Nur eine Handvoll Projekte: Der Markt allein schafft keine bezahlbaren Wohnungen - Wir brauchen Stadtbau & Co dringend
Ein Hilferuf, der mich vor einiger Zeit erreichte: Eine Familie mit zwei kleinen Kindern bewohnt seit Juni 2017 eine 2-Zimmer Dachgeschoßwohnung in Dürrmenz, die jetzt aufgrund des dringenden Sanierungsbedarfs (Bakterien im Trinkwasser und massive Schimmelbildung an den Fenstern) vom Hauseigner zum 30. Juni 2021 gekündigt wurde.Von Oktober 2018 bis zur Absage im Februar vorigen Jahres bestand Kontakt mit der Stadtbau Mühlacker GmbH - mit einer gewissen Hoffnung, dass vielleicht ein Einzug in dem neu erbauten Haus in der Stuttgart Straße möglich wäre.
Letztendlich kam die Familie dort nicht zum Zuge. Die acht Wohnungen unterschiedlicher Grüße hätte der Aufsichtsrat mehrfach vergeben könne, so stark war die Nachfrage. Zudem bestanden Kontakte zur Kreisbau Enz-Neckar eG, Bauträgern in Pforzheim und verschiedenste Kontakte über Internet, Mühlacker Tagblatt und persönlich. Leider waren bisher alle Bemühungen vergebens. Deshalb die Bitte an mich, meine Möglichkeiten und Kenntnisse zu prüfen, ob und wie sie helfen können.
Jetzt schrieb ich eine Zwischennachricht an die Familie und einer sie betreuenden engagierten Mitbürgerin: Ich hatte den Hilferuf in meinem persönlichen und politischen Umfeld verbreitet. Entweder gab es gar kein Echo oder aber die Kreisbau zum Beispiel teilte mit, sie habe keine Wohnung zu vermieten beziehungsweise bei freiwerdenden Wohnungen stünden schon Nachmieter bereit.
Das Schweigen derjenigen, die auf den Markt setzen
Bewusst schrieb ich auch Gemeinderatskollegen/innen an, die die Auffassung vertreten, der Markt werde das alles richten. Eine Rückmeldung blieb aus. Trotz eines seit Jahren bestehenden Mangels schleppt sich der Bau von Mietwohnungen - öffentlich geförderter, somit subventionierter Wohnraum - hin. Gibt es Zahlen? Meine Recherche endete zunächst ergebnislos im Rathaus, dann beim Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, das keine Daten für die einzelnen Kommunen liefern konnte. So blieb mir der Versuch, bei der L-Bank in Karlsruhe wegen Datenmaterials nachzufragen. Immerhin nicht ergebnislos.
Enzkreis und Pforzheim hinter dem Landesdurchschnitt
Nach den von der L-Bank mit übermittelten Zahlen für die 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise liegt der Enzkreis mit einer öffentlichen Förderung des Wohnungsbaues von 124 Euro je Einwohner durch die L-Bank nur auf dem 35. Rang. Spitzenreiter ist mit 347 Euro pro Kopf der Kreis Lörrach, Schlusslicht der Kreis Tuttlingen mit 96 Euro je Einwohner. Pforzheim bleibt mit 114 Euro noch um vier Plätze hinter dem Enzkreis. Beide rangieren deutlich hinter dem Durchschnitt des Landes Baden-Württemberg von 179 Euro pro Einwohner. Das zeigt, dass im Enzkreis nicht genügend Anstrengungen unternommen werden, öffentlich geförderten, damit subventionierten bezahlbaren Mietwohnraum zu schaffen, so mein Fazit.
Zu diesen Zahlen der L-Bank kommentierte ich in einer Mail an Landrat Bastian Rosenau, das Thema Sozialwohnungen habe sich in den Kreisgremien etwas verloren. In seiner Stellungnahme formuliert es der Landrat anders: Das Thema sei gezielt nicht weiterverfolgt worden. Hintergrund sei damals der auf Wunsch des Kreistags initiierte Vernetzungsprozess mit den Städten und Gemeinden zu diesem Thema gewesen. Mangels eigener Gemarkung und Möglichkeiten des Landkreises, sei das Interesse und Potential mit den Städten und Gemeinden sowie möglicher Bauträger eruiert worden.
Landrat schließt erneuten Anlauf nicht aus
Schlussendlich war das Votum der Städte und Gemeinden, dass überwiegend kein Interesse an einer Projektierung durch den Landkreis bestand, maßgeblich, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen. Was aber nicht heißt, dass man nicht zu gegebener Zeit nicht einen erneuten Anlauf unternehmen könnte, schreibt Rosenau. Mit dem Ausscheiden des Ersten Landesbeamten Wolfgang Herz Ende Mai 2021 werde der Bereich Kreisentwicklung direkt beim Landrat angesiedelt. Er persönlich, so Rosenau, sehe das Thema nach wie vor als entsprechend virulent an, um zu gegebener Zeit nochmals einen Anlauf unternehmen zu wollen. Die Interpretation der Zahlen lässt sich mit einem Blick zusammenfassen: ausbaufähig.
Die Antwort auf meine Datenerhebung bei der L-Bank dokumentiert, dass jene falsch liegen, die ständig behaupten würden, der Markt werde das alles schon richten. Die tägliche Erfahrung der Menschen, die günstige Wohnungen suchen, lehrt das Gegenteil. Ohne kommunales und staatliches Engagement passiert gar nichts bis zu wenig für entscheidende Fortschritte. Das bestätige auch die Richtigkeit des gemeinsamen Vorstoßes der Gemeinderatsfraktionen von CDU, LMU und SPD für den weiteren Aufbau der Stadtbau Mühlacker GmbH und eine zeitnahe Lösung der Geschäftsführerfrage. Sie muss jetzt vollends auf feste Beine gestellt werden, wofür Aufsichtsrat und Gemeinderat nun die Weichen gestellt haben. Zudem sind zehn Prozent der Wohnungen auf dem Areal alte Ziegelei als öffentlich geförderte, das heißt vergünstigte Mietwohnungen geplant. Auch das bringt uns einen großen Schritt weiter. In den anstehenden Beratungen muss geklärt werden, in welcher Form sich die Stadtbau hier einbringen kann.
Bezahlbares Wohnen ist und bleibt ein wichtiges Thema
Wohnraumförderung: Bezahlbares Wohnen sei und bleibe ein wichtiges Thema, so die L-Bank. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sei in Baden-Württemberg nicht nur ein städtisches Problem, er habe auch ländliche Regionen erreicht. Wissenschaftlich formuliert heißt das dann: Mieten und Einkommen haben sich entkoppelt. Die Kosten-Last für eine Wohnung trifft einen Personenkreis, zu dem inzwischen zum Beispiel auch Facharbeiter und Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes gehören. Nach der 2017 von der Wohnraum-Allianz angeregten und von der L-Bank in Auftrag gegebenen Prognos-Studie müssten bis 2025 in Baden-Württemberg 410.000 bis 485.000 Wohnungen gebaut werden. Die Förderung von neuem, bedarfsgerechtem und gleichzeitig bezahlbarem Wohnraum und die Sanierung beziehungsweise Modernisierung bestehenden Wohnraums gehört daher zu den Förderschwerpunkten der L-Bank. Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf die soziale Mietwohnraumförderung gelegt. Sie kommt besonders einkommensschwächeren Haushalten zugute und ergänzt so das Angebot des freien Wohnungsmarkts.
Dabei dürfen gerne noch ein paar Schippen draufgelegt werden.
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