Vorreiter-Rolle des Enzkreises dank couragierter Christdemokratin und anderes für die Schlagzeile
Querbeet: Kreispolitisches in einer Woche. Oder: Als Kreisrat auf Tour. Das gibt Antworten auf die Frage nach den Aufgaben eines Landkreises. Sie sind vielfältig, wie diese Beispiele aus fünf Tagen zeigen. Mit vertiefenden Einblicken für jene, die mehr wollen.
Los geht die Themenreise in Neuhausen.
Der Enzkreis war – und das denkt wohl den wenigsten – vor 35 Jahren der allererste Landkreis in Baden-Württemberg, der das Thema Gleichstellung institutionell und personell verankert und ihm damit eine echte Bedeutung zugemessen hat, so Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau bei 35 Jahre Gleichstellungsstelle. Doch die Initiative kam nicht von der Kreisverwaltung, sondern ist ein Lehrstück, was auch ein Mitglied des Kreistags mit Hartnäckigkeit und Überzeugungsarbeit erreichen kann. Wir sind stolz, dass seinerzeit der Antrag für die Schaffung von der Birkenfelder Kreisrätin Margarete Schäfer und damit aus unserer CDU-Fraktion kam.
Der Kreistag hatte auf ihren Antrag 1986 in seiner Dezembersitzung eine „Frauenleitstelle für Rat suchende Frau und Mädchen“ beschlossen und dem Enzkreis damit ein schönes Weihnachtsgeschenk gemacht. Dass manche Männer im Kreistag den Posten für überflüssig hielten, auch mal feixten, lachten, den Antrag nicht ernst nahmen und ironisch analog einen Männerbeauftragten forderten, gehört auch zu dieser Geschichte. Doch das legte sich über die Jahre.
Dass es eine Initiative aus der bei manchen als konservativ verschrienen Union war, passt sicherlich ganz und gar nicht ins politische Weltbild mancher. Und bei der Jubiläumsfeier fiel nur einmal der Name, ohne Hinweis auf die CDU-Zugehörigkeit, aber mit dem Zusatz, von der Frauenunion. Nachsicht für die Spätgeborenen.
In der Öffentlichkeit heiß diskutiert werde das Thema, sagte Landrat Heinz Reichert. Natürlich gab es seinerzeit auch zunächst kontroverse Diskussionen in unserer Fraktion, der ich seit 1979 angehöre, doch Margarete Schäfer gelang es, den damaligen Fraktionsvorsitzenden Winfried Scheuermann aus Illingen als Unterstützer zu gewinnen. Sie ließ nicht nach und schwor schließlich ihre CDU als damals stärkste Fraktion im Kreistag auf ihren Kurs ein. Sie sei, sagte sie später in einem Gespräch mit Christel Rieke einer der Autorinnen des Bändchens über Kreisrätinnen von 1974 bis 2002, dem Landrat sicherlich manchmal auf die Nerven gegangen. Nun ja, das gehört zum Mandat. Widerspruch statt Kuschelkurs.
Die examinierte Auslandskorrespondentin, 27 Jahre lang die Leiterin der gesamten Korrespondenz eines Pforzheimer Traditionsunternehmens der Schmuckbranche, gehörte von 1971 bis 1998 dem Gemeinderat von Birkenfeld, von 1984 bis 1994 dem Kreistag an. Sie war die erste Frau im Birkenfelder Gemeinderat, in den letzten Jahren auch zweite Vize-Bürgermeisterin. Eine Frau mit Herz, lobte Bürgermeister Rainer Hermann bei der Verabschiedung 1998 aus dem Ortsparlament, nachdem Margarete Schäfer (Jahrgang 1925) nicht mehr kandidiert hatte.
Eine Vorreiter-Rolle des Enzkreises dank einer couragierten Christdemokratin. Wer hätte es gedacht! Diese Stelle der Frauenbeauftragten, zunächst mit zehn Wochenstunden, übernahm Astrid von Sichart. Sie war dem damaligen Landrat Dr. Reichert direkt zugeordnet – allerdings ohne Weisungsbefugnis. So blieb es, nur dass seitdem dreimal die Landräte wechselten. Der Kreistag definierte ihre Aufgaben per Beschluss von 1986. Sie sollte sich einsetzen, Benachteiligungen von Frauen und Mädchen abzubauen, das Bewusstsein für Gleichberechtigung und Partnerschaft von Frauen und Männern zu fördern, für Fraueninteressen und Frauenanliegen bei kommunalen Aufgaben einzutreten, durch Vorschläge und Maßnahmen die Gleichberechtigung der Frau in Arbeitswelt, Familie und öffentlichem Leben voranzubringen.
Die erste Frauenbeauftragte blieb mit 35 Stunden gleichzeitig pädagogische Fachkraft in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Mühlacker, sie stockte für die Nebenfunktion um zehn Stunden auf, legte Wert auf eine auch räumliche Trennung der beiden Funktionen, verlangte für ihre Öffentlichkeitsarbeit einen Etat von 5000 DM. Bei der Wahl der Diplompädagogin im Februar 1987 gab es nur zwei Gegenstimmen. In der Vorberatung im Oktober 1986 äußerte sich SPD-Fraktionsvorsitzender Weissinger kritisch über die Neuschaffung eine Frauenbeauftragten-Stelle. Der Ausschuss vertagte das Thema, verzichtete auf ein Vor-Votum und ließ dem Kreistag den Vortritt in dessen Dezember-Sitzung 1986. Von Sichardt trat ihre zusätzliche Funktion am 1. Januar 1987 an - zehn Monate nach ihrer Wahl.
Im Jahr 1992 übernahm dann Martina Klöpfer das Amt, der Beschäftigungsumfang stieg zunächst auf 35 Wochenstunden. Sie blieb 28 Jahre lang. Seitdem ist Kinga Golomb das, was jetzt Gleichstellungsbeauftragte heißt.
Die Bilanz 35 Jahre später: Von 58 Kreistagsmitgliedern sind nur 7 Frauen. Erstmals 2019 schaffte keine der Frauen auf den Kreistagslisten der CDU – knapp ein Drittel – ein Mandat. Eine Schlappe, die wir 2024 auswetzen müssen.
Mehr zu 35 Jahren Gleichstellungsarbeit im Enzkreis, gefeiert in der Theaterschachtel in Neuhausen, hier.
Energieautark – eine gute Sache
Das passt in die Zeit der explodierenden Energiepreise, ist eine Art Gegenstrategie: eine Kreiseinrichtung soll energieautark werden - der im Tagesgeschäft benötigte Strom wird künftig vor Ort erzeugt. Und was nicht direkt verbraucht wird, fließt in einen 300-kWh-Speicher. Herzstück des Konzepts für den Ganzjahresstützpunkt der Enzkreis-Straßenmeisterei in Maulbronn. Und passend zum symbolischen Spatenstich zeigte sich ein Regenbogen am Horizont: Es war der Start der Bauarbeiten für die umfassende Sanierung
Rund 9000 Quadratmeter groß das Grundstück, geplant sind zahlreiche Neubauten: Fahrzeughalle im Norden des Geländes, Waschhalle, offene Halle mit Rampe. Dazu eine große Rangierfläche, neue überdachte Lagerflächen für technische Geräte, eine „Schilder-Halle“. Mit der Verwaltungsreform 2005 hatte der Enzkreis mit der neuen Aufgabe des Straßenbetriebsdienstes auch die Gehöfte der beiden Straßenmeistereien in Pforzheim auf der Wilferdinger Höhe und im Talweg in Maulbronn übernommen.
Insgesamt soll laut Landrat ein Gebäudekomplex mit einer Nettoraumfläche von etwa 2.000 Quadratmetern entstehen, der nicht nur den Erfordernissen eines optimierten und sicheren Betriebsablaufs Rechnung trägt, sondern auch den Ansprüchen an einen nachhaltigen Betrieb.
Mit seiner Grundsatzentscheidung Anfang 2019 und mit dem Baubeschluss im Frühjahr 2021 ebnete der Kreistag den Weg für das ambitionierte Projekt. 9,33 Millionen sind für die umfassende Modernisierung veranschlagt, die bis Anfang 2025 abgeschlossen sein soll. Ein stolzer Preis zwar, aber inclusive innovativem Energiekonzept.
Mehr dazu hier zum Spatenstich.
Gäste statt Patienten
Ein für die Region einmaliges Hospitality-Konzept präsentierten die Enzkreis-Kliniken gGmbH in ihrem Krankenhaus Neuenbürg. Das hat auch einen positiven Effekt auf den Heilungsprozess, ist Professor Dr.med. Stefan Sell, Chef des Gelenkzentrums Nordschwarzwald, überzeugt. Alle Patienten profitieren, egal bei welcher Krankenkasse sie versichert sind. Das Credo: Die Patienten werden nicht mehr als „Patienten“ empfangen, sondern als „Gäste“ begrüßt. Hinter diesem scheinbar kleinen Unterschied versteckt sich, wie es in der Vorstellung und einem Rundgang hieß, ein umfassendes, ganzheitliches „Hospitality-Konzept“. Die bisherige erstklassige medizinische und pflegerische Versorgung wird um eine Aufenthalts- und Servicequalität eines 4-Sterne-Hotels ergänzt, die modernen Leistungen eines Gesundheitsversorgers werden mit den Prinzipien und Innovationen aus der Hotellerie verschmolzen.
Geistiger Vater dieses Konzepts ist David-Ruben Thies, Geschäftsführer der Waldkliniken Eisenberg. Dort hat er seine Vision von einem neuen Krankenhaus mit Eröffnung des Neubaus im Jahr 2020 verwirklicht. Machen wir’s Thies nach, sagte sich die Regionale Kliniken-Holding (RKH, Sitz Ludwigsburg), unter deren Dach auch sich die Enzkreis-Kliniken befinden, wirtschaftlich eigenständig.
Einzelne Mitarbeiter eines größeren multiprofessionellen Teams kümmern sich persönlich um das Wohl „ihrer Gäste“ von der Aufnahme bis zur Entlassung. Im Krankenhaus Neuenbürg werden die Gäste durch ein kleines Team von sechs bis sieben Mitarbeiterinnen betreut, so dass ein persönliches Vertrauen aufgebaut wird. Eine spannende Sache.
Marafiki wa Masasi
Kennengelernt haben sie sich im Frühjahr 2011, dieser Tage nun machen sie es formell: Der Enzkreis und das tansanische Masasi schlossen eine kommunale Partnerschaft. Die Entscheidung dazu fiel im Kreistag einmütig bereits 2020; Corona-bedingt war eine persönliche Begegnung aber immer wieder verschoben worden.
Jetzt besuchten sechs Gäste aus Masasi - im Anschluss an eine deutsch-afrikanische Partnerschaftskonferenz in Dresden – den Landkreis. Diese Gelegenheit wurde zur Unterzeichnung der im Sinne der Agenda 2030 formulierten Partnerschaftsurkunde genutzt. Im Großen Sitzungssaal des Landratsamtes setzten Landrat Bastian Rosenau und die Vertreter von Masasi Stadt und Distrikt im Beisein von Mitgliedern des Kreistags und des Partnerschaftsvereins Marafiki wa Masasi ihre Unterschriften unter die Urkunden, in denen sich beide Seiten für eine noch engere Zusammenarbeit aussprechen.
Hierzu auch Vertiefendes hier.
Ach ja, auch der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss des Kreistags tagte. Schmale Kost: Die ersten Daten für den Haushalt 2023. Nichtöffentlich. So viel sei verraten: Der Finanzdezernent spricht von einer Etatlücke biblischen Ausmaßes, obwohl die Steuerkraft 2021 um fünf Prozent stieg (landesweit nur um ein Prozent). Auch im Terminkalender und dabei. Beim Vorstandswechsel bei der Sparkasse Pforzheim Calw, Träger eines Zweckverbandes der Stadt Pforzheim und der Kreise Enz und Calw.
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