des derzeitigen Müllplatzes im Wege stehenden gesetzlichen Bestimmungen. Lienzingen solle sich für seine 1177 Einwohner einen Anschluss an eine vorhandene oder zu schaffende überörtliche Müll- und Schlammbeseitigung überlegen. Auf alle Fälle müsse der Müllplatz umgehend aufgegeben werden.
Wieder zeigte sich, dass die Lienzinger Ratsmitglieder so leicht von anderen Positionen nicht zu überzeugen waren. Einige verwiesen auf gleichgelagerte Fälle in anderen Gemeinden wie zum Beispiel in Mühlacker, ein Bürgervertreter nannte die Argumente des Landratsamtes nicht stichhaltig. Ein weiterer lenkte den Blick auf den Standort des Müllplatzes der Stadt Maulbronn, von dem Gefahren für das Wassereinzugsgebiet von Lienzingen ausgehen könnten. Überraschend gelangte der Bürgermeister nach weiterer Debatte zum Resümee, der jetzige Platz könne wohl noch für einige Jahre zur Müllablagerung benutzt werden – so lange, bis er aufgefüllt sei. Doch der Gemeinderat möge sich jedoch jetzt schon über die Gewinnung eines anderen geeigneteren Platzes Gedanken machen. Um die Einführung einer allgemeinen Müllabführ, welche schon In anderen Gemeinden bestehe, komme auch Lienzingen nicht herum, prophezeite Allmendinger (STAM, Li B 326, S. 27f).
Gut ein Jahr später meldete der Schultes: Der Müllplatz Kohlplatte sei so weit aufgefüllt, dass dringend ein neuer Standort gesucht werden müsse. Das war in der Sitzung am 18. Februar 1966. Zwar dürfe Bauschutt im Wald abgelagert werden, jedoch bei brennbarem und anderem Müll müsse die Genehmigung der Forstdirektion eingeholt werden unter Anhörung des Wasserwirtschaftsamtes, des Kreisbrandmeisters und des Naturschutzes beziehungsweise der Landschaftspflege. Erneut plädierte Allmendinger für eine Kooperation mit der Nachbarstadt Maulbronn, die mit der umliegenden Gemeinde eine gemeinsame Müllabfuhr wünsche und den derzeitigen Müllplatz in Schmie beim früheren Steinbruch, der direkt an der Markungsgrenze zu Lienzingen liege, auf die Markung Lienzingen ausdehnen wolle. Die Lienzinger wiederum befürchteten durch Letzteres eine Geruchsbelästigung und Gefahren für ihr Grundwasser, weshalb sie sich gegen diese Erweiterung aussprachen.
Quälende Suche nach einer neuen Grube
Wohin nun mit dem dringenden Ersatz-Müllplatz? Letztlich lagen drei Vorschläge auf dem Tisch. Vom Bürgermeister: einen im weiter westlich liegenden Wannenwald, Abteilung VI - einer Hanglage, wobei er gleichzeitig die Einführung einer allgemeinen Müllabfuhr forderte - von Gemeinderat Emil Hafner: Abteilung II Kohlplatte oder Abteilung V/VI Katzenwald, letzterer nördlich der Gemeinde. Acht Tage später schauten sich die Bürgervertreter alle drei Plätze an – am 27. Februar 1966, einem Sonntagvormittag. Letztlich entschied sich das Gremium am 11. März 1966 für einen Doppel-Beschluss: für den Standort Katzenwald (Kosten von 2000 bis 3000 Mark) und für die Einführung einer allgemeinen Müllabfuhr. Allerdings musste die Kommune für den Standort Katzenwald die Zustimmung der staatlichen Behörden wie der Forstdirektion einholen. Doch sowohl Jagdpächter Friedrich Münch als auch das Wasserwirtschaftsamt lehnten ab. Am 22. Juli stand noch die Antwort des Forstes aus, doch auch die fiel negativ aus. Sie sahen Gefahren für das Grundwasser. Wiederum Münch befürchtete eine erhebliche Beschränkung seines Jagdrechts, weil dadurch eine starke Unruhe im dortigen Waldgebiet eintreten würde. Außerdem liege der von ihm angelegte See in unmittelbarer Nähe, in den schädliche Abwässer gelangen könnten. Der Gemeinderat ordnete sich unter: Er verwarf seinen eigenen Beschluss. Aus den vorgebrachten Gründen solle von der Anlegung eines Müllplatzes im Katzenwald abgesehen werden, wenngleich die Einwendungen des Jagdpächters durch entsprechende Maßnahmen hätten ausgeräumt werden können. Es sei geplant gewesen, das Oberwasser abzuleiten und einen Damm zum Münchsee hin aufzuschütten.
Jagdpächter Friedrich Münch mit Welschenhau einverstanden
Diesmal ging der Rat den umgekehrten Weg. Er überließ es dem Jagdpächter, sich zu den neu erarbeiteten Standortvorschlägen zu äußern: unmittelbar an der Grenze zu Schmie (Steinbruch-Gebiet), Abteilung 19 der Welschenhau und die Schanz, beide ganz im Westen der Markung, in der Nähe der Eppinger Linie. Münch sprach sich für den Welschenhau, Abteilung 20, aus. Darnach steht der Absicht der Gemeinde, dort einen Auffüllplatz zu schaffen, nichts mehr im Wege, vorausgesetzt, dass sich die Forstdirektion dem nicht widersetzt, so der Bürgermeister am 14. Oktober 1966 laut Ratsprotokoll. Doch das Gremium hatte sich zu früh gefreut (STAM, Li B 327, S. 72, 75, 99, 109, 123).
Für die Abteilung 20 Welschenhau, gekoppelt mit der Einführung der Müllabfuhr: Diesen Kombi-Beschluss fassten die Lienzinger Räte bei ihrer Sitzung am 14. Oktober 1966 – und lösten damit auch Widerstand aus, aber nun bei anderen. Da das Gelände außerhalb eines Wassereinzugsgebiets liege, hatte das Wasserwirtschaftsamt Besigheim keine Bedenken, dagegen die Stadt Mühlacker. So steht es im Protokoll der Lienzinger Gemeinderatssitzung vom 16. Dezember 1966. Demnach kam es drei Tage zuvor zu einer großen Runde auf Einladung des Vaihinger Landrats Erich Fuchslocher, Bürger der Stadt Mühlacker. Mit dabei Landforstmeister Langbein, Oberforstrat Hebenstreit, die Bürgermeister der Städte Maulbronn und Mühlacker, Karl Lägler und Gerhard Knapp sowie Bürgermeister Allmendinger. Der Landrat leitete – so ist es im Ratsprotokoll notiert - das Gespräch mit einer klaren Aussage ein: Im Welschenhau (Anm.: Schreibweise nach Friedrich Wißmann, Ortsbuch Lienzingen, 1970) werde kein Müllplatz genehmigt. Er riet der Gemeinde Lienzingen, mit Maulbronn zu vereinbaren, gemeinsam deren Müllplatz zu benutzen - bis die zum Ziel gesetzte zentrale Müllverwertungsstelle der gegenwärtigen Lehmgrube auf Markung Zaisersweiher für eine größere Anzahl von Gemeinden nutzbar werde.
Allmendinger liebäugelt mit zentraler Müllverwertung
Die Stadt Maulbronn bemühe sich ihrerseits schon lange um eine gemeinsame Lösung mit der Gemeinde Lienzingen, weil sie damit erreichen wolle, ihren derzeitigen Müllplatz, der in etwa zwei bis drei Jahren aufgefüllt sei, auf die Markung Lienzingen auszudehnen. Eine solche Lösung sei in Lienzingen gerade nicht erwünscht. Wenn jedoch in einigen Jahren eine zentrale Müllverwertung, wie von Landrat Erich Fuchslocher angedeutet, geschaffen werde, könne Lienzingen für die Zeit dazwischen eine solche Vereinbarung mit der Stadt Maulbronn eingehen, sagte Allmendinger seinen Räten. In der Aussprache zeigte sich, dass ein Teil der Gemeinderäte aus verschiedentlichen Gründen auf einen eigenen Müllplatz setzte, so zum Beispiel im Wannenwald, worüber schon früher verhandelt worden sei. Der Schultes: Hiergegen bestehen jedoch Bedenken, weil dabei elnes der besten Jagdgebiete gestört wird.
Der vierteilige Beschluss des Gemeinderats von Lienzingen vom 16. Dezember 1966 brachte den (scheinbaren) Durchbruch:
- Mit der Stadt Maulbronn eine gemeinsame Regelung hinsichtlich der MüIIablagerung aus Lienzingen auf deren Müllplatz auf Markung Schmie anzustreben.
- Diese Regelung wird befristet für die Zeit bis zur restlosen Auffüllung des derzeitigen Müllplatzes auf Markung Schmie.
- Unverzüglich mit den beiden im Kreis befindenden Unternehmen Hornickel, IIIingen und Pfitzenmaier & Rau, Knittlingen, hinsichtlich der Müllabfuhr zu verhandeln.
- Baldmöglichst die allgemeine Müllabfuhr einzuführen und den Müllplatz bei der Kohlplatte aufzulösen.
Am 12. Januar 1967 stand das Thema erneut auf der Tagesordnung des Gemeinderats von Lienzingen. Denn die beiden Unternehmen hatten rasch ihre Offerten eingereicht. Der Bürgermeister holte sich ein Verhandlungsmandat vor allem auch für Preisverhandlungen. Die Konditionen präsentierte der Schultes in öffentlicher Sitzung. Hornickel und Pfitzenmeier & Rau gaben Angebote ab für den Abtransport des Mülls.
Pfitzenmeier & Rau verlangte mehr Geld als Hornickel
Hornickel forderte für einen 3,5 Familienhaushalt eine Mark monatlich und für Sperrmüllabfuhr 100 Mark pro tausend Einwohner bei einvierteljährlicher Abfuhr. Pfitzenmeier & Rau dagegen 1.50 Mark pro Haushalt monatlich, für Sperrmüllabfuhr pauschal 120 Mark. Bei Ermittlung des Jahresaufwands ergab sich bei Hornikel ein Gesamtaufwand von 4980 Mark und bei Pfitzenmeier & Rau ein solcher von 5940 Mark.
Im Allgemeinen werden für die Müllabfuhr SULO-System-Mülleimer mit 35 und 50 Liter Inhalt verwendet, die vom Eisenwerk Streuber & Lohmann, Herford, angeboten werden. Die Nettokosten betragen für verzinkte Mülleimer 21 Mark für 50 und 18 Mark für 35 Liter Inhalt. Für Kunststoff-Eimer 24 Mark für 50 und 18 Mark für 35 Liter.
Soweit aus dem Protokoll. Nun galt es, die Einwohner zu informieren, denn nun mussten die Eimer bestellt werden. Gleichzeitig wollte Allmendinger mit Hornikel und Pfitzenmeier & Rau (heute PreZero) über die Preise verhandeln (STAM, Li B 327, S. 137 f und 139 f).
Nicht alle überzeugten diese neuen Zeiten. Ein Landwirt beantragte, vom Anschluss- und Benutzungszwang der öffentlichen Müllabfuhr befreit zu werden, was rechtlich möglich war. Reinhold Heinzmann argumentierte, bei ihm als Bauer sei der anfallende Müll im Gegensatz zu anderen Haushalten gering. Bei ihm gebe es weder Konserven noch andere Behälter. Die wenigen Abfälle könne er in seinem Betrieb ohne Schädigung der öffentlichen Gesundheitspflege verwerten. Bürgermeister Allmendinger befürchtete einen Präzedenzfall, der andere veranlassen könnte, sich ebenfalls befreien zu lassen, sagte er offen in der Ratssitzung vom 17. März 1967. Sowohl er als auch der Gemeinderat stuften das öffentliche Interesse an einer öffentlichen Müllabfuhr höher ein. Der Antrag wurde abgewiesen. Ein anderer Fall: Margarete D. und Lieselotte R. hatten einen gemeinsamen Haushalt, weshalb jede nur vier statt acht Mark für die Müllabfuhr bezahlen mussten statt zusammen 16 Mark, so der Ratsbeschluss.
Auftrag: Abfuhr im Umleerverfahren
Im zweiten Anlauf billigte der Gemeinderat am 3. Mai 1967 die Satzung über die öffentliche Müllabfuhr. Das Landratsamt verlange eine Wiederholung, aber auch eine Ergänzung. Die Aufsichtsbehörde vermutete, dass die gesetzlich vorgeschriebene Aushängefrist von einer Woche für die Satzung als Beteiligung der Öffentlichkeit beim ersten Mal nicht ganz eingehalten wurde. In Paragraf 1 steht: (1) Die Gemeinde betreibt die Abfuhr und die Beseitigung des im Gemeindegebiet anfallenden Mülls als öffentliche Einrichtung. … (3) Die Müllabfuhr wird im Umleerverfahren mit Mülleimern durchgeführt (Umleersystem) (STAM, Li B 327, S. 154, 163, 194).
Den Zuschlag für die wöchentliche Entsorgung der Abfälle erhielt am 12. Mai 1967 Kurt Hornickel, Fuhrunternehmung in Illingen, Alexanderstraße 15. Für die Konditionen des Auftrags reichten zwei Seiten und 13 Paragrafen. Eine der Passagen: Der Unternehmer verpflichtet sich, einen Spezial-Müllwagen mit staubfreier Einschüttvorrichtung einzusetzen. Start der Abfuhr war am 1. Juli 1967. Die Kommune legte ihre Kosten um: acht Mark jährlich für eine Einzelperson, 15 Mark für zwei und drei Personen, 20 Mark für vier und mehr Köpfe. In seiner Sitzung vom 22. März 1968 stimmte der Gemeinderat dem Antrag von Hornickel zu, seine Gebühren um sieben Prozent erhöhen zu dürfen, rückwirkend zum 1. Januar 1968.
Als der Bürgermeister in der Ratszusammenkunft vom 21. November 1969 die Rechnungsergebnisse für 1967/68 der Müllabfuhr vorlegte, gab es eine Überraschung: Das Defizit betrug etwa 1300 Mark. Da damlt habe gerechnet werden müssen, dass Fuhrunternehmer Hornickel mit der Erhöhung der Transportkosten komme und die Anlage des neuen Müllplatzes erhebliche Kosten, besonders für den Wegbau, erfordere, sei, so argumentiert der Vorsitzende, eine allgemeine Anhebung der Müllgebühren unumgänglich. Er schlug vor, die Gebühren folgendermaßen anzuheben: Für eine Person 9 Mark (bisher 8 Mark), für 2 Personen 12 Mark (bisher für zwei und drei Personen), für 3 Personen nun 16 Mark, für 4, 5 und weitere 20 Mark. Gemeinderat Emil Hafner hielt demgegenüber eine Anhebung von 50 Pfennig je Person als hinreichend. Gemeinderat Günter Schempf beantragte dagegen, die seitherigen Gebühren von 8 auf 9 Mark, von 12 auf 14 sowie von 15 auf 18 Mark anzuheben. Die – so steht es im Protokoll - Vertreter der Landwirtschaft (Fritz Geißler, Werner Metzger, Eberhard Pfullinger und Albert Straub) wiesen darauf hin, dass landwirtschaftliche Betriebe nur einen geringen Müllanfall hätten. Schempf erhielt für seinen Vorschlag eine Mehrheit von acht gegen zwei Stimmen. Die Spanne lag nun zwischen neun und 18 Mark (STAM, Li B 327 S. 300 f).
Eine monatliche Belohnung von 395,90 DM inklusive Mehrwertsteuer bei 1300 Einwohnern erhalte Hornickel für die Müllabfuhr, steht im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 16. Januar 1970. Da zum 30. Juni 1969 exakt 1460 Menschen im Dorf lebten, forderte der Unternehmmer nun pro Monat 446,20 Mark, was ihm auch zugestanden wurde. Doch schon gut einen Monat später verlangte die Illinger Firma einen Aufschlag von je zehn Pfennigen je Haushalt und Monat. Für ihre 417 Haushalte überwies ihm nun die Kommune monatlich 490,80 Mark vom 1. März 1970 an (STAM, Li B 328, S. 3, 13).
Vor-Ort-Termin mit dem Ersten Landesbeamten aus Vaihingen
Was zunächst nach Durchbruch in der Müllplatz-Suche aussah, erwies sich doch als schwieriger bei der Umsetzung. Lienzingen suchte immer noch die geeignete Müllgrube. Denn die Stadt Maulbronn forderte, Lienzingen solle beim notwendigen Grunderwerb zur Erweiterung der von Maulbronn auf der Markung Schmie, an der Grenze zu Lienzingen, betriebenen Steinbruch-Lagerstätte helfen. Allmendinger und die Räte lehnten bei ihrer Zusammenkunft am 24. Februar 1967 diese Offerte ab. Ihr Gegenargument: Durch eine solche Erweiterung werde möglicherweise der Wasserhaushalt der Gemeinde Lienzingen gefährdet. Schultes und Räte guckten eine Klinge aus im Hinteren Riegen – sie gehörte dem Gemeinderat und Landwirt Eberhard Pfullinger, der bereit war, sie der Kommune zu verpachten - und eine im Hamberg, die drei bis vier Jahre reichen könne. Beides Flächen in der Nähe der Weinberge.
Stücklesbesitzer wandten sich mit einem Schreiben vom 26. Juni 1967 dagegen, sie hatten vor der Gemeinderatssitzung am 30. Juni auch schon das Landratsamt in Vaihingen eingeschaltet. Der Erste Landesbeamte Dr. Heinz Reichert, später Landrat des Enzkreises, fand sich, zusammen mit Kreisbaumeister Vogelmann und Naturschutzbeauftragtem Todt zu einem Lokaltermin ein. Er könne keine Versagungsgründe erkennen, die Gemeinde müsse aber noch ein Gesuch zur Genehmigung einreichen. Der Gemeinderat positionierte sich: Riegen und Hamberg, wenn diese nicht möglich seien, ein Platz im Waldteil Sulz. Gleichzeitig beschloss das Gremium, den Müllplatz bei der Kohlplatte sofort für die private Anfuhr zu sperren, nur noch die Anlieferung von Hausmüll durch die Firma Hornickel zuzulassen, den Platz einzuzäunen und einzuebnen.
Lienzingens Räte taten sich mit Neuerungen schwer
Ein Dauer-Problem, ein ständiges Hin und her: Am 21. November 1969 entschied der Gemeinderat, Müll und Bauaushub inklusive Sperrmüll in die Klinge in Abteilung 9 im Katzenwald kippen zu lassen. Der Bürgermeister solle die notwendigen Maßnahmen zur baldmöglichsten Nutzung der Klinge in die Wege leiten – trotz seines Fingerzeigs, die gemeinsame Deponie in Zaisersweiher für mehrere Gemeinden sei wohl die zweckmäßigste Lösung. Doch Lienzingens Räte taten sich mit Neuerungen schwer, nicht nur bei der Einführung der Müllabfuhr, sondern auch beim Einbau von Wasserzählern einige Jahre später (STAM, Li B 327, S. 145, 299 f).
Was heutzutage undenkbar erscheint: Die Gemeinde Lienzingen stellte ein Grundstück im Schneckenberg für das Verbrennen von Altstoffen wie Papier, Holz und anderes zur Verfügung. Geöffnet jeden Samstag von 14 bis 16 Uhr, bei einer Gebühr von zwei Mark, überwacht von Ernst Straub für drei Mark je Stunde.
Doch bald zeichneten sich neue Zeiten ab. Die Stadt Mühlacker lud auch die Vertreter der Umlandgemeinden ein, gemeinsam am 12. Oktober 1967 die Müllaufbereitungsanlagen und Kompostwerke in Baden-Baden und Sankt Georgen zu besichtigen. Alles aufgelockert durch einen Besuch im Schleuderbetonwerk Züblin in Kehl. Der Bürgermeister von Lienzingen empfahl Teilnahme. Just Allmendinger war es, der am 21. November 1969 sagte, bei den Müllgruben als den bisherigen Behelfslösungen, die bald versiegen würden, sei nun eine geordnete Deponie anzustreben, die allen gesetzlichen Erfordernissen entsprechen müsse. Am zweckmäßigsten sei es, sich mit anderen Gemeinden an dem in Aussicht stehenden Mülldepot in Zaisersweiher zu beteiligen. Mit oder ohne Depot – die Müllgebühren würden auf jeden Fall steigen. Er schlug vor, den Beitritt zu einer kommunalen Müllverwertung unter gewissen Bedingungen ins Auge zu fassen. Wie steht es im Protokoll der Ratssitzung? Doch zu einer solchen Regelung zeigt der Gemeinderat keine Neigung. Allgemein befürchtet man zu hohen Betriebskosten, die den einzelnen Haushalt zu sehr belasten würden (STAM, Li B 327, S. 173 f, 184, 185, 299 f).
Hygienische, wasserwlrtschaftliche und landschaftliche Anforderungen
Die geordnete Müllbeseitigung bereite erhebliche Schwierigkeiten und Kosten. Die Regionale Planungsgemeinschaft Württemberg-Mitte, der der Landkrels und fast alle Gemeinden angehörten, gab eine Untersuchung über geeignete Ablagerungsmöglichkeiten in Auftrag. Auf der Grundlage dieser Untersuchung sollten Müllplätze eingerichtet werden, die den hygienischen, wasserwirtschaftlichen und landschaftlichen Anforderungen entsprechen und von möglichst vielen Gemeinden gemeinsam betrieben werden sollten. Der Hinweis findet sich in Heft 42 der Reihe über die Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs, das den Kreis Vaihingen nahebrachte (herausgegeben vom Innenministerium und Wirtschaftsministerium wohl Ende der 1960er Jahre, bearbeitet vom Statistischen Landesamt, S. 25).
Richard Allmendinger erkannte die Zeichen der Zeit, sein Gemeinderat brauchte meist etwas länger. So berichtete der Schultes in der Sitzung am 24. Juli 1970 über die Verhandlungen zur Bildung des Zweckverbandes zentrale Mülldeponie. Untersucht würden zwei Standorte im Landkreis Vaihingen: Horrheim (Fassungsvermögen 7,5 Millionen Kubikmeter) und Zaisersweiher 875.000 (Kubikmeter). Eine aus mehreren Bürgermeistern gebildete Kommission verhandle nun mit diesen beiden Gemeinden. Mit der Inbetriebnahme der zentralen Deponie würden sämtliche Müllplätze in den Kommunen aufgelöst. Der Preis: Höchstwahrscheinlich Gebühren von 12 bis 13 Mark je Person und Jahr.
Dem Nein von 1969 folgte nun 1971 ein entschiedenes Ja
Als es am 5. Februar 1971 zum Schwur kam, wurde deutlich, dass die Bürgervertreter ihre Position gründlich revidiert hatten. Dem Nein von 1969 folgte nun ein entschiedenes Ja. Das nun einmal notwendige Übel dürfe nicht an der Kostenfrage scheitern, da man froh sein müsse, dass sich die Müllverwertung nun in einer günstigeren Weise lösen lasse. Das zielte auf Ratsmitglied Metzger, der die vom Zweckverband verlangten sechs Mark pro Einwohner Investitionszuschuss (insgesamt 800.000 Mark) als zu hoch kritisierte. Für die regelmäßige Abfuhr und Entsorgung waren 11 bis 12 Mark je Einwohner und Jahr fällig. Lienzingen trat dem Zweckverband bei, akzeptierte alle Konditionen, verlangte gleichzeitig, die Maulbronner Deponie auf Markung Schmie zu verbieten. Der Zweckverband stieg zunächst in den Vertrag mit Hornickel ein. Ratsam sei es aber, sich mit dem Unternehmen auf eine Auflösung der Vereinbarung auf 31. Dezember 1971 zu verständigen (STAM, Lie B 328, S. 75 f).
Tauziehen um den Sitz des Zweckverbandes
Doch ohne kreispolitischen Zoff lief die Bildung des kommunalen Abfall-Bundes nicht ab, zumal in diese Zeit auch die im Landkreis Vaihingen höchst strittige Kreisreform fiel: Wenn der Verbandssitz der zentralen Mülldeponie die Zentralität einer Stadt bestimmt, ist es um ihre Zentralität schlecht bestellt. Diese klare Aussage von Mühlackers Bürgermeister Gerhard Knapp zielte auf die Stadt Vaihingen, die den Beitritt zum geplanten Zweckverband Müllbeseitigung Mittlere Enz vertagt hatte. Besonders verärgert zeigten sich die Vaihinger darüber, dass der Sitz des Verbands in Mühlacker sein soll. Bürgermeister Knapp, der eigenen Aussagen zufolge, mit Landrat Fuchslocher langwierige Vorverhandlungen in dieser Sache geführt hatte, war Vorsitzender des die Gründung vorbereitenden Ausschusses. Andere Kreisgemeinden verweigerten den Beitritt zu dem Zweckverband mit der Begründung, die eigenen Müllplätze seien ausreichend.
Aus hygienischen und wasserwirtschaftlichen Gründen und im Interesse eines geordneten Landschafts- und Umweltschutzes hielt es Knapp für eine Pflicht, den Wohlstandsmüll in geordneter Weise so zu beseitigen, dass Gefährdungen der Quellen und Gewässer, aber auch belästigende Begleiterscheinungen vermieden werden. Das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt Besigheim unterstützen dieses Bestreben, selbst wenn dies eine gewisse Subventionierung aus Steuermitteln erfordert.
Die Verbandsgemeinden sollten eine Umlage von fünf bis sechs Mark je Mülleimer bezahlen, der Rest durch Darlehen aufgebracht werden – zu tilgen über die Einnahmen aus den Abfallgebühren. Bürgermeister Knapp trat der mancherorts laut gewordenen Behauptung entgegen, die Gemeinden müssten je Einwohner und Eimer zwei Mark bezahlen. Die Gesamtkosten der Müllabfuhr würden einschließlich Sperrmüllabfuhr nach den seinerzeit vorliegenden Berechnungen des Wasserwirtschaftsamts 58 Pfennig je Eimer betragen, das hätte zehn Mark im Jahr je Einwohner bedeutet. Dabei handle es sich um eine zunächst festgelegte Pauschalregel, gedacht werde aber an eine soziale Staffelung in der Weise, dass Familien umso weniger zu zahlen hätten, je größer sie sind, wird Knapp zitiert.
Für die Deponiegemeinde - entweder Zaisersweiher oder Horrheim – war die Sache recht lukrativ. Sie sollten eine Entschädigung einer Mark je Kubikmeter verdichtetem Müll kassieren dürfen. Sowohl Horrheim als auch Zaisersweiher verlangten bei Betriebsaufnahme eine erste Ratenzahlung in Höhe von 200.000 Mark.
Gemeinde Lienzingen der Stadt Mühlacker voraus
In der Sitzung des Mühlacker Gemeinderates Anfang März 1971 ging Stadtrat Karl Maneval (CDU) weit schärfer als Bürgermeister Knapp mit der Stadt Vaihingen ins Gericht. Er fand es schockierend, dass eine Lebensfrage für alle Beteiligten zu einer Prestigefrage gemacht werde und unterstellte Vaihingen die Denke, Mühlacker beanspruche zu Unrecht den Verbandssitz. Stadtrat Jörg Sattler (SPD) glaubte Absagen verschiedener Gemeinden nur damit erklären zu können, dass das zentrale Müllproblem noch nicht erkannt worden sei. Sein Fraktionskollege Karl Hoch bezog sich auf die Feststellung des Landratsamts, die meisten der Müllplätze im Landkreis entsprächen nicht mehr den Bestimmungen und meinte, das Landratsamt müsste in diesen Fällen unmissverständlich auf Abhilfe drängen.
Der Mühlacker Gemeinderat in seiner Gesamtheit sprach sich für eine geordnete und zentrale Mülldeponie aus. Die SPD-Stadträte Burkhardt und Hoch befürchteten nur, dass der Zweckverband infolge der Absagen nicht zustande kommen könnte und wenn doch, dass die Kostenberechnung des Wasserwirtschaftsamts, der 70.000 Einwohner zugrunde gelegt seien, nicht mehr stimmen. Bis dato hatten Gemeinden mit zusammen etwa 33.000 Einwohnern ihren Beitritt zum Zweckverband erklärt, die Grenze der Wirtschaftlichkeit wurde bei 50.000 Einwohnern gesehen. Der Gemeinderat von Mühlacker beschloss einstimmig den Beitritt zu diesem Zweckverband - einen Monat später als die Lienzinger Räte. War bei Letzteren der Leidensdruck inzwischen zu groß geworden? (aus: Stuttgarter Zeitung, Ausgabe Nr. 53 vom 5. März 1971, S. 30).
Dieser Zweckverband Müllbeseitigung im mittleren Enztal war vom Regierungspräsidium Karlsruhe nur zum Zwecke der Abfuhr von Müll genehmigt worden. Laut Abfallgesetz vom Dezember 1971 fiel das Einsammeln der Abfälle und der Transport zur Deponie in die Zuständigkeit der Gemeinden, die weitere Beseitigung in die der Landkreise. Der Zweckverband übernahm am 1. Januar 1972 den Deponiebetrieb in Zaisersweiher. Genutzt wurde eine Fläche am Hamberg bei Zaisersweiher (seit 1975 Stadtteil von Maulbronn), auf der die Baustoffwerke Mühlacker Ton für die Ziegelherstellung abgebaut hatten. Von 1972 bis 1996 diente die umgebaute Grube als Deponie für Haus-, Gewerbe- und Sperrmüll und bis Mai 2005 hauptsächlich als Umschlagsanlage und Wertstoffhof. Das Areal ist 18 Hektar groß. Das bestehende Gesetz änderte sich: Seit 31. Mai 2005 darf auf Deponien kein unbehandelter Abfall mehr eingebaut werden.
Nachdem sich abzeichnete, dass das Land das Einsammeln, Befördern und Deponieren von Hausmüll bei den Stadt- und Landkreisen konzentrieren wollte, löste sich der Zweckverband zum 1. Januar 1974 auf. Sein Vorsitzender, der Mühlacker Oberbürgermeister Gerhard Knapp, und Landrat Dr. Heinz Reichert unterschrieben die Vereinbarung: Der Enzkreis übernahm, stieg in alle Verträge ein, die der Zweckverband abgeschlossen hatte. Zum Betriebsübergang gehörte die Zählung der Mülleimer im zweiten Halbjahr 1973, die die Arbeitsgemeinschaft Pfitzenmeier & Rau/Sülzle vornahm – für diese hatte sich der Zweckverband als Einsammler und Transporteur des Mülls zur Deponie entschieden. Seitdem verteidigte Pfitzenmeier & Rau diesen lukrativen Auftrag, auch wenn die Firma inzwischen den Namen wechselte: Sita, Suez, jetzt PreZero.
Doch 1983 holte die Entsorgung von Müll den Ort wieder ein. Der inzwischen zuständige Enzkreis rechnete damit, dass die Kreisdeponie – auf der Rückseite der Lienzinger Weinberge – bis Ende 1993 verfüllt sein werde. 1984 begann die Suche nach einem neuen Standort. Dieser Suchlauf endete mit zwei Alternativen: Bärengrund bei Remchingen und Hochberg, ein Waldstück südwestlich von Lienzingen in einem Waldstück auf Markung Mühlacker – vom letzten Haus in Lienzingen 1,3 Kilometer entfernt. Für 180 Millionen Mark sollte dort bis 1998 eine neue Deponie mit einem Volumen von 3,4 Millionen Kubikmeter entstehen. Denn in der raumordnerischen Beurteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe für die Siedlungsabfalldeponie Enzkreis kam der Hochberg auf den ersten Platz (Kreistagsbeilage 40-1/1993, Enzkreis).
Bei der Kreistagssitzung am 22. März 1993 beantragte ich als Mühlacker Kreisrat zusammen mit meinen Fraktionskolleginnen Erika Gerlach und Erika Langner eine neue Bedarfsberechnung, nachdem die Müllmengen bereits jetzt geringer ausfallen als vormals geschätzt und sich diese Entwicklung, unter anderem durch mengenabhängige Gebühren, fortsetzen dürfte.
Heftiger Protest gegen neue Deponie am Hochberg
Jedenfalls erhob sich im Raum Mühlacker/Illingen ein heftiger Proteststurm gegen die Pläne. Kein Müll am Hochberg hieß die Forderung. Am 5. Juni 1993 demonstrierte ich das erste oder zweite Mal in meinem Leben. Wehren Sie sich jetzt: Es ist noch nicht zu spät! hieß es auf einem Flugblatt, mit dem für die Demonstration geworben wurde. Beginn: 11 Uhr am Rathaus, zuvor Demonstrationszug vom Busbahnhof durch die Bahnhofstraße.
Da hatte der Kreistag gegen die Stimmen der Abgeordneten des östlichen Enzkreises den weiteren Untersuchungen des Standorts Hochberg zugestimmt, das Planfeststellungsverfahren beim Regierungspräsidium Karlsruhe lief. Auf vorgefertigten Einspruchskarten ans RP brauchten nur noch das Datum eingesetzt und unterschrieben zu werden. Die Bürgerinitiative Kein Müll am Hochberg gründete im Oktober 1993 den Verein Schützt die Natur Deutschlands, vom Finanzamt Mühlacker als gemeinnützig anerkannt. Vorsitzender: Roland Straub, Lienzingen. Letztlich konnte die Deponie verhindert werden, weil der Enzkreis seinen Müll günstig in einer Verbrennungsanlage anliefern konnte und nicht einmal die Überreste wie Asche zurücknehmen musste. Gleichzeitig nutzte er noch vorhandene, wenn auch geringere Erweiterungsmöglichkeiten am Hamberg. Derzeit läuft das Genehmigungsverfahren für den sechsten Abschnitt.
Zu schade für die Grube
Erste gesetzliche Grundlagen für die Abfallentsorgung in Deutschland wurden Anfang des 19. Jahrhunderts in einzelnen Landesteilen entwickelt. Doch die erste bundeseinheitliche Regelung besteht erst seit 1972: der Erlass des Abfallbeseitigungsgesetzes. Inzwischen sind Stadtkreise und Landkreise verpflichtet, Abfälle aus privaten Haushalten anzunehmen und zu entsorgen. Gleiches gilt für haushaltsähnliche Abfälle aus Betrieben. Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger! Es geht um Abfallwirtschaft, Abfallvermeidung, Kreislaufwirtschaft, Stoffströme und Wiederverwendung. Abfälle gelten als wertvolle Rohstoffe. Allein schon aus diesem Grunde zu schade für die Grube.
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