Schultheiß, Sparkässler, Kirchenaufseher, Aktuar: Die vielen Rollen des Karl Brodbeck
Menschenfreund und -helfer, Pedant und Pfennigfuchser, Visionär und Dynamiker, saumseliger Bürokrat, Hohenloher oder Lienzinger, Konservativer oder Hitlerianer? Karl Brodbeck (1886 bis 1967) lässt Fragen zurück - von jedem etwas oder nur ein Mensch, der Widrigkeiten des Lebens umschiffte, sich durchschlängelte in einer schwierigen Zeit? Denn sie war voller Widersprüche. Die Antwort ist differenziert. Pauschale Urteile wären fehl am Platz. Sein Tun scheint völlig unauffällig sachorientiert gewesen zu sein. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten überstand er nicht nur unbeschadet, seine kommissarische (Neben-)Tätigkeit in Zaisersweiher wurde auch in eine reguläre umgewandelt. Dieses Bild des Bürgermeisters, das der Historiker Konrad Dussel im 2016 erschienenen Ortsbuch Lienzingen zeichnet, wird zumindest durch die Sammlung von amtlichen Schreiben, Protokollen und Aktenvermerken gestützt (S. 172 f).
Lienzinger Geschichte(n). - Der Vierteiler über Karl Brodbeck und seine Ära: innerhalb meiner Blog-Serie über die neuere Ortsgeschichte der bis 1975 selbstständigen Gemeinde das Portrait (3/4)
Was sich als Quelle zu solcher Urteilsbildung anbietet, sind vor allem die Akten aus Stadtarchiv Mühlacker (STAM) und Staatsarchiv Ludwigsburg (StAL FL 20--18 I_Bü 73 und E 180 II_Bü 3968). Er setzte sich beispielsweise dafür ein, die wirtschaftliche Lage der Menschen in dem Bauerndorf zu verbessern – unter anderem durch eine Dreschhalle und mehr Weinbauflächen.
Im Juli 1921 legte die Gemeinde Lienzingen ein Baugesuch betreffs Erbauung einer Dreschhalle am Ortsweg (heute Zaisersweiherstraße) als elf Meter breiter und 10,50 Meter langer Vorbau an der Kelter vor, gefertigt von Architekt Aeckerle, unterschrieben vom 1920 eingesetzten neuen Schultheiß Karl Brodbeck. Sein Vorgänger hatte schon Angebote eingeholt, der neue Bürgermeister bestellte beim Gemeinde-Verband Elektrizitätswerk Enzberg (später EVS) einen Drehstrom-Motor fürs Dreschen. Brodbeck setzte die Pläne um und deshalb hat Lienzingen den Luxus eines großzügig überdachten Vorplatzes an der Kelter (STAM, Li A 8, Li A 79/36).
Von 28 Hektar im Jahr 1930 auf 31 Hektar 1935 vergrößerten die Wengerter ihre Rebflächen (heute 16,6 Hektar). An zahlreichen Weinberghäuschen am Eichelberg ist als Baujahr 1933 eingemeißelt. Da ging offensichtlich viel.
Der Schultes bestellte höchstpersönlich Rebstöcke und verteilte die Setzlinge an die Wengerter, schrieb Annoncen und Werbetexte, warb gleichermaßen für das Lienzinger Best-Produkt und die gute Verkehrsanbindung: Postauto von Mühlacker, Weinberge in nur günstigen Südlagen, gute Tischweine (Schiller- und Rotwein).
Auch das: Ein Schultes mit Hang zu Geschriebenem. Ob Karl Brodbeck beim Lesen gerne ein Viertele schlotzte, kann nur erraten werden. Jedenfalls gründete er 1924 und damit vier Jahre nach seinem Start als Schultes von Lienzingen, mit sieben Mitstreitern einen Leseverein. Für einen Monatsbeitrag von 75 Pfennig ließ sich das Abonnement von fünf Zeitschriften finanzieren – vom Naturmagazin über das Satirejournal bis zum Familienblatt. Ein Experiment in einem Bauerndorf in den goldenen Zwanzigern.
Zwar hatte sich zuerst die Mitgliederzahl mehr als verdoppelt, doch bald schrumpfte das Interesse. Nur noch vier Lienzingern war das Lesevergnügen die kleine Gebühr wert, so dass der Verein sich Anfang 1928 auflöste (Konrad Dussel: Lienzingen, altes Haufendorf - moderne Gemeinde. Ortsbuch, 2016. Verlag Regionalkultur. 19,90 Euro. S. 175).
Doch im Fundus des Staatsarchivs Ludwigsburg findet sich auch noch eine kleine Mappe mit der Signatur PL 502/33_Bü 51, die sich lohnt durchzublättern, belegt ihr Inhalt doch eine (andere?) Seite des Lienzinger Ortsoberhaupts. So unterschrieb er am 21. Dezember 1933 einen Bettelbrief der Sturmabteilung (SA), paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, an seine Kollegen im Oberamt Maulbronn um Spenden für deren Heim Sturmbann III/123 in Mühlacker, einem früheren Elektrizitätswerk. Die Opfer der Stadt Mühlacker, die sie der SA mit Freuden gebracht habe, wollte er als Beispiel dafür nennen, das zur Nachahmung durch die anderen Kommunen anregt. Er schlug den waldbesitzenden Gemeinden vor, der SA einige Festmeter Stammholz zu schenken und grüßte dann mit Heil Hitler!
Der Krieg tat ein Übriges - das neue HJ-Heim ist nie realisiert worden
Dass die Gebietsführung der Hitlerjugend (HJ) der Gemeinde nahelegte, der HJ ein größeres Heim zur Verfügung zu stellen, verärgerte den Führer des Unterbanns IV/121, Hauptlehrer Erwin Kaiser aus Lienzingen. Unter dem Datum am 14. im Lenzing 1934 schrieb er, einzige Möglichkeit sei der Ausbau einer Stube in der Kelter – sie sei geeignet für Kameradschaftsabende, größere Veranstaltungen könnten im Rathaussaal stattfinden. Am 2.Januar 1934 riet Kaiser den Kommunen, der HJ einen laufenden Beitrag zu bewilligen. Die Hitlerjugend ist zur Staatsjugend geworden. Das Thema blieb zunächst aktuell im Flecken. Im Februar 1937 legte der Stuttgarter Architekt Fritz Müller die Pläne für ein HJ-Heim im östlichen Bereich der späteren Gärtnerei Mannhardt vor: 80 Quadratmeter Fläche für knapp 11.300 Reichsmark. Bürgermeister und Räte scheuten sich nicht, im Juni 1938 die Pläne zu den Akten zu legen, denn geringere Holzerträge verhinderten die Finanzierung. Der Krieg tat ein Übriges - das Vorhaben ist nie realisiert worden (Ortsbuch Lienzingen, 2016, S. 180 f).
Am 30. November 1939 schickte der Bürgermeister der Gemeinde Lienzingen allen nicht gedienten wehrfähigen Männern für die vormilitärische Wehrerziehung durch die SA eine Vorladung auf 5. Dezember 1939, abends 9 Uhr, in den Rathaussaal. Nichterscheinen zieht Strafe nach sich. Der Führer habe mit Erlass vom 19. Januar 1939 dies verfügt, hieß es in der von Brodbeck unterschriebenen Vorladung. Sechs der 13 Männer erschienen. Ob das Fernbleiben Folgen hatte, lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen.
Den – insgesamt acht - Arbeitgebern von Polen in der hiesigen Gemeinde wird hiermit eröffnet, dass Weihnachtsgeschenke an Polen irgendwelcher Art streng verboten sind. Bürgermeister Brodbeck (Unterschrift). Datiert ist dieses Schreiben auf offiziellem Briefbogen der Gemeinde vom 18. Dezember 1941. Im Protokoll der Ratssitzung von Ende 1944 ist vermerkt, dass die Kommune 20 Zivilfranzosen als Holzhauer im Gemeindewald einsetze, da 1300 Festmeter Holz einzuschlagen seien. Der Gemeinde fehlten die notwendigen Kräfte, das Ziegelwerk habe aus Kohleknappheit nicht mehr genügend Arbeit. Die vom Regime zwangsrekrutierten Fremdarbeiter wurden in der Turnhalle, dem Kelter-Anbau, untergebracht, die Betten stellte das Ziegelwerk (STAM, Li B 323, S. 08).
Was war Zwang, was Überzeugung, was Opportunismus?
Was war Zwang, was Überzeugung, was Opportunismus? Der eine Brodbeck ein Demokrat, der andere ein Nationalsozialist? Gespaltene Persönlichkeit? Der Schultes und PG (Parteigenosse) ließ sich zum Besuch der Gauschule Heidenheim vom 8. bis 15. Juni 1938 genauso beurlauben wie für den Besuch des Reichsparteitages 1934. Am 28. August 1934 legte der Verwaltungsmann den Treueeid als Ortsvorsteher auf Hitler ab, seit 1. Mai 1933 Parteigenosse, stellvertretender Ortsgruppenleiter von Juni 1939 an, Vertrauensmann der SA, Fördermitglied des NS-Flieger-Korps, Ortsamtsverwalter der NS-Wohlfahrt, Vertrauensmann des Reichsbundes der Deutschen Beamten (RDB) und 1944/45 Hauptfeldwebel des Volkssturms, aber ohne eingesetzt gewesen zu sein.
Sicher ausgesprochen angenehm war für den Rathauschef ein Termin im November 1940: Nach dem Erlass des Innenministers vom 3. Januar 1940 Nr. I 2732/39 hatte der Führer und Reichskanzler am 9. Mai 1939 dem Bürgermeister Brodbeck, Karl, in Lienzingen das Treudienstehrenzeichen zweiter Stufe verliehen.
Das Urteil des Historikers: Konrad Dussel stufte den Schultes im Ortsbuch Lienzingen als konservativ ein, der vor 1933 die Deutsch-Nationalen gewählt habe, die wiederum im Januar 1933 eine Koalition mit Hitler eingegangen waren (S. 172 f). Er hebt als Plus-Punkt hervor, weder Bürgermeister noch Gemeinderat hätten sich aufgeschwungen, eine Straße nach Hitler zu benennen oder dem Ober-Nazi in der Reichskanzlei die Ehrenbürgerschaft anzudienen wie es andere Kommunen getan hätten (S. 178 f). Die Gleichschaltung genauso wie die Vermengung von Partei und Staat, in diesem Fall von NSDAP und Gemeinde, war keine Lienzinger Spezialität, sondern Generallinie der braunen Machthaber im ganzen Deutschen Reich.
Des Gipsers Witwe im Försterhäusle Marie Schrodt zog 1934 mit ihren vier Mädchen von Schützingen nach Lienzingen – ihr Haus dort verkaufte sie. Gleich nebenan in Lienzingen in der damaligen Hauptstraße wohnte der Bürgermeister mit seiner Familie. Des Gipsers Witwe und ihre Kinder bezogen das kleine Haus mit dem Walmdach. ikm Volksmund Försterhäusle genannt (heute Friedenstraße 39). Ihr Ehemann, der Gipser Gotthilf, war im September 1916 auf den Schlachtfeldern Frankreichs gefallen. Es war meine Oma, die ich allerdings nie kennenlernte – sie starb 1948 und somit zwei Jahre vor meiner Geburt. Meine Mutter Emilie heiratete im August 1950 den landwirtschaftlichen Arbeiter Johann Bächle, ein Schwarzwälder, den es nach Hohenhaslach verschlagen hatte. Etwa drei Monate später erblickte ich das Licht der Welt. In den ersten zwei Jahren lebte unsere dreiköpfige Familie in der winzigen Dachwohnung.
Die drei Töchter und der Sohn des Bürgermeisters in der heutigen Friedenstraße 41 waren etwa so alt wie meine Mutter Emilie (Jahrgang 1916). Die um zwei Jahre jüngere Alwine versuchte, so die Erzählungen in der Familie, des Emile für den Bund Deutscher Mädchen (BDM) zu gewinnen. Doch Emilie Gertrud Schrodt wollte nicht. Meine Großmutter Marie fürchtete offenbar um Tochter Emilie, weil die Nazis auch Erwachsene, die aufgrund einer körperlichen Behinderung nicht ins Bild der arischen Rasse passten, in den Tod schickten. Und meine Mutter hatte eine körperliche Behinderung: ein Bein etwas kürzer, der linke Arm teilweise gelähmt. Doch sie arbeitete als Näherin, ging morgens zu Fuß zur Arbeit, abends zu Fuß zurück. Die Oma vertraute auf Nachbar Brodbeck, dass er einen eventuell geplanten Abtransport vom Emile dann verhindern würde. Ein Zeichen des Vertrauens in den regelmäßigen Kirchgänger. Auch das gehört ins Bild.
Ein Mann ohne Fehl und Tadel? Der Bürgermeister wollte möglichst alles richtig machen. Doch Mitte 1935 ging alles schief, was nur schief gehen konnte und ihm ein Disziplinarverfahren einbrachte. Folge eines Donnerwetters. Brodbeck schilderte in einem gleichzeitigen Verteidigungs- und Entschuldigungsbrief an das Oberamt den Fall:
In der Nacht vom 1. auf den 2. Juli 1935 tobte über Lienzingen ein sehr schweres Gewitter. Selbst die ältesten Leute sagen, dass sie sowas noch nie mitgemacht haben. Gleich nach neun Uhr läuteten die Kirchenglocken. Ich sprang in den Ort herein und erst bei der Krone (heute Friedenstraße 17) erfuhr ich, dass die Scheuer von Schmidgall brenne, der Blitz habe eingeschlagen, schrieb der Bürgermeister am 5. Juli 1935 an Landrat Hermann Röger (1883-1954) in Maulbronn.
Ein Brandbrief im doppelten Sinne
Es war ein Brandbrief im doppelten Sinne. Denn in der Eile hatte es Brodbeck – nun im Rathaus, das schräg gegenüber der Krone steht - versäumt, rechtzeitig die Weckerlinie Mühlacker zu alarmieren, sie dann aber dann doch noch erreicht. Ich kurbelte 354, wobei es mir fast das linke Gehör zerschlug. Die Brandhilfe aus Mühlacker traf ein, musste aber unverrichteter Dinge wieder abrücken, weil es an der Scheuer nichts mehr zu retten gab, aber es in Ötisheim brannte.
Doch nach dem Verständnis des Landrats wog weitaus schwerer, dass das Oberamt erst am Vormittag des 2. Juli von dem Brand erfuhr. Der Schultes verteidigte sich, es sei wegen lautem Donner unmöglich gewesen zu telefonieren, denn inzwischen sei von Maulbronn her ein zweites Gewitter aufgezogen. Das Gewitter tobte weiter. Blitz auf Blitz, Schlag auf Schlag tat es. Ich wollte das Oberamt anrufen, aber es war unmöglich. Röger bezeichnete die Entschuldigung als nicht genügend. Selbst wenn er annehme, dass ein Ferngespräch während des Gewitters nicht möglich gewesen sei, hätte Brodbeck nach dem Gewitter beim Oberamt anrufen können. Der Landrat beendete seine schriftliche Antwort vom 8. Juli 1935 mit dem Satz: Ich bin zu meinem Bedauern genötigt, Ihnen wegen Ihrer Saumseligkeit mein lebhaftes Missfallen auszusprechen.
Die Rüge saß. Ausgerechnet ihn traf sie, dessen Ehrgeiz es war, möglichst alles richtig zu machen.
Aber damit war der Fall abgeschlossen.
Womit die Frage zu stellen ist, wie hoch denn nun das Jahresgehalt eines schwäbischen Dorfschultes damals war? Karl Brodbeck würde wohl kommentieren: Zu niedrig! In A7b Endstufe eingruppiert, kämpfte er jahrelang beim Land Württemberg, ihn in Gruppe 6 zu hieven. Diesen Wunsch schickte der Doppel-Schultes erstmals in einem Brief vom 31. Januar 1934 nach Stuttgart. Darin zählte er seine Stationen in Zaisersweiher auf: vom 15. April 1930 an Verwaltungsaktuar, zwischen 13. März 1931 und 4. Dezember 1933 Bürgermeister-Amtsverweser, am 4. September 1932 zum Bürgermeister gewählt - wegen Einsprüchen gegen die Wahl erst am 4. Dezember 1933 um 4 Uhr nachmittags im Rathaus ins Amt eingesetzt.
Denn auch im 4,4 Kilometer entfernten Lienzingen war er von 1920 bis 1945 Chef im Rathaus. Ich fahre jeden Nachmittag mit dem Postauto 13.10 Uhr hier weg und komme 18.20 Uhr, insofern ich keine Sitzungen, Verkäufe usw. habe, wieder zurück. 594 Einwohner in Zaisersweiher und 725 in Lienzingen – zusammen also 1310. Gemeinschaftlicher Schultheiß zweier Kommunen zu sein bringe fortwährend Mehrarbeit, argumentierte der gebürtige Hohenloher. Deshalb forderte er die 1501 Einwohner, eigentlich Voraussetzung für die Gruppe A 6, nicht zum Maßstab zu machen. Er war, als er diesen Brief verfasste, bereits in der Gehaltsgruppe A 7b, auch ohne den 50-Prozent-Job in Zaisersweiher. Der abschlägige Bescheid aus Stuttgart ließ nicht lange auf sich warten. Die zuständige Abteilung des Innenministeriums war nicht zu erweichen. Unter dem Aktenzeichen Nr. Abd.584 Lienzingen musste Brodbeck lesen, Gruppe A 6 sei gesetzlich bei solch fehlenden Voraussetzungen nicht möglich. Weitere Gesuche sind zwecklos, stand klipp und klar in dem amtlichen Schreiben. Damit blieb er bis 1941 in A 7b, dann änderten sich die Gruppen.
Zum 1. Juni 1933 setzte das Land das Grundgehalt von Karl Brodbeck auf 4950 Reichsmark (RM) im Jahr fest, erhöhte im April 1934 auf 5400, weil er nun Bürgermeister in Lienzingen als auch in Zaisersweiher war. Die beiden Kommunen regelten in einem am 12. Mai 1934 abgeschlossenen Vertrag die Aufteilung der Personalkosten des gemeinsamen Bürgermeisters und legten fest, dass Brodbeck in der Regel vormittags in Lienzingen und nachmittags in Zaisersweiher amtierte. Zaisersweiher übernahm pauschal 1800 RM als Gehaltsanteil im Jahr und ein Drittel der Zahlungen an die Pensionskasse - so preisgünstig hätte die Gemeinde keinen Verwaltungsfachmann als eigenen Bürgermeister erhalten.
Doch scheint Brodbeck in seiner Eingruppierung sein Lieblingsthema gefunden zu haben. Nachdem er auf 30. November 1937 seinen Zweit-Job im Nachbarort aufgegeben hatte und dort nur noch zeitweise Verwaltungsaktuar war, reduzierte das Innenministerium sein Grundgehalt vom 1. Juli bis 30. September 1938 auf 4950 RM, hob es zum 1. Oktober 1938 wieder auf 5300 RM an so lange, wie er im Zaisersweiher Rathaus als Aktuar sich um das Finanzen-, Haushalts- und Kassenwesen kümmerte. Auf ein Extra-Geld für diese Aktuar-Tätigkeit musste er im Gegenzug verzichten.
Ein Betrag, zu dem in all der Zeit noch jedes Jahr jeweils 474 RM als Wohngeld kamen sowie 90 Reichsmark Zuschlag für seine vier Kinder. Der fachmännisch vorgebildete Bürgermeister hatte Anspruch auf ein Grundgehalt nach A7h Stufe 9 (4950 RM), doch Brodbecks Hoffen und Sehnen erfüllte sich im Februar 1941. Der Innenminister von Württemberg genehmigte ihm rückwirkend zum 1. Oktober 1938 die A4C1 Endstufe (5400 RM). Ein neues Zahlenwerk machte dies möglich.
Wohl drei Dutzend Eingaben – eher mehr als weniger
Begründet wurde dies damit, dass der Lienzinger Bürgermeister vom seit 1938 in Vaihingen an der Enz residierenden Landrat auf 1. Oktober 1938 zum endgültigen Verwaltungsaktuar von Zaisersweiher bestellt worden war. Versehentlich wurden ihm für 1940 nur 5300 RM bezahlt, weshalb der Schultheiß in einem Schreiben ans Landratsamt im Februar 1941 die Differenz von 100 RM nachforderte. Die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung des Stuttgarter Innenministeriums hatte alle Hände voll zu tun mit dem Besoldungsfall Brodbeck. Zwischen 1933 und 1941 werden es wohl drei Dutzend Eingaben gewesen sein – eher mehr als weniger.
Die Kaufkraft einer Reichsmark lag 1933 laut Wikipedia bei 4,60 Euro heutigem Wert. Das Durchschnittsentgelt bewegte sich von 1933 an mit 1583 RM im Jahr bis 1840 RM anno 1938. Umgerechnet auf 2022 kassierte Brodbeck 1933 ein Gehalt, das heute knapp 1930 monatlich entspräche. Eine auskömmliche, aber beileibe keine hohe Summe.
Hier ein weiterer Vergleich, diesmal mit den Schultes-Einkommen im Jahr 2021: In kleinen Gemeinden bis 1000 Einwohner wird der Bürgermeister nach A 12 (4871,05 Euro im Monat) oder nach A 13 (exakt 5413,87 Euro) besoldet. 2014 gab es laut baden-württembergischem Innenministerium 65 ehrenamtliche Bürgermeister. Die Zahl dürfte sich nach Angaben des Ministeriums seitdem nicht wesentlich geändert haben. Die Ehrenamtlichen bekommen kein Gehalt, sondern eine Aufwandsentschädigung. In Kommunen bis 500 Einwohner sind dies zwischen 887 und 1710 Euro im Monat, in Kommunen mit 1000 bis 2000 Einwohnern 2246 bis 3850 Euro. Über den genauen Betrag entscheidet der Gemeinderat.
Dieser Kaufkraft- und Gehaltsvergleich erklärt sicherlich, dass Bürgermeister Brodbeck mit Haus, Familie und vier Kindern auf den Pfennig schauen musste und deshalb penibel versuchte, seine Einkünfte im Amt zu erhöhen. Beliebte Stellschrauben: Aufwandsentschädigungen und Reisekosten. Allerdings nahm die Debatte teilweise skurrile Züge an. Die Dienstaufwandsentschädigung für den gemeinschaftlichen Bürgermeister hatte die Ministerialabteilung im Mai 1934 auf 200 Reichsmark festgesetzt.
Im Vertrag zwischen beiden Kommunen vom April 1934 war vereinbart worden, ihm pauschal im Jahr 660 RM als Ersatz für Reisekosten zwischen den beiden Dienstsitzen zu gewähren - Lienzinger Großzügigkeit auf Kosten des Vertragspartners, denn Zaisersweiher musste die Summe allein aufbringen. Dieser Betrag erscheine, wie bereits 1934 bemängelt, reichlich hoch, schon gar, wenn man vergleiche, dass beispielsweise ein Landjäger, der doch regelmäßig viel im Außendienst tätig sei, nur eine jährliche Aufwandsvergütung von 350 RM erhalte, zudem für die Benützung eines eigenen Fahrrads monatlich noch 2,65 RM - eine Meinung, im Januar 1935 schriftlich festgehalten, die sowohl der Landrat als auch die zuständige Fachabteilung im württembergischen Innenministerium hatten. Die Folge: Es wurde nochmals geprüft. Letztlich genehmigte die Aufsichtsbehörde pauschal 400 RM per anno, somit 40 RM mehr als in den Vorschriften vorgesehen, wegen der Häufigkeit der Dienstreisen zwischen Lienzingen und Zaisersweiher.
Streit mit dem Innenministerium wegen Reisekosten-Pauschale
Dagegen wollte Brodbeck stichhaltige Argumente vorlegen, die die 660 RM per anno stützen und als angebracht bewertet werden sollten. Tat dies auch. Er verlangte die Korrektur des Verdikts aus dem Ministerium mit 200 RM, bot Anfang September 1934 an, Buch zu führen und das Ergebnis zu dokumentieren. Im Dezember 1934 mahnte die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung via Oberamt die Erledigung beim Bürgermeisteramt Lienzingen/Zaisersweiher an. Eine erste Mahnung aus Stuttgart beantwortete er am 14. September 1934 kurz und bündig: Ich bin z.Zt. mit dem Aufschrieb meiner täglichen Abwesenheit in Zaisersweiher beschäftigt und ich bitte mir noch einige Monate Zeit zu lassen, dann kann ich die gewünschte Berechnung so ziemlich genau festlegen (Unterschrift Brodbeck).
Dann lag die Belegsammlung vor, abgeschickt am 5. Januar 1935:
- 10 Omnibusfahrten mit dem Taxameter, zusammen 25 RM
- 52 Wochenkarten mit dem Postauto 88,40 RM
- Tagegelder: 18-mal über 12 Stunden ergibt 100,80 RM, 61-mal über 8 Stunden (170,80 RM), 93-mal über 6 Stunden (156,24 RM)
- Besondere Fahrten mit dem Postauto an Sonntagen 6-mal.
- Gesamtsumme: 543,64 RM.
Für die übrigen Tage bestehe kein Tagegeldanspruch, da die dienstliche Abwesenheit des Beamten nur fünf Stunden und 20 Minuten betrage. Es dürften sich schätzungsweise für diesen Fall um die 90 Reisen im Jahr handeln. Zum Ausgleich dieser Touren halte er, Brodbeck, die Verwilligung eines besonderen Zuschusses für vertretbar. Bei der Bemessung der Pauschvergütung sei ferner zu berücksichtigen, dass Bürgermeister Brodbeck seinen Lehrling oder Gehilfen, den er zur Erledigung einfacher Arbeiten vielfach nach Zaisersweiher mitnehme, zu verpflegen und für die Fahrt zu entschädigen habe. Ein Betrag von 120 RM dafür dürfte seiner Meinung nach angemessen sein. Unterm Strich errechnete der Schultes eine pauschale Reisekostenentschädigung von 663 RM bis 660 RM. Das Resultat, erstellt von einem knitzen schwäbischen Schultes. Ein Schlitzohr gar?
Schützenhilfe leistete ihm Landrat Röger mit einem Brief Mitte Januar 1935 an die Ministerialabteilung. Bürgermeister Brodbeck genieße durch die gleichzeitige Besorgung der Ortsvorstehergeschäfte in Zaisersweiher einen jährlichen Gehaltsvorteil von zirka 350 RM. Um ihn auch fernerhin für die Beibehaltung dieses Geschäfts zu gewinnen, müsse wenigstens seine Aufwandsentschädigung so festgesetzt werden, dass er zu seinen Dienstreisen nicht noch Zuschüsse von seinem Gehalt leisten müsse. Ich beantrage die Pauschal=Reisekostenentschädigung für Bürgermeister Brodbeck wie in der Vereinbarung zwischen den Gemeinden Lienzingen und Zaisersweiher vom 21.4./12.5.1934 vorgesehen, auf diese 660 RM festzusetzen.
Sozusagen flankierend lieferte der Bürgermeister eine Statistik, die die Arbeitslast als Bürgermeister von Zaisersweiher verdeutlichen sollte und die der Maulbronner Landrat in seinem Schreiben voll übernahm – ein Ort mit 678 Hektar Gemarkungsfläche, 594 Einwohner, 43 Gewerbetreibenden, 144 landwirtschaftlichen Betrieben mit 20 Pferden, 264 Stück Rindvieh, 163 Schweine, 39 Ziegen, 1761 Stück Geflügel, 22 Bienenvölker, acht Hektar Weinbau und 2,83 Hektar Tabakbau. Der Lienzinger ließ nichts aus in der Statistik: 139 Steuerkarten in Zaisersweiher ausgestellt, elf Geburten, sieben Hochzeiten, zwei Sterbefällen, 52 Rentenempfänger, acht Arbeitslose, alle(s) im Jahr 1934. Er listete zudem auf fünf Sühneversuche, das Ausstellen von 54 Nummern im Steuersatz-Register, jährlich um die 600 Rechnungen an die Gemeindepflege verbucht, 72 Hausschlachtungen allein in November und Dezember 1934. Brodbeck und Röger vermerkten eine rege Bautätigkeit. Seit 1927 seien 26 Wohnhäuser gebaut worden, drei Scheunen und fünf Feldscheunen. Letzter Punkt auf ihrer Bilanz: drei Entwässerungen als Notstandsarbeit.
Hier ist zu differenzieren mit anderen Zulagen:
- Die Aufwandsentschädigung: Der Lienzinger Gemeinderat genehmigte Ende März 1934 fünf Prozent des Grundgehalts. Der Bürgermeister durfte die von ihm eingestrichenen Gebühren aus der Nebentätigkeit als Ratsschreiber – einer notarähnlichen Funktion - behalten, also zum Beispiel für die Beurkundung von Kaufverträgen. Die Hälfte galt als Teil der Aufwandsentschädigung.
- Für den persönlichen Dienstaufwand strich Brodbeck vom 1. Juli 1933 bis November 1937 im Jahr 200 RM ein, danach aufgestockt um 15 RM.
War Brodbeck als Schultes nicht ausgelastet, hatte er freie Kapazitäten, reichte ihm das von ihm stets als zu niedrig empfundene Amtsgehalt nicht? Jedenfalls erschöpfte sich das berufliche Engagement des gelernten Kommunalbeamten nicht nur im Bürgermeisterjob von Lienzingen (1920/1945) – er war auch zeitweise in Personalunion der Chef im Rathaus von Zaisersweiher (von 1931 an als Amtsverweser, von 1933 bis 1937 als Bürgermeister) sowie als Aktuar in Zaisersweiher (1937 bis Kriegsende) und Diefenbach (von 1943 bis 1945) – denn diese beiden Ortschaften stand in diesen Jahren ein nicht vom Fach kommender Schultheiß vor.
Im Nebenjob auch Pfarrgutsaufseher und Ortssparpfleger
Brodbeck brauchte auch noch Zeit für zwei nebenamtliche Verpflichtungen: Pfarrgutsaufseher und Ortssparpfleger. Eigentlich ein Widerspruch zu seinen Aussagen von der zeitlichen Belastung durch den Posten des Rathauschefs. Mit dem Arbeitsanfall zum Beispiel als Bürgermeister von Zaisersweiher hatte er das gewünschte höhere Gehalt begründet.
Von 1920 an fungierte er ein Vierteljahrhundert lang als Pfarrgutsaufseher für den Evangelischen Oberkirchenrat in Württemberg – er kümmerte sich um die Abrechnung von Pacht-, Zins- und Holzgeldern aus dem Besitz der Landeskirche. So heißt es in einer Verfügung des Oberkirchenrates: Zur Beaufsichtigung der Pfarrgüter, zur Mitwirkung beim Abschluss von Pachtverträgen und zum Einzug der Pachtzinsen bestellt die Pfarrgutsverwaltung Pfarrgutsaufseher und Pfarrgutsaufseherinnen. Ihre Obliegenheiten im Einzelnen werden durch Dienstanweisung bestimmt. So steht es in der Verfügung des Oberkirchenrats von 1998, durch die die Protestanten in Württemberg die Vermögensverwaltung neu ordneten. Die Funktion des Aufsehers bestand da schon längst (Quelle: Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche Württembergs).
Der Ortsvorsteher schrieb, wie jetzt Recherchen im Archiv der Sparkasse Pforzheim Calw ergaben, ein Stück lokaler Sparkassengeschichte. Nach einer undatierten Aufstellung, die nach ihrem Inhalt wohl die Jahre 1914 bis 1920 wiedergibt, versah Brodbeck schon in Schützingen in Personalunion die Funktionen Schultheiß und Ortssparpfleger. Nachdem er Ende 1920 als Ortsoberhaupt nach Lienzingen gewechselt war, übernahm er bald darauf laut Beschluss des Bezirksrats vom 23. März 1921 deren Ortssparpflege in Lienzingen.
Das belegt der Eintrag im Amtsgrundbuch der Oberamtssparkasse Maulbronn. Diese war bis dahin von seinem Vorgänger - auch als Schultheiß - Adolf Fallscheer verwaltet worden, der zum 1. Dezember 1920 auf den erstmals hauptamtlich besetzten Posten Gegenrechner der Oberamtssparkasse (Zweiter Beamter, Stellvertreter des Oberamtssparkassiers) berufen worden, wodurch in Lienzingen eine Schulteswahl notwendig wurde.
Wann die Ortssparpflege Lienzingen eingerichtet wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls wollte die 1883 in Maulbronn gegründete Oberamtssparkasse in allen Gemeinden Ortssparpfleger berufen wollte. Bis zum Ersten Weltkrieg war dies Hauptlehrer Göschele.
Brodbeck behielt offenbar sein Amt als Ortssparpfleger auch nach der von Gesetzes wegen erfolgter Vereinigung des von 1934 an unter dem Namen Kreissparkasse agierenden Maulbronner Instituts mit der Kreissparkasse Vaihingen. Aufzeichnungen hierzu, zum Beispiel im nach dem Stand vom 1. Juli 1936 vom damaligen Sparkassenleiter Ernst Wörner neu angelegten und ergänzten Amtsgrundbuch der Kreissparkasse Vaihingen, gibt es nicht. Auch die Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Sparkasse ist - zumindest in den Archivbeständen der heutigen Sparkasse Pforzheim Calw - nicht verzeichnet, so dass Grund zu der Annahme bestehe, dass Brodbeck die Ortssparpflege bis Kriegsende verwaltete, schlussfolgert daraus Siegfried Renner, der das historische Sparkassenarchiv leitet. Dies stimmt überein mit den Angaben von Brodbeck in dem von ihm 1946 ausgefüllten und unterschriebenen Meldebogen als Vorstufe zum Spruchkammerverfahren.
Die Ortssparpflege war nichts anderes als Vorläufer der jetzigen Filialen als Zahl- oder Nebenstelle der Sparkasse. Zwischenstation Nebenzweigstelle, seit 2005 Geschäftsstelle (aus: Reiner Schmollinger/Konrad Dussel in: Ortsbuch Lienzingen. 2016, S. 154 f).
Lieber Sparkasse als Rathaus: Vorgänger Adolf Fallscheer (geb. 24.01.1879, gest. 31.10.1955) machte indessen Sparkassen-Karriere, wie sich aus einer von Siegfried Keller gefertigten Liste der Vorstandsmitglieder, stellvertretenden Leitern und so weiter der Sparkasse Pforzheim Calw und ihrer Vorgängerinstitute ergibt, Schultheiß von Lienzingen (1907-1920), Gegenrechner (Zweiter Beamter), Rechnungsrat (1928) der Oberamts- beziehungsweise Kreissparkasse Maulbronn. Vom 16. Oktober 1934 Leiter der Zweigniederlassung Mühlacker und (vom 7. Juni 1935 an) Stellvertreter des Sparkassenleiters für den Bereich der Zweigniederlassung Mühlacker. Vom 1. Oktober 1938 an Beamter der Kreissparkasse Vaihingen/Enz.
Die Ursache, dass Brodbeck sich auf 30. November 1937 auf den Bürgermeister-Posten in Lienzingen zurückzog, lag in seiner angeschlagenen Gesundheit. Regelmäßig ließ er sich in den Jahren zuvor jeweils vom Oberamt Erholungsurlaub genehmigen, unter anderem in Simmersfeld bei Nagold (Sommert 1935). Das half nur bedingt, denn während eines vormittäglichen Kirchenbesuchs am Sonntag, 2. Februar 1936 in Lienzingen, erlitt der Schultes eine Herzschwäche. Sein Hausarzt Dr. Spieth aus Maulbronn verordnete ihm Bettruhe. Der zweifache Rathaus-Chef fiel nach erstre Einschätzung bis Anfang Januar 1937 aus, solange vertrat ihn in beiden Kommunen der Illinger Ortsvorstand Karl Schmid, ein treuer Nazi.
Brodbeck gesundete nur langsam: Bereits im März 1936 war klar, dass der Lienzinger für mehrere Monate ausfällt. Der Staatliche Badearzt in Bad Wildbad schrieb am 26. Juni 1936 in einem ärztlichen Zeugnis, Brodbeck leide an Polyneuralgie, nervöser Erschöpfung und mäßiger Hypertonie. Seine Stationen auf dem Weg zur Genesung: Bad Dietzenbach bei Geislingen an der Steige im Mai, Bad Wildbad im Juni, Krankheitsurlaub im Gasthof zum Ochsen in Höfen . . .Bitte ich um weiteren Krankheitsurlaub
Einer der Briefe von Brodbeck: An das Oberamt Maulbronn, Betreff: Krankheits=Urlaub / Unter Anschluss eines ärztlichen Zeugnisses des Katharinenstifts Wildbad, staatlicher Badearzt, bitte ich um weiteren Krankheitsurlaub. Antwort des Oberamtes, Maulbronn 30. Juni 1936. Sie werden bis auf Weiteres bis zur vollständigen Wiederherstellung Ihrer Dienstfähigkeit als an der Ausübung Ihres Dienstes verhindert angesehen.
Sein (Bürger-)Meisterstück für Lienzingen lieferte Karl Brodbeck vier Jahre später ab: die staatliche Zusage für eine Umgehungsstraße. Ein Vertrag von 1940 zwischen dem Neubaubüro des Technischen Landesamtes Württembergs in Ludwigsburg und der Gemeinde Lienzingen schuf die Grundlage für das Projekt, das dann aber zunächst kriegsbedingt stecken blieb und erst 1951 vollendet werden konnte.
So lange führte die Bundesstraße 35 (vormals Reichsstraße 35) von Illingen her wie schon immer über die jetzige Friedenstraße und Knittlinger Straße quer durch das Dorf oben hinaus Richtung Knittlingen. Ein dreiseitiger Vertrag mit Brodbecks Unterschrift lag nun vor.
Das Papier befindet sich im Protokoll des Gemeinderats von Lienzingen, allerdings ohne Ratsbeschluss, aber mit einer angefügten Seite, die die Überschrift trägt: Verfügung vom 20. März 1940 - der Bürgermeister. Er verfügte, mit der Vereinbarung einverstanden zu sein, sie zu unterzeichnen und sie als Seiten 490 bis 493 dem Gemeinderatsprotokoll beizufügen (STAM, GR Li B 322, S. 490 ff).
Das Kriegsende im April/Mai 1945: Nach 28 Monaten der Internierung durch die Alliierten und dem öffentlichen Spruchkammerverfahren lebte Brodbeck vom Dezember 1947 an zurückgezogen wieder in Lienzingen, arbeitete bis Dezember 1957 in der Verwaltung der evangelischen Landeskirche, starb am 8. Juli 1967 (Dussel, Ortsbuch, 2016, S. 173).
Das gemeinsame Familiengrab von Brodbeck und Stanger befindet sich im Schatten der Frauenkirche.
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