Online und live: Quer durch den Enzkreis und die Zeitepochen - Zwei Stunden mit Jeff Klotz auf digitaler Tour
Und immer wieder Lienzingen bei der heutigen virtuellen Denkmalfahrt kreuz und quer durch die Zeitepochen und den Enzkreis. Online und live mit dem Publikum auf Reise. Da ist die hübsche Geschichte vom Ablass der Sünden für alle, die im August zu jener, der Gottesmutter Maria geweihten wunderbaren Liebfrauenkirche in Lienzingen pilgerten, eine von den Mönchen des Klosters Maulbronn errichtete Wallfahrtskirche. Wenn heutzutage das Stadtmarketing so etwas anzubieten hätte – Erfolg wäre ihm garantiert. Außergewöhnlich auch die zu den bundesweit 100 schönsten Kirchenburgen zählende Anlage rund um die Lienzinger Dorfkirche mit ihren Gaden, der Brücke und den hohen Mauern. Einmalig gut der Zustand des mittelalterlichen Ortskerns. Bauteile original aus dem 15. Jahrhundert schmücken einzelne Gebäude. Bei der digitalen Tour wird der Nachtwächter, Restaurant und Hotel in der Knittlinger Straße, zum quasi rhetorischen Haltepunkt. Für den realen Fahrtenleitet vor der Kamera im Bauschlotter Schloss steht fest: Lienzingen ist das schönste Fachwerkdorf im Enzkreis und eine Sensation. Er schreibt gerade an einem Ortsführer über diese Perle des Unterlandes.
Er, das ist Jeff Klotz, mit dem heute 140 Zuschauer auf eine virtuelle Denkmalfahrt gingen.
Virtuelle Denkmalfahrt druch den Enzkreis.mp4 from Jeff Klotz on Vimeo.
Jeff Klotz, der Tausendsassa: Historiker, Archäologe, Schriftsteller, Kunstsammler, Museumsleiter und Verleger aus Remchingen-Wilferdingen, mit Verlagssitz im Schloss Bauschlott in Neulingen. Er schöpft aus einem gewaltigen Wissensfundus, in den knapp zwei Stunden strauchelt er nicht einmal. Rhetorisch stark, macht ihn das alles zur Idealbesetzung auf einer solchen virtuellen Fahrt. Auch wenn er augenzwinkernd sagt, seine technischen Hilfsmittel, um Bilder von Objekten, über die er gerade spricht, zu zeigen, seien mittelalterlich - er hält sie einfach in die Kamera. Dafür redet Klotz fast zwei Stunden am Stück, ohne Pause und ohne auch nur einmal seine Stimmbänder zu benetzen. Klotz ist eine Story für sich.
Spannend war diese virtuelle Denkmalfahrt durch 30.000 Jahre Geschichte. Nicht nur, weil Lienzingen immer wieder ein Thema war. Ich habe den Eindruck, zumindest bei mir, dass der hörende Zuschauer mit einer größeren Aufmerksamkeit die Ausführungen verfolgt, konzentrierter dabei ist und unterm Strich sogar mehr Wissen davon hängen bleibt als bei realen Führungen mit den diversen Ablenkungen. Auf die virtuelle Begehung von Lienzingen bin ich neugierig.
Gespannt bin ich auf seinen Text über den Nachtwächter und wie Klotz nachträglich die Erhaltung des Gebäudes am angestammten Platz bewertet. Es gab wie Gerd Schäfer entschiedene Verfechter einer Translozierung des Gebäudes in ein Freilichtmuseum, ich schrieb heftige Leserbriefe dagegen. Damals sollte vom Land aus in Lienzingen ein Freilichtmuseum entstehen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein Angebot des Enzkreises war das heute. Kreispolitisch eine der Freiwilligkeitsleistungen, die manche im Kreistag gerne lichten würden. Doch der Landkreis muss nicht nur Geld haben für die Problemfälle und Minderheiten. Auch solche Angebote wie heute machen den Landkreis immer noch ein bisschen attraktiver.
Das Netzwerk „Fachpartner Denkmalpflege und Fachwerk“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Verfall von Denkmälern und Fachwerkhäusern entgegenzuwirken, um regionale Kulturgüter zu schützen. Koordiniert wird das Netzwerk von der Klimaschutz- und Energieagentur (neu: Klimaschutz- und Energieagentur) Enzkreis Pforzheim und der Stabsstelle Klimaschutz und Kreisentwicklung Enzkreis. Denn der Erhalt von Bausubstanz trage laut dem Netzwerk nicht nur zur Bewahrung von Werten der Vergangenheit bei, sondern leiste durch den Schutz natürlicher Ressourcen auch einen Beitrag für die Kreisentwicklung in der Zukunft. Zum Schluss wird Klotz philosophisch. Jedes wertvolle, ortsbildprägende Element ist ein einzigartiges Erbe und erzählt von historischen Baustilen, alten handwerklichen Techniken, von der Kultur und den Menschen, die darin gewohnt haben. Und weiter: Wirtschaftlicher Druck, Sparzwänge, nicht fachgerechte Renovierungen, schädliche Umwelteinflüsse oder einfach der Zahn der Zeit setzen den historischen Gebäuden zu. Auch das Wissen zu einem sachgemäßen Umgang mit der historischen Substanz wie auch handwerkliche Fertigkeiten drohen verloren zu gehen.
Fachwerk lesen lernen. Nach dem ersten Band über Fachwerkhäuser im Enzkreis. Und dabei heißt es auch hier: Und immer wieder Lienzingen.
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