Naturschutzgebiet Ziegelhäule: Welt der Heuschrecken, Libellen und Stechimmen - Sandlaufkäfer hat sich offenbar verabschiedet
Denn der Käfer, Ureinwohner Bayerns, war nach dem Abräumen der Erdberge dort plötzlich aufgetaucht. Der Kerl gab den Ausschlag, dort ein Naturschutzgebiet festzulegen. Doch schon 2015 war klar - er ist weg. Und kehrte bisher offenbar nicht wieder, der Deutsche Sandlaudfkäfer. Bis heute nicht. Im Gutachten, das vor fünf Jahren dem Gemeinderat vorgelegt wurde, hieß es: Der vom Aussterben bedrohte und streng geschützte Deutsche Sandlaufkäfer (Cylindera germanica) trat bislang nur sporadisch im Naturschutzgebiet auf und konnte im Jahr 2014 auch nicht mehr bestätigt werden. [Würdigung des Naturschutzgebietes „Ziegelhäule“ der Großen Kreisstadt Mühlacker, Gemarkung Lienzingen (Enzkreis), Regierungspräsidium Karlsruhe, Abteilung 5 - Umwelt - S. 15]. Aber dafür gibt es Geldbauchunken & Co. Und die wollen schließlich auch geschützt sein. Also, tun wir's!
Kürzlich schrieb ich der Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder eine Mail, wollte zuvörderst wissen, wie es um den Pflege- und Entwicklungsplan bestellt ist, nachdem dieser sich verzögert hatte, konnte mir aber die Frage nicht verkneifen: Gibt es den alten Deutschen Sandläufer doch noch im Ziegelhäule? Nein, steht im Antwortbrief aus Karlsruhe. Diese Art sei sehr schwer nachzuweisen. Der Nachweis hänge stark von diversen Umwelt- und Umgebungsfaktoren ab, so dass Zufallsbeobachtungen eher selten seien. Im Zuge der Bestandserfassung der Laufkäfer im Jahr 2014 habe er nicht nachgewiesen werden können. Generell sei, wie bei vielen Insektenarten, auch die Gruppe der Sandlaufkäfer stetig im Rückgang. So habe der Deutsche Sandlaufkäfer auch in Gebieten mit deutlich größeren Populationen aktuell nicht nachgewiesen werden können. Durch geeignete Maßnahmen könne die Habitatqualität verbessert werden, eine Garantie für eine Besiedlung dieser mobilen Art in signifikanten Mengen sei dies hingegen leider nicht.
Trotz verquerer Vorgeschichte: Das Naturschutzgebiet „Ziegelhäule", an der Landesstraße 1134 zwischen Mühlacker und Lienzingen, ist ein Pluspunkt für die Lienzinger Landschaft. Mit Verordnung vom 12. April 2017 wurde das Naturschutzgebiet ausgewiesen. Es umfasst auf elf Hektar vor allem das gleichnamige, stillgelegte Erdzwischenlager im Süden, Nasswiesen im Norden sowie das Flächennaturdenkmal Trinkweiher (seit 1986 Naturdenkmal, 0,18 Hektar klein) im Nordosten des Naturschutzgebietes. Im Rahmen der vorbereitenden Arbeiten zur Ausweisung als Naturschutzgebiet sind Tierarten kartiert und Biotoptypen erfasst worden. Im gesamten Regierungsbezirk Karlsruhe gibt es aktuell 229 Naturschutzgebiete mit knapp drei Prozent der Fläche des Regierungsbezirks, davon 31 im Enzkreis (3,03 Prozent der Fläche). Auf dieser vergleichsweise kleinen Fläche finden zahlreiche seltene Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum. Ein Tipp: Das Ziegelhäule findet sich auch in der App Meine Umwelt.
Neben der Darlegung der Bestandsdaten werden im Gutachten zur Unterschutzstellung aus dem Jahr 2014 auch das Leitbild und Schutzziel sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen aufgeführt. Vor diesem Hintergrund wird derzeit die Erstellung eines Pflege- und Entwicklungsplanes als für nicht erforderlich erachtet. Darüber hinaus unterliege das Gelände der ehemaligen Tongrube einer starken und beständigen Dynamik, sodass hier nur sehr schwierig konkrete und flächenscharf abgrenzbare Maßnahmen über einen längeren Zeitraum genannt und vorgesehen werden könnten. Vielmehr seien jährlich Maßnahmen für das Folgejahr festzulegen, antwortete mir als Stadtrat die Chefin des Regierungspräsidiums Karlsruhe.
Demnach wurde nach Ausweisung des Naturschutzgebietes im Jahr 2018 zunächst die Gehölzsukzession zurückgedrängt, indem Gebüsche entfernt wurden, um schutzwürdige offene Bereiche für lichtliebende Tiere und Pflanzenarten zu erhalten. Im Jahr 2019 seien die Gehölzsukzession für die anschließende Reaktivierung eines Tümpels und Pflanzen, die natürlicherweise nicht vor Ort vorkommen, sogenannte Neophyten wie die Goldrute, beseitigt worden. Im vergangenen Jahr seien schließlich Optimierungsmaßnahmen an der vorhandenen Steilwand, die Reaktivierung des ehemals vorhandenen Tümpels und eine Ziegenbeweidung im Bereich des ehemaligen Erdzwischenlagers erfolgt. Es habe sich hierbei unter anderem um Aufträge nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) sowie um Baggerarbeiten durch die Stadt Mühlacker gehandelt.
Ziegelhäule findet sich auch in der App Meine Umwelt
In einem weiteren Schritt ist im nördlichen Bereich die Extensivierung der Wiesen vorgesehen, kündigte Felder an. Hierzu habe das Regierungspräsidium im Jahr 2020 die örtlich ansässigen und dort wirtschaftenden Landwirte hinsichtlich des Abschlusses von LPR-Verträgen und Aufträgen angefragt. Entsprechende Verträge können jedoch nur auf freiwilliger Basis abgeschlossen werden: Leider waren die angefragten Landwirte hierzu bislang noch nicht bereit.
Für das Jahr 2021 seien zum jetzigen Zeitpunkt weitere Optimierungsmaßnahmen an der vorhandenen Steilwand sowie das Zurückdrängen von Gehölzsukzession und Neophyten (Goldrutenbestände) geplant. Des Weiteren werden wir erneut die Landwirte hinsichtlich des Abschlusses von LPR-Verträgen im Bereich der Wiesenflächen kontaktieren.
Hinsichtlich der Wegeführung und der weiteren Öffnung des Naturschutzgebietes für die Öffentlichkeit schränkt die Regierungspräsidentin deutlich ein. Der im Naturschutzgebiet stehenden Informationstafel sei zu entnehmen. dass es außerhalb des Naturschutzgebietes einen Weg gebe, der sogenannt Waldstückleweg, der von Lienzingen kommend am Waldrand entlangführe, das Gebiet westlich umlaufe und südlich der Tongrube in die L1134 münde. Ebenso bestehe für Besucher die Möglichkeit, den sogenannten Trinkweg, der nordwestlich der Tongrube verlaufe und ins Schutzgebiet führe, zu nutzen.
Die Präsidentin winkte in einem anderen Punkt ab: Eine zusätzliche West-Ost-Querung innerhalb des Naturschutzgebiets durch Anlage eines weiteren Weges im Bereich der Wiesenflächen könne nicht erfolgen, weil er den Schutzzwecken des Naturschutzgebiets erheblich widerspräche. Vom Schutzzweck umfasst seien die Wiesen und Gräben, insbesondere als essentieller Lebensraum und Wanderkorridor für Amphibien wie auch als Jagdrevier, Nahrungs- und Fortpflanzungsstätte für Vogel-, Reptilien-, Heuschrecken-, Libellen-, Käfer und Stechimmenarten: gerade auch seltener und gefährdeter Arten. Ein Teil der dort vorkommenden Wiesen umfasse zudem europarechtlich geschützte magere Flachland-Mähwiesen.
Zudem ist nach der Schilderung der Präsidentin in jüngster Zeit leider festzustellen, dass Naturschutzgebiete zunehmend einem hohen Besucherdruck und dabei erheblichem Lärmaufkommen und Verschmutzungen ausgesetzt sind: Dies wiederum führe zu einschneidenden Beeinträchtigungen dieser wichtigen Lebensräume von seltenen und geschützten Arten. Vor diesem Hintergrund sehen wir möglichst davon ab, derart sensible Gebiete weiter für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ob nördlich außerhalb der Naturschutzgebietsgrenze eine Verbindung vom früheren Fußballplatz (heute Waldkindergarten Araneus e.V.) zur L 1134 geschaffen werden könne, würde von den Planungen der Gemeinde und der Zustimmung der jeweiligen Grundstückseigentümer abhängen.
Zum Schutz der Lebensstätten und Fauna umfassen die Naturschutzgebietsverordnungen entsprechende bußgeldbewährte Verbotstatbestände, wobei ausdrücklich naturkundliche Führungen ausgenommen sind, heißt es in der Antwort weiter. In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch im Rahmen solcher naturkundlichen Exkursionen das Wegegebot nach der Schutzgebietsverordnung einzuhalten sei. Sofern ein eingezäunter Bereich betreten und die Wege verlassen werden sollen, sei eine Befreiung der höheren Naturschutzbehörde nach dem Bundesnaturschutzgesetz erforderlich.
Info:
Ansprechpartner für das Naturschutzgebiet Ziegelhäule im Regierungspräsidium Karlsruhe ist Daniel Raddatz, erreichbar unter Daniel.Raddatz@rpk.bwl.de oder unter der Telefonnummer 0721 9264351.
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