Wir sehen nur, dass wir nichts sehen

Komödie? Tragödie? Ein Drama gar?  Die semantische Bewertungen der Betrachters fallen möglicherweise unterschiedlich aus.  Passend ist in diesem höcht ärgerlichen Fall die klare Erkenntnis: Der Gemeinderat kann beschließen was er will, im Rathaus sitzen die eigentlich Mächtigen, denn sie lassen Ratsbeschlüsse durchpurzeln, wie es ihnen passt. Und keiner greift ein. Das eben ist die Farce, gleichzeitig eine Verschiebung der in der Gemeindeordnung Baden-Württemberg klar aufgestellten Regeln der Kompetenzen der beiden Machtzentren: Des Gemeinderats als Hauptorgan der Stadt, des (Ober)Bürgermeisters als ihr weiteres Organ. 

Da ist diese fast unendliche Geschichte:

Einwohnerversammlung der Stadt Mühlacker im März 2019 in der Gemeindehalle. Themen auch Kindergarten-Bau und barrierefreies Wohnen. Stand auch fein säuberlich im Protokoll. War es das? (Foto: Günter Bächle, 2019)

In der Einwohnerversammlung am 21. März 2019 in der Turn- und Gemeindehalle Lienzingen gab es unter anderem die Themenschwerpunkte

Friedrich-Münch-Kindergarten – Mögliche Varianten Neubau

Wohnen im Alter.

Trotz Zustimmung in der Versammlung kam die Stadtverwaltung seit 2019 mit keinem dieser Punkte so entscheidend weiter, so dass in eine Umsetzung gegangen werden könnte. In den beiden Lienzinger Kindergärten ist es eng.

Mehrere Interessenten meldeten sich inzwischen wegen seniorengerechter Wohnungen - mehr als Hoffnung lässt sich derzet nicht anbieten.  Der erste CDU-Antrag zu dem Thema Barrierefreies Wohnen in den Stadtteilen lag im Juli 2017 im Rathaus vor, der Gemeinderata stimmte, doch der Beschluss versandete...

Die KiTa als Flaschenhals: Bevor sie nicht in realisiert ist, sind andere der vorgesehenen Projekte nicht umsetzbar. Mit dem Abbruch des Gebäudes Friedenstraße kam inzwischen eine weitere Variante in die Debatte.

Zur bisherigen Historie in puncto Kindertagesstätte:

Der Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderates von Mühlacker beauftragte am 28. März 2017 die Verwaltung, die Neubau- beziehungsweise Sanierungskosten des 1959 eingeweihten Friedrich-Münch-Kindergartens in Lienzingen gegenüberstellen zu lassen, worauf sich der Gemeinderat 2018 für einen Neubau entschied (Vorlage 260/2018).  Dafür genehmigte der Gemeinderat im Haushaltsplan 2019 insgesamt 1,8 Millionen Euro für den Neubau. Doch nichts geschah. Dabei hatte der Gemeinderat im Juli 2018 beschlossen: Die Verwaltung wird beauftragt, die Planung für den Neubau eines 2-gruppigen Kindergartens auf dem Grundstück Flst.Nr. 1300, zu erstellen, als Ersatzbau für den bestehenden, sanierungsbedürftigen Kindergarten Friedrich-Münch-Straße 29.

In der Sitzung war angesprochen worden, den Versuch zu unternehmen, zuerst Fläche hinter der Gemeindehalle zu erwerben. Dann hätte dort der neue Friedrich-Münch-Kindergarten errichtet werden können, der Betrieb im bisherigen hätte problemlos weiterlaufen können.  Ohne diese Möglichkeit hätte ein Provisorium geschaffen werden müssen, entweder Container oder die zeitweise Nutzung von Schulräumen. 

 

Zukunftswerkstatt im Frühjahr 2018 auch in Lienzingen: Seniorengerechte Wohnungen im Dorf - eine der an einem Samstag erarbeiteten Zukunftsprojekte. Wie ernst nimmt die Verwaltung die Ergebnisse solcher Bürgerschaftsforen?

Die Ausnahme, die als Grund für eine Verzögerung der KiTa-Planungen von uns akzeptiert und mitgetragen wird, ist dieser Grunderwerb. Zu unserer Zufriedenheit gelang es dem Amt 23, Grundstücks- und Gebäudemanagement, nach vielen (vergeblichen) Anläufen in der Vergangenheit, die Wiese sowie weitere Flächen hinter der Gemeindehalle („Ziegelwiesen“) zu erwerben. Das bot der Verwaltung die Möglichkeit, einen anderen Plan zu entwickeln, nämlich einen Neubau mit 6 Abteilungen auf diesem Areal.

Der genannte Beschluss des Gemeinderates aus der Vorlage 260/2018 wurde nie umgesetzt.

Am 23. Februar 2021 stimmte der Gemeinderat in Fortentwicklung des Beschlusses von 2018 der Planung für den Bau einer sechsgruppigen Kindertagesstätte in den Ziegelwiesen zu. Eine, wie sich im Nachhinein herausstellte, unnötige Hektik entwickelte sich bei den Gesprächen zwischen Kirchengemeinde und bürgerlicher Gemeinde über die Trägerschaft der Einrichtung, weil die Verwaltung den Eindruck erweckte, sie wolle in den nächsten Monaten mit den Bauarbeiten beginnen. In den Haushaltsplan 2021 nahm der Gemeinderat den Betrag von 300.000 Euro auf – sie verfielen so wie die 1,8 Millionen Euro aus 2019 ohne Inanspruchnahme.

Der Beschluss des Gemeinderats vom 23. Februar 2021 (Vorlage 238/2020) , gefasst mit 23 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen]: 

1. Die Teilfläche des Grundstücks beim Kindergarten Ringstraße in Größe von ca. 1.250 m² wird den interessierten Investoren, zum Bau einer Arztpraxis optional mit barrierefreien Wohnungen, zum Kauf angeboten. 

2. Die Verwaltung wird beauftragt, den Neubau eines 6-gruppigen Kindergartens vorzubereiten und dem Gemeinderat zeitnah die Realisierung (Investorenlösung oder Vergabeverfahren) zur Beschlussfassung vorzulegen.

3. Die Verwaltung wird beauftragt mit der evangelischen Kirchengemeinde Lienzingen in Verhandlungen zur Trägerschaft einzutreten.

Nach den Sommerferien 2021 fragte ich mündlich bei der Abteilung Hochbau des Amtes 23 (GGM) nach dem Stand der Planungen für den Bau der Kindertagesstätte in Lienzingen. Die überraschende Auskunft: Diese seien eingestellt worden aus Mangel an personeller Kapazitäten. Bis heute legte die Stadtverwaltung nicht offen, was in dieser Zeit offenbar wichtiger war. Die Verwaltung - oder das Amt 23 – setzten einen Beschluss des Hauptorgans Gemeinderat kurzerhand aus, ohne diesen zu fragen oder zu informieren.

Versetzt, ausgesetzt! 

In den Entwurf des Haushaltsplanes 2022 stellte die Verwaltung wieder 300.000 Euro ein. Auf meinen Hinweis in den Etatberatungen im Dezember 2021 auf die dringend notwendige Fortsetzung der Planung, sagte der Oberbürgermeister diese zu. Aber zuerst müsse das Regierungspräsidium den Etat genehmigen. Die Genehmigung liegt seit geraumer Zeit vor. Von einer Weiterführung der Planungen ist nichts bekannt.

Der Beschluss aus der  Vorlage 238/2020 wurde bisher nicht umgesetzt.

Nachdem durch die Neugestaltung des Vertrages über Kindergärten zwischen der Stadt und den Kirchengemeinden wirklich ein Fortschritt erreicht wurde, der auch der Lienzinger Kirchengemeinde im Verbund die Trägerschaft für eine KiTa mit sechs Gruppen erleichtert, ist der Stillstand bei der Planung umso bedauerlicher. Wir freuen uns jedenfalls, dass die Voraussetzungen für eine Trägerschaft durch die evangelische Kirchengemeinde Wirklichkeit werden kann, denn dafür haben wir uns als CDU-Fraktion von Anfang an eingesetzt und sind mit diesem Ergebnis zufrieden.

2018 entschied sich der Gemeinderat für Neubau statt Sanierung beim 1959 eingeweihten Friedrich-Münch-Kindergarten und stellte 2019 die notwendigen Haushaltsmittel bereit. Seitdem heißt es: Warten! Warten! Warten! Da entscheidet ein Amtsleiter, dass das Projekt zurückgestellt wird. Weder OB noch Baudezernent greifen ein, der Gemeinderat wird nicht einmal gefragt. Da kann einem schon mal der Kragen platzen. (Fotos: G. Bächle)

Was den Neubau betrifft, so sind immer einmal wieder Varianten zu hören wie zum Beispiel eine Investorensuche. Bisher gibt es dazu keine verlässlichen Aussagen der Verwaltung, keine Vorlagen und demnach auch keinen Beschlussantrag der Verwaltung. Insoweit ist unser Kenntnisstand auch nicht besser als der der Öffentlichkeit. 

Das Fazit: Beschlüsse des Gemeinderates sind von der Verwaltung bei diesem Punkt – wenn man dies freundlich meint – ausgesetzt, - wenn man es nicht so freundlich meint - missachtet worden. Was sollen wir künftig glauben?

Den aktuell geäußerten Wunsch der Evangelischen Kirchengemeinde Lienzingen nach Infos zu dem aktuellen Planungsstand und weiterem Vorgehen zu dem 6-gruppigen Kindergarten in Lienzingen unterstützt die Unionsfraktion nachdrücklich.  Ausgesprochen dankbar für den schriftlich geäußerten Wunsch der Kirchengemeinde an den Oberbürgermeister unserer Stadt sind wir, die Mitglieder der CDU-Fraktion.  Vielleicht ist sie erfolgreicher als der Gemeinderat. Denn auch wir sehen nur, dass wir nichts sehen – das heißt: Fortschritte in der Sache sind nicht erkennbar.

 

 

 

 

 

 

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