Strom und Trauben vom Lienzinger Eichelberg? Ganz oben pfeift der Wind so stark wie für Windräder nötig - sagt die LUBW

Wer in diesem Blog die Suchfunktion nutzt, um die Zahl der Beiträge zu erfahren, in denen das Wort Windkraft auftaucht, dem/der zeigt das System 40 Treffer an, bei Windrad oder Windräder 18. Eine Liebeserklärung an die Landschaftsspargel titelte ich im Jahr 2015 über das mutterseelenallein in der Landschaft bei Ingersheim (Kreis Ludwigsburg) majestätisch in den Himmel ragende erste Windrad. Doch damals war auch klar: Die Nagelprobe kommt im Alltag.  Auch bei meinem Interview vergangene Woche im SWR, nachdem die Pläne der Forst BW auch für den Staatswald bekannt wurden (der Link zum Video oben).

Im Mai 2007 bloggte ich erstmals zum Wind, der keine Stromrechnungen schickt - Windkraft und Warum Simmersfeld wichtig ist. Die erste Anlage in der Region sollte dort entstehen, dagegen eingereichte Petitionen scheiterten im Landtag. Standorte für Windkraftanlagen in der Region Nordschwarzwald - so damals die Überzeugung - sollen nur auf den Konversionsbereich (ehemaliges Munitionsdepot) bei Simmersfeld konzentriert werden.

Dass die Abgeordneten mehrheitlich den Weg für die Umsetzung der Planung freimachten, war dem seinerzeitigen Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Stefan Mappus, zu verdanken. Morgens vor dem Beschluss trafen sich, auf meine Vermittlung, die Bürgermeister von Altensteig und Simmersfeld - beide Befürworter - und ich als Sprecher der Regionalfraktion mit Mappus in der CDU-Geschäftsstelle in Pforzheim an der Westlichen zum klärenden Gespräch. Die Runde schrieb regionale Windkraft-Geschichte. Inbetriebnahme war im Oktober 2007 - ein Leuchtturmprojekt. Hoch über den Tannen drehen sich seitdem 14 Windräder, die zwischen 100 und 125 Meter hoch sind. Die CDU-Regionalräte legten zwei Jahre später einen Lokaltermin dort ein, einige Wagemutige fuhren im Inneren mit der Gondel hoch, kamen begeistert über die Aussicht wieder auf den Boden zurück.

Zwischen der Platte bei Großglattbach im Süden und dem Stromberg bei Lienzingen im Norden: Grün in der Potenzialberechnung der Landesanstalt für Umwelt heißt, die Fläche ist für Windkraft geeignet.

2011 und ff: Windkraft versus Naturschutz - was wiegt schwerer? Gutes kontra Gutes. Was wirkt in Zeiten der Energiewende mehr? Immer wieder ließen Auerhahn, Roter Milan und andere die Planer auf die Bremse treten. Grün-Rot, die neuen politischen Macher im Ländle, änderten 2011 die rechtlichen Regeln, doch der erhoffte Schwung für diese Art erneuerbarer Energie blieb weitgehend aus, trotz politischem Vorrangspostulat. Dafür flackerten immer wieder Debatten auf, welche erneuerbare Energiearten mehr zur Region Nordschwarzwald passen: von Biomasse bis Windkraft. Nordschwarzwald als Modellregion Windkraft, eine weitere Variante. Die Frage damals: Vorrang vor wem? Enttäuschung blieb im Regionalparlament im April 2012 zurück: Der Ministerialdirektor im baden-württembergischen Umweltministerium ließ bei der Verbandsversammlung in Calw-Hirsau offen, wie der Konflikt zwischen Windkraftanlagen und Schutzgebieten gelöst werden soll. Deshalb landeten manche Pläne im Papierkorb. Die Energiewende trat zeitweise auf der Stelle. 

Die Region Nordschwarzwald meldet immer noch Fehlanzeige in puncto Teilregionalplan Windkraft. Wir besitzen hier Seltenheitswert. Statt beherzt zu starten wie andere auch, hießt es immer: Abwarten, bis das Land die Rechtslage klärt. Das zog sich hin. Gegner mobilisierten derweilen gegen Pläne für neue Anlagen wie in Straubenhardt.

Dann hieß es: Lokaltermin vor PF 01 Tiefenweg. 5,5 bis 5,75 Wind pro Meter in der Sekunde in 140 Meter Höhe verheißt dieser Standort im Wald südwestlich von Großglattbach laut Windatlas von TÜV Süd aus dem Jahr 2012. Wäre ein regionalbedeutsamer Platz mit mindestens drei Windmühlen auf 22 Hektar - wenn das nicht gekommen wäre. Doch das Umweltministerium in Stuttgart ließ mit neuen Kriterien einen neuen Windatlas erarbeiten und so packte der Regionalverband den Entwurf seines Teilregionalplanes Windkraft gleich wieder ein - und damit auch den Standort PF 01. 

Elegant und majestätisch: Windrad neben einem Weinberg im Elsass. (Foto: Günter Bächle, 2020)

Der neue Energieatlas steht seit 2019 im Internet, ist einseh- und abrufbar - doch offenbar nur wenige taten dies. Windkraft-Betreiber klopften wegen eines anderen Standorts in Großglattbach an, auf der anderen Seite an der Grenze zu Serres. Brächte Pacht für die Stadt, denn dieser Forst gehört ihr. Gespräche laufen auch mit den Stadtwerken. Unerwartet brach vor mehr als einer Woche  ein medialer Wirbelwind los, denn ein Eigentümer nimmt seine Rechte als Eigentümer wahr: Forst BW bietet allein in Mühlacker 138 Hektar  feil - wer in Windmühlen investieren will, kann sich bewerben. Angeblich trägt sich auch ein Glabbicher Landwirt mit Plänen zum Bau einer Windanlage. Biogasanlagen an Bauernhöfen lassen grüßen.

Vorsicht: Da werden Hektarzahlen genannt für Waldstücke und manche meinen, in unserem Fall zum Beispiel würden auf 138 Hektar alle Bäume ratzeputz gefällt. Auch in der Pressemitteilung des Ministeriums entsteht dieser (falsche) Eindruck. Nein, abgesägt werden lediglich Bäume dort, wo schlanke Windräder montiert werden und die Wege dorthin.

Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, zuständig auch für den Forst, will die Windkraft in Baden-Württemberg ausbauen - arbeitet einen generellen Auftrag an die Regierung aus der Koalitionsvereinbarung von Grünen und CDU ab. Eine politische und unterstützenswerte  Aufgabe, allerdings muss auch der Konsens mit den Kommunen als Planungsträger bei den Standorten gesucht werden.

40 Mal im Blog ablesbar: Ich bin ein Windkraft-Verfechter. Die Standort-Auswahl müssen wir Kommunen und die Regionalverbände steuern. Die CDU-Gemeinderatsfraktion Mühlacker ist der Auffassung, dass auch unsere Stadt ihren Beitrag leisten kann und muss. Allerdings sind wir der Auffassung, dass die Stadt ebenso als Träger der kommunalen Planungshoheit gefordert ist und einen Teil-Flächennutzungsplan Windenergie aufstellt. Unser Antrag im Gemeinderat steht.

Denn der neue Windatlas identifiziert mehr geeignete Flächen auf der Gesamtmarkung von Mühlacker als sein Vorgänger: 

  1. bezüglich Windhöffigkeit geeignete Flächen: Flächen mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mindestens 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund, die nicht innerhalb von Ausschluss- und Restriktionsflächen liegen. In den Karten werden diese Flächen als "geeignet" bezeichnet
  2. bezüglich Windhöffigkeit geeignete Flächen mit Flächenrestriktionen: Flächen mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mindestens 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund, die nicht innerhalb von Ausschlussflächen liegen, deren Nutzungsmöglichkeit für Windenergieanlagen aufgrund bekannter Flächenrestriktionen jedoch im Einzelfall besonders zu prüfen ist. In den Karten werden diese Flächen als "bedingt geeignet" bezeichnet.

Im Einzelnen sind dies laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, die den Energieatlas erstellte: 

  • zwischen Schmie und Ötisheim 8,5 Hektar als geeignet und 6,4 Hektar als bedingt geeignet
  • zwischen Lienzingen und Schützingen 3 Hektar als bedingt geeignet
  • im Enztal zwischen Niefern und Roßwag 190 Hektar als bedingt geeignet
  • Von Großglattbach in Richtung Pinache auf der Höhe, beidseits der Landesstraße 1125, rund 160 Hektar als geeignet 
  • Als geeignet gelten auch gut 100 Hektar im Wald zwischen Maulbronn-West, Schmie und Ötisheim
  • Eine kleine Fläche oberhalb der Lienzinger Weinberge:  1,3 Hektar geeignet, 2,4 Hektar bedingt geeignet.

Für Mühlacker gilt: Ohne Teilflächennutzungsplan Windenergie mit dargestellten Konzentrationszonen sowie komplementärer Ausschlusswirkung an anderer Stelle (schwarz-weiß-Planung) kann die Stadt nicht steuern. Dann können Windkraftanlagen überall dort gebaut werden, wo sie mit dem Artenschutz, dem Immissionsschutz und anderen Belangen vereinbar sind (als privilegierte Anlagen im Außenbereich nach § 35 BauG).

Die Windkraft erreichte in Baden-Württemberg Ende 2019 einen Anteil von 5,3  Prozent an der Bruttostromerzeugung. Die Windenergiepotenziale in Baden-Württemberg gelten als längst noch nicht ausgeschöpft. Auch die Stromgestehungskosten sind günstig. Sie lagen im Jahr 2018 für Strom aus Onshore-Windenergieanlagen zwischen 4 und 8 €Cent/kWh. Zusammen mit PV-Anlagen sind Onshore-Windenergieanlagen (Windräder auf dem Land im Gegensatz zu den auf den Meeren) damit im Vergleich sowohl zu anderen erneuerbaren Energien als auch zu neuen fossilen Kraftwerken im Mittel die kostengünstigsten Technologien zur Stromerzeugung (Quelle: Landesanstalt für Umwelt und Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme ISE, Freiburg (2018): Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien, März 2018

Windräder auch in Lienzingen? Auf den höchsten Stellen des Eichelbergs, ganz oben, wo der Wind pfeift, über dem Südhang, auf dem Trauben reifen. Freute sich ein Lienzinger: Das wäre doch schön - die Mühlackerer hätten den Sender und wir die Windräder, die ihn vom Wengert aus grüßen.

Ein schönes Bild.

SWR-Interview

 

 

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