Vorher genauer hinschauen - Fazit aus dem Fall Friedenstraße 12

Das von der Stadt abgebrochene Gebäude Friedenstraße 12 - gleich neben dem Lienzinger Rathaus - war älter als im Werteplan Etterdorf Lienzingen angenommen. Jener war immerhin Basis für das Regierungspräsidium Karlsruhe, über den historischen Ortskern von Lienzingen vor rund zehn Jahren den Schutzschirm aufzuspannen. Wie zum Beispiel über die Altstadt Durlach, die Altstadt Horb, Zell am Harmersbach, Altensteig - die jüngsten Beispiele. Lienzingen in nobler Runde.

Abgeräumt. Blick vom Fußweg zwischen Friedenstraße und Kirchenburggasse, hinter dem Rathaus. (Foto: Günter Bächle)

Doch Friedenstraße 12 stand nicht in der Denkmalliste, was letztlich zur Abbruchentscheidung des Gemeinderats verleidete, nachdem die Stadt als Eigentümerin niemand fand, der die Immobilie sanieren wollte. Dies allein kann aber nicht Maßstab für Entscheidungen sein, einen Platz abzuräumen. Im Gespräch mit dem Bauforscher Tilmann Marstaller zeigte sich, für die Gesamtanlagesatzung und die Abgrenzung des geschützten Areals ist der Werteplan ein wichtiger Orientierungspunkt, hätte aber im konkreten Fall eine vertiefende Untersuchung vertragen. 

Solche Diskussionen brachen zum Beispiel auch in Tübingen auf. Dort habe sich Oberbürgermeister Boris Palmer überzeugen lassen, dass vor einer unverrückbaren Entscheidung ein Objekt mit scharfem Blick geprüft wird, berichtete Marstaller. 

Daran mangelte  es bei Friedenstraße 12. Denn inzwischen stellt sich heraus, dass es in diesem Fall vorher keine vertiefende Untersuchung gab, jedoch glücklicherweise eine fotografische Dokumentation durch die städtische Hochbauabteilung, die dafür ein dickes Lob verdient. Deren Bewertung durch Marstaller ergab, dass Baujahr nicht 1900 war sondern 1800. Aber da war das Haus schon weg. Deshalb wollte ich von der Stadtverwaltung wissen, welche Schlussfolgerungen sie aus dem Fall Friedenstraße 12 zieht.

Die Antwort: Die Verwaltung will künftig genauer hinschauen und damit dem Beispiel von Tübingen folgen. Die Verwaltung zieht aus dem Fall die Konsequenz, dass künftig vor dem Abbruch von Gebäuden im Eigentum der Stadt, deren (junges) Alter nicht offensichtlich ist, eine diesbezügliche Untersuchung erfolgen soll, um Irrtümer auszuschließen und gegebenenfalls verborgene Kulturdenkmale zu entdecken. 

Auch bei privaten Gebäuden sei durch die denkmalrechtliche Genehmigungspflicht auch von Nicht-Denkmalen innerhalb der Gesamtanlagensatzung Etterdorf Lienzingen die eingeschränkte Möglichkeit der Prüfung gegeben. Voraussetzung: Erste Anhaltspunkte bestehen, dass es sich um ein zwar nicht eingetragenes, tatsächlich aber gegebenes Kulturdenkmal handeln könnte.  

Dies gilt nach Auffassung der Verwaltung nicht in gleicher Weise für verborgene Kulturdenkmale außerhalb des Geltungsbereiches der Satzung für die Gesamtanlagen - also im gesamten Rest der Stadt. Hier fehle es im Regelfall an einer Rechtsgrundlage für entsprechende Forderungen, häufig seien  die Gebäudeabbrüche sogar baurechtlich verfahrensfrei, können also ohne Vorankündigung durch den Bauherrn erfolgen.

Infos: Insgesamt stehen in der der mittelalterlich geprägten Ortsmitte von Lienzingen 85 Kulturdenkmale. Die Verfasser von Werteplan und Ortsanalyse urteilten 2011 in puncto Friedenstraße 12: Ein erhaltenswertes historisches traufständiges Gebäude - erhaltenswert  aus sozialgeschichtlichen und siedlungstopografischen Gründen. 

Der  Fall zeigt aber auch, dass selbst im Mühlacker Ratssaal nicht allen klar ist, was in Lienzingen unter Schutz steht: die gesamte Anlage - sprich Ortsmitte, somit nicht nur einzelne Kulturdenkmale. Umso wichtiger ist, die Auflage von Regierungspräsidium und Landesdenkmalamt einzuhalten, die durch den Abbruch entstandene Lücke in spätestens drei Jahren zu schließen.

Hierzu ein Kommentar von Tilman Marstaller im Blog hier...

Zum Herunterladen:

Antwort der StadtverwaltungS22-020-60-23_Etterdorf_Lienzingen.pdf

Werteplan Ortskern Lienzingen   Ortsanalyse_Lienzingen_Auszug.pdf

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