Bach ins Kastenprofil gezwängt mit Steilwänden aus Holzbohlen - Schmie-Konzeption 2004/2005 noch ohne Folgen
Fast 20 Jahre und kein Stückchen weiter! Wie sich die Geschichte des Gewässerkonzeptes Schmie zum Rohrkrepierer auswächst. Und auf die ewige gleichen Fragen die ewig gleichen Antworten aus dem Rathaus kommen – die nicht mal einen Hauch von Verlegenheit auslösen. Neuen Zeitplan aufgemacht, um das Bild zu beschönigen?
Und so begann die Geschichte:
Die Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Bereich Freudenstadt, beauftragte 2001 ein Gewässerentwicklungskonzept für die gesamte zwölf Kilometer lange Schmie - vom Maulbronner Stadtteil Schmie bis zur Einmündung in die Enz bei Vaihingen. Das Einzugsgebiet wird mit 32,5 Quadratkilometer angegeben. Davon betroffen sind die Gemeinden/Stadtteile Schmie, Lienzingen, Illingen und Vaihingen/Enz.
Vor fast zwei Jahrzehnten (2004/2005) erfolgte die Präsentation der fertigen Arbeit: Zuerst am 7. Dezember 2004 im Gemeinderat Mühlacker, dann vorgestellt Ende Juni 2005 beim Gang entlang eines Abschnitts des Schmiebach in der Ortslage von Lienzingen, anschließend gemeinsame öffentliche Veranstaltung von Enzkreis und Stadt Mühlacker im kleinen Saal der Gemeindehalle Lienzingen mit gut 40 Bürgerinnen und Bürgern. In der Diskussion überwog zuerst die Skepsis, doch dann wuchs die Einsicht in die Notwendigkeit der Renaturierung. Reaktion? Behördliches Handeln ist bei null.
Erstes vorsichtiges Nachfragen drei Jahre nach der Zustimmung des Gemeinderates. Meine Anfragen über die Umsetzung des Konzepts füllen die Ordner. Mehr oder minder regelmäßig immer Neue bis 2022. Beispiel: Im Juli 2008 antwortete mir die Stadtverwaltung: Letztlich blieb es bei Ankündigungen. Wir haben das Thema kürzlich erst wieder intern aus seinem Dornröschenschlaf geweckt, in den es in der Tat gefallen war. Dies allerdings nicht, weil uns das Projekt nicht wichtig wäre, sondern weil die Personalkapazitäten eine Bearbeitung nicht zugelassen haben. Wir haben bereits besprochen, auf die Eigentümer in der nächsten Zeit nochmals zuzugehen und uns - soweit möglich - um einen Erwerb zu bemühen.
Auf meine erneute Gemeinderatsanfrage: unter anderem Mai 2013 (S-13-047-60) – wenig Neues aus dem Rathaus, Juni 2013 Hochwasser im Bereich Feldscheuer Bonnet/Brücke/Firma Geissel – Folge: neuer Untersuchungsauftrag. Erneute Anfragen zu Renaturierung und Flächenerwerb im Oktober 2014 (S 14-101-23/66), A 17-29-66 S 14-101-23/66.
Immer dieselbe Frage: Fortschritte bei der Umsetzung der Konzeption? Ausbeute: mäßig.
Dieses Jahr erneut ein CDU-Antrag im Gemeinderat, der daraufhin beschließt: Der Gemeinderat stimmt dem Antrag zu und beauftragt die Verwaltung die Hinweise des Antrages aufzugreifen und nach Möglichkeit und Bedarf in die weiteren Arbeitsschritte gemäß SV 119/2020 einfließen zu lassen. (Gemeinderatssitzung April 2022). Ich verwies in der Sitzung darauf, dass bei starkem Regen die Schmie schnell über die Ufer tritt, diesmal habe sie voll zugeschlagen. Die Ursachen sind schon in der Konzeption 2004/2005 beklagt worden: Der Bach fließt im Korsett. Geöffnet hat es aber niemand.
Seit einigen Jahren antwortet die Stadtverwaltung Mühlacker auf meine Kritik, von der Konzeption sei nichts umgesetzt worden, mit dem Hinweis auf die Hochwasserkonzeption für Lienzingen, beschlossen am 16. November 2020. Die Stadt, so die Rede, sei hier erst seit wenigen Jahren unterwegs, eine Verzögerung liege also nicht vor. Tatsächlich flossen ökologisch wertvolle Teile des Gewässerentwicklungskonzepts Schmie von 2004/2005 in die Hochwasserkonzeption von 2020 ein (Umsetzung 2024 bis 2027.
Dass schon ein Auftrag des Gemeinderates Mühlacker aus der Gewässerentwicklungskonzeption 2004/2005 vorlag, wird kurzerhand ausgeblendet, um die Versäumnisse der Stadt als zuständig für das Gewässer der Stufe 1 zu kaschieren. Der Auftrag von 2004/2005 wird einfach nicht zur Kenntnis genommen, operiert wird mit dem Jahr 2020 - die versäumte Zeit ist dann deutlich kürzer.
Denn seit 2004 liegen mit der Gewässerkonzeption sowohl Bestandserhebung, -bewertung als auch Maßnahmenkonzept für die zwölf Gewässerabschnitte vor. Die schlechtesten Noten gab es im Konzept für die Schmie in der Ortslage (Abschnitt 3).
Wichtig für Lienzingen:
Abschnitt 1:
ab einem Teich oberhalb von Schmie bis zum Ende der Fischteiche mit dem Ende des alten Gehölzbestandes,
Gesamtbewertung/Zustandsklasse 1 (1,2).
Insgesamt sechs Punkte stehen im Katalog der vorgeschlagenen Maßnahmen (S. 16)
Abschnitt 2:
Vom Ende des alten Gehölzbestandes unterhalb der Fischteiche bis zur Schelmenwaldstraße (erste Straßenbrücke),
Gesamtbewertung/Zustandsklasse 2 (2,0)
Insgesamt werden sechs Maßnahmen vorgeschlagen (S. 18)
Abschnitt 3:
Von der Schelmenwaldstraße (erste Straßenbrücke) bis zur Einmündung des Scherbentalbaches,
Gesamtbewertung/Zustandsklasse 3 (2,8).
Fünf Maßnahmen zur Verbesserung der Fließqualität der Schmie. (S. 20).
Zum Zustand/Problem des Bachs auf Seite 19 des Konzepts - eine Beschreibung, die zuletzt bei der Gewässerschau im Frühjahr 2022 so hätte im Protokoll verzeichnet werden können (wenn es bis dato hätte fertiggestellt werden können).
Nichts hat sich geändert.
Der Schmie steht in diesem Gewässerabschnitt nur sehr wenig Raum zur Verfügung. Zunächst schließen sich auf Höhe des Fabrikgeländes der südlichen Böschungsoberkante unmittelbar Parkplätze an. Dem nördlichen Ufer grenzt ein Lagerplatz u.a. für landwirtschaftliche Maschinen und Holz an.
Das Gewässer weist zwar nur auf kurzen Strecken Sohlbefestigungen auf, die Ufer wurden jedoch häufig durch die Anlieger mit unterschiedlichen Sicherungsformen verbaut. Mittels Stangen und Holzbrettern wurde versucht das Ufer zu befestigen. Die Böschungen werden auf kurzen Abschnitten von Gehölzen eingenommen. Neben vielen standortfremden Arten, stocken hier aber auch standortgerechte, deren Wurzelwerk die Uferböschungen stabilisieren und zur Strukturvielfalt im Gewässer beitragen.
Innerhalb der Gartenanlage wurde massiv ins Gewässer eingegriffen. Der Bach wurde in ein Kastenprofil gezwängt, dessen Steilwände aus Holzbohlen bestehen. Die ursprünglich geneigten Böschungen wurden aufgefüllt. Dadurch wurde Land für einen Weg zwischen Gewässer und Gärten gewonnen. Nur noch vor einzelnen Gartenparzellen ist das ursprüngliche Regelprofil, welches stark angegriffen ist, noch zu erkennen. Die Gartengrundstücke sind durch zahlreiche Brücken miteinander verbunden (aus: Gewässerkonzeption, S. 19).
Abschnitt 4:
Von der Einmündung des Scherbentalbaches bis Ortsende auf Höhe der Sportanlagen:
Gesamtbewertung/Zustandsklasse: 1-2 (1,3)
Drei Maßnahmen zu Verbesserung der Situation (S. 22)
Die Schmie ist hier ein weitgehend naturnahes Gewässer mit einem überwiegend standortgerechten Gehölzbestand, dessen Wurzelwerk die Ufer sichern und zur Strukturvielfalt der Böschung und der Gewässersohle beitragen. Die vorhandene, natürliche Dynamik des Gewässers ist an Uferabbrüchen zu erkennen, die vor allem im Bereich des direkt angrenzenden Weges am Neubaugebiet häufiger auftreten und hier zum Problem werden. Ufer und Sohle sind weitgehend unverbaut. Das Sohlsubstrat ist ortstypisch und abwechslungsreich und spiegelt das Fließverhalten des Gewässers wider.
Dieser Abschnitt der Schmie ist nach §-24a NatSchG geschützt.
Dieses Zitatstück vor dem Hintergrund, dass die Stadt Pläne zum Bau von barrierefreien Wohnungen hat und diese beim städtischen Kindergarten Lienzingen verwirklichen will. Angeblich geht dies aber alles.
Hat sich Entscheidendes verbessert? Wohl nicht! Die Liste der für notwendig gehaltenen Maßnahmen ist lang, nicht ganz unumstritten und - vor allem so dick wie 2002. Aufgaben erledigt? Kaum! Angelika Gross vom Landratsamt Enzkreis sagt, manches in der Konzeption müsse seitdem angepasst werden, zumal sich auch die Gesetze verschärft haben. Seit der Neufassung des Wassergesetzes von Baden-Württemberg 1996 gab es strengere Anforderungen wie die Erhaltung- und Wiederherstellung. Der Gesetzgeber verschaffte den Kommunen Instrumente zum Handeln, doch zumindest Mühlackers Verwaltung nutzt sie kaum.
Kein Personal? Weshalb heuern wir als Stadt zum Beispiel nicht einen pensionierten Beamten oder eine pausierende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes an, die diese überschaubare, aber etwas zähe Aufgabe erledigen - auf, dass die Schmie gerade in der Ortslage von Lienzingen (wieder?) ein breites Bett erhält, auf dass sie sich bei starkem Regen ausdehnen kann, ohne dass die Anwohner bei jedem starken Regen ängstlich aufs Bachbett schauen müssen, die Aufbauten in Gefahr sehen.
Allerdings: Auch die Angrenzer können sich nicht nur auf die Zuschauerrolle beschränken. Renaturierung braucht Fläche, Renaturierung gibt der Schmie Raum, Renaturierung reduziert die Gefahr von Hochwasser. Wer die Abgabe eines Flächenstreifens verweigert und gleichzeitig Maßnahmen gegen die Überflutung fordert, handelt inkonsequent.
Starkregen und Hochwasser – der Klimawandel verschärft diese Gefahren. Diskutieren und vertagen zählt nicht. Die Menschen im Ahrtal, Euskirchen, in Bad Münstereifel zum Beispiel fragen sich ein Jahr nach der Hochwasserkatastrophe: Warum?! Keine staatliche oder kommunale Stelle übernimmt Verantwortung.
Euskirchen, 14. Juli 2022:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Jahrestag der Flutkatastrophen am 14. Juli in Euskirchen: Ich kann mir auch vorstellen, dass Sie eine Frage immer noch quält: Wie war das möglich? Wie konnte das passieren? (…) Eine Antwort auf diese Fragen müssen Sie hier in Euskirchen und den benachbarten Landkreisen jetzt ganz konkret beim Wiederaufbau finden. Aber wir müssen auch als ganzes Land eine Antwort darauf finden, was zu tun ist – und das möglichst rasch.
Aber besserer Schutz und bessere Vorsorge, das wird nicht ausreichen. Wir wissen: Die Folgen des Klimawandels haben uns in Europa und hier in Deutschland längst erreicht. Auch in diesem Sommer sehen wir dramatische Bilder (Steinmeier).
Fast zwei Jahrzehnte nach der Schmie-Konzeption: In einer erneuten Anfrage will ich von der Stadtverwaltung wissen, welche der Maßnahmen auf den Seiten 16, 18, 20 und 22 des Gewässerentwicklungskonzepts umgesetzt worden sind?
Eigentlich weiß ich die Antwort schon jetzt: nichts!
Dabei treibt es die Menschen um, nicht nur an der Schmie, sondern auch am Scherbentalbach, die immer häufiger zu beklagenden steigenden Wasserstände nach starkem Regen. Kann der Münch-See als Rückhaltebecken genutzt werden? Eine Frage, die Lienzinger sich zunehmend stellen.
Zum Herunterladen: schmieErlaeuterungsbericht.pdf
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