Dolphin Trust immer stärker im Skandal-Strudel: Pleite mit dem Bijouterie-Investor erweist sich im Nachhinein als Glücksfall für die Stadt

Wer ist die Dolphin Trust? Eine Frage, die ich am 15. Dezember 2016 hier im Blog stellte. Jetzt wissen wir es: Ein Unternehmen, das inzwischen insolvent ist und zumindest seit 2020 unter dem Verdacht des Anlagebetrugs steht. Zeitweilig war es auch in Dürrmenz tätig.

Baustelle Mitte Dezember 2016. Der Schein trügt.

Wer ist die Dolphin Trust?

Wie aus dem Nichts tauchte damals Dolphin Trust als neue Eigentümerin des Geländes der früheren Bijouterie im Sanierungsgebiet Ortskern Dürrmenz auf. Die Vor-Eigentümerin, die Bijouterie Dürrmenz Projekt GmbH & Co. KG,  gehörte zur Tübinger Sax-Gruppe. Im September 2015 vertröstete Sax die Mühlacker Kommunalpolitik um ein weiteres Jahr, hielt die vereinbarten Termine für Planung und Realisierung nicht ein. In dieser Phase erfuhr die Stadtverwaltung eher zufällig, dass Sax die Projekt-GmbH inzwischen an Dolphin Trust verkauft hatte. Deren neue Tochter musste bis 30. August 2016 gegenüber der Stadt belegen, dass Bauarbeiten beauftragt worden sind. Der Nachweis ging ganz knapp zu Fristende im Rathaus ein. Doch still ruhte das Gelände weiterhin, sehr zum Ärger der Dürrmenzer.

Wer ist die Dolphin Trust? Laut eigener Internetseite von 2016 ein auf Baudenkmale spezialisierter Projektentwickler mit Sitz in Langenhagen bei Hannover. Das Unternehmen sei in Deutschland vornehmlich im Bereich des Wohnungsbaus tätig und bewirtschafte gegenwärtig ein Portfolio von rund sechzig Projekten mit einem Volumen von etwa einer Milliarde Euro. Nachdem wider Erwarten aber auch bei dem neuen Eigentümer nichts ging, handelte das zuständige Amt für Grundstücks- und Gebäudemanagement und das Chef-Duo der Stadt und brachte die Fläche 2017 wieder in die Hand der Kommune.

Leicht gewagt und doch gewonnen, muss allen Handelnden bescheinigt werden. Es war ein Risiko, aber der Gemeinderat zog in nichtöffentlichen Beratungen und Entscheidungen mit. Entscheidend für das Umsteuern war, dass die Baustelle auch weiterhin brach lag. Andere Indizien, die die Aktion als notwendig erscheinen ließen, gab es nicht. Allerdings erschien uns allen seltsam, dass Dolphin Trust telefonisch eigentlich kaum zu erreichen war. Die Spitze der Stadtverwaltung, besonders der Baubürgermeister, beklagte damals, irgendwie komme man an die Chefs nicht heran. Zumindest stutzig machte uns dies.

Plötzlich aufgenommene Arbeiten auf dem Gelände erwiesen sich rasch als Strohfeuer. Eine auf 31. Dezember 2016 von der Kommune gesetzte Frist ließ Dolphin Trust verstreichen. Und so schrieb ich am 3. Januar 2017 im Blog: Offen ist auch, ob sich der bisherige Eigentümer gegen die Rückübertragung des Grundstücks auf die Stadt sowie die Kündigung aller Verträge durch die Stadt wehrt. Er tat's nicht. Zu unserem Glück kamen wir einigermaßen glatt heraus aus der Nummer.

Frühere Bijouterie 2016. (Fotos: Günter Bächle)

Wer ist die Dolphin Trust? Vor einigen Monaten zappte ich mich eher zufällig in einen Fernsehbericht. Da fiel mir der Name auf: Da war doch was? Richtig! Der ehemalige kurzzeitige Eigentümer des Areals der ehemaligen Bijouterie, der vertraute Namen, wurde in einem Atemzug  mit dem womöglich größten Anlegerskandal in den Nachrichten im Ersten genannt. Die German Property Group (früher Dolphin) aus Niedersachsen steht im Verdacht, ausländische Investoren um ihr Geld gebracht zu haben. Deutsche Behörden ließen es geschehen. Wie konnte es so weit kommen? O-Ton auf der im Netz stehenden Seite des ARD-Politmagazins Panorama.

Zahlreiche Konzernunternehmen des Immobilien-Investors German Property Group (GPG) stellten im Sommer 2020 beim Amtsgericht Bremen einen Insolvenzantrag. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter der gesamten Unternehmensgruppe wurde Rechtsanwalt Gerrit Hölzle aus der Bremer Kanzlei Görg bestellt. Das Verfahren über die namensgebende GPG läuft unter dem Aktenzeichen 531 IN 1/20.

Die Gruppe firmierte bis 2019 unter dem Namen Dolphin Trust und hatte über zahlreiche Projektgesellschaften Anlegergeld akquiriert. Sie erregte nach Auskunft des vorläufigen Insolvenzverwalters bereits 2019 großes Medieninteresse, als der Vorwurf laut wurde, zahlreiche Entwicklungsprojekte lägen weit hinter dem Zeitplan, wie es in einer Pressemitteilung der Kanzlei vom August 2020 heißt. Im März 2021 waren nach Recherchen von NDR, BR und Süddeutscher Zeitung (SZ) erstmals bundesweit sechs Wohn- und Geschäftsräume durchsucht worden. Wie die Tagesschau berichtete, stehen die Ermittlungen im Zusammenhang mit einem der womöglich größten Anlageskandale Deutschlands. Charles Smethurst und Mitarbeiter hätten unter dem Namen Dolphin Capital, Dolphin Trust und German Property Group über Jahre weltweit Geld bei Kleinanlegern eingesammelt.

Mit dem Geld der Anleger sollten denkmalgeschützte Immobilien entwickelt und teuer verkauft werden, so die Tagesschau. Den 15.000 bis 25.000 Investoren, die nahezu ausnahmslos aus dem Ausland kamen, wurden innerhalb von bis zu fünf Jahren Renditen bis zu 15 Prozent pro Jahr versprochen. Vorwiegend Kleinanleger investierten eine bis 1,5 Milliarden Euro. Recherchen von NDR, BR und SZ zeigen, dass ein Großteil ihres Geldes verschwunden ist: Finanzvermittler kassierten teilweise Provisionen in Höhe von 20 Prozent und mehr.

Die Aussagen in den Pressemitteilung des Insolvenzverwalters sind eindeutig: Bei dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der AS German Property Group GmbH  handelt es sich um eine der größten Kriminalinsolvenzen in der deutschen Immobilienbranche. Mutmaßlich sind mehrere hundert Millionen Euro unterschlagen und veruntreut worden (vgl. Handelsblatt vom 18.09.2020). Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt bereits umfassend gegen die Initiatoren und Hintermänner wegen Anlagebetruges (Pressemitteilung der Kanzlei vom 1. Oktober 2020).

In einer Mitteilung der Kanzlei Görg vom 24. Juli 2020 steht (Zitat):  Die German Property Group ist eine in Deutschland ansässige Immobilien-Investmentgesellschaft, die sich darauf spezialisiert hat, einzigartige historische Immobilien in Deutschland, in der Regel von Gemeinden und lokalen Behörden, zu erwerben, diese Immobilien im Anschluss unter Beibehaltung ihres historischen Charakters zu sanieren und an private Käufer weiterzuveräußern. Das Portfolio der German Property Group besteht - so weiter in der Mitteilung - aus einer beträchtlichen Anzahl von Immobilien in verschiedenen Stadien der Entwicklung und/oder Sanierung.

Weiter auf der Internetseite der Kanzlei Görg: Die German Property Group wurde offenbar weitgehend durch private, nicht-institutionelle Investoren finanziert, die hauptsächlich aus dem Ausland (Großbritannien, Irland und Asien) stammten. Die verschiedenen Forderungen dieser Gläubiger werden nun im Rahmen des maßgeblichen deutschen Verfahrens gemeinsam kanalisiert und verwaltet, kündigte der Insolvenzverwalter an.

Kaum Leben auf der Baustelle (Dezember 2016)

Fündig wird, wer recherchiert, auch bei Wikipedia. Ein Auszug aus dem Text mit vielen interessanten Links: Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der als Rechtsanwalt rund 1600 Anleger aus Großbritannien vertritt, verglich 2020 das mögliche Ausmaß des Schadens mit dem des Wirecard-Betrugs. Seiner Einschätzung nach spreche alles für einen gigantischen Anlagebetrug. Medienberichten zufolge haben sich rund 2000 britische Kleinanleger im Jahr 2021 mit einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt, in dem sie die Bundesregierung um Entschädigung bitten.

2021 befasste sich der Finanzausschuss im Deutschen Bundestag mit der Frage, welche Verantwortung deutsche Aufsichtsbehörden, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), für den mutmaßlichen Milliardenbetrug tragen. Die finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Lisa Paus, bewertete die Umstände im Zusammenhang mit der German Property Group wie folgt: Es stinkt zum Himmel – der Großteil des Geldes der Anleger ist vermutlich weg und mal wieder will keiner verantwortlich gewesen sein. Paus kommentierte auf der Web-Seite der Bundestagsfraktion der Grünen: Es fehlten über Jahre hunderte Jahresabschlüsse, da hätten alle Alarmglocken schrillen sollen. Statt irgendwann einzuschreiten, hat man das Spiel jahrelang einfach mitgemacht. Die German Property Group konnte sich einfach frei kaufen, indem sie die Bußgelder überwiesen hat. Dabei wurde ein erheblicher Teil der Bußgelder noch nicht einmal bezahlt. Völlig unverständlich ist, dass statt weiter zu eskalieren, für die Bilanzen ab 2017 irgendwann einfach gar kein Ordnungsgeld mehr festgesetzt wurde.

Das Finanzamt Hannover stellte bereits 2015 fest, so die Nachrichten-Plattform Business Insider, dass es sich beim Unternehmen um ein sogenanntes Schneeballsystem handelte. Da war sie gerade in Dürrmenz eingestiegen. Ermittlungen hielt die Finanzverwaltung allerdings für nicht zielführend. Dokumente wurden entfernt und zerschreddert, dem Insolvenzverwalter Hausverbot erteilt. Trotzdem sah laut Gutachten die ermittelnde Staatsanwaltschaft lange keinen Anlass, Beweise zu sichern.

Auf der Online-Seite Business Insider schreibt Marta Orosz am 21. April 2021 über einen ersten Bericht des Insolvenzverwalters:  Es sei nicht nur die Menge an Daten in Form von 6.100 Aktenordnern, über 170.000 einzelnen Dokumenten und hunderttausenden unsortierte E-Mails, sondern vor allem die fehlende Struktur, die willkürliche Buchführung und nicht nachvollziehbare Geldflüsse innerhalb des Firmengeflechts, die eine umfassende Aufarbeitung unmöglich machten.

In der Liste der Projekte taucht die  frühere Bijouterie im Ortskern von Dürrmenz nicht auf. Dank der aktiven Trennungspolitik von Stadtverwaltung und Gemeinderat. Statt der ursprünglich geplanten Erhaltung und Sanierung der früheren Bijoutterie war der Komplex vollends abbruchreif geworden.

Der Kaufvertrag mit der Bijouterie Wohnmanufaktur GmbH wird rückabgewickelt. Bisher gewährte Zuschüsse aus den Sanierungsmitteln werden zurückgefordert, beschloss der Gemeinderat im Oktober 2015. Interessant die Sachdarstellung in der Ratsvorlage 261/2015: Danach war vereinbart worden, dass der Baubeginn bis spätestens 30. Juni 2015 erfolgen muss, ansonsten habe die Stadt Mühlacker ein Rücktrittsrecht. Trotz laufender Nachfragen und Aufforderungen sei bisher nichts geschehen. Seitens der Sax-Gruppe sei mitgeteilt worden, dass diese die Vermarktung und das Projekt an die Dolphin Trust (Hannover) verkauft habe. Tatsächlich finde sich aber nach längerer Recherche eine Firma Estador (Marburg), die die Wohnungen unter dem Titel „Bijouterie Pforzheim“ vermarkte. Der Geschäftsführer des neuen Eigentümers gelobte zusammen mit seinem von ihm neu beauftragten Architekten in der Sitzung das Verwaltungsausschusss des Gemeinderats im Oktober 2015 Besserung.

August 2017 - nach der Rückabwicklung

Die Bijouterie Wohnmanufaktur GmbH - so die Tochtergesellschaft der Dolphin Trust für das Projekt Dürrmenz mit Sitz in Langenhagen - hatte keine von der Stadt geforderte Architektenbestätigung bis zum 31. Dezember 2016, dass mindestens 300.000,00 Euro bereits verbaut sind, vorgelegt, und somit die zweite Voraussetzung des Vertrages nicht erfüllt. Die erste Auflage, im Oktober 2015 vom Gemeinderat beschlossen: Dolphin Trust müsse monatlich über die Zahl der jeweils verkauften Wohnungen die Stadt informieren. Der OB handelte rasch: Am 2. Januar 2017 unterschrieb er die Kündigung des Kaufvertrags vom August 2014 - seinerzeit noch mit Sax, jetzt Dolphin Trust - für das Projekt aus Neubau und Sanierung an Krumme Gasse und Brunnengasse. Letztlich konnte der Vertrag rückabgewickelt werden, der Widerstand von Dolphin Trust war gleich null.

Wer ist eigentlich Dolphin Trust? Jetzt wissen wir es ganz genau. Aber irgendwie ging das bisher in Mühlacker unter. Dabei gelang es der Stadt durch schnelles und umsichtiges Handeln die Vereinbarungen, die Dolphin Trust von Sax zunächst ohne Wissen der Kommune übernahm, zu kippen. Sonst wäre das Gelände inzwischen Konkursmasse. So aber bekam es die Kommune wieder in ihre Hände. Die Realisierung der Bebauung dauerte zwar verdammt lang. Dafür ging sie letztlich ohne juristische Schrammen ab. Und das ist auch wichtig. Jetzt wird etwas Gutes daraus.

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