Baulücken: Jedesmal viel Tamtam und kein Ertrag

Baulücken, die ewige Geschichte Mühlacker Kommunalpolitik. Jedes Jahr legt das Baurechts- und Planungsamt der Stadtverwaltung  eine Statistik vor, die mit der Botschaft endet: In der Sache sind wir nicht wesentlich erfolgreich gewesen. Jedesmal die berechtigte Klage, zu viel erschlossenes Bauland stehe dem Markt nicht zur Verfügung, sei weiterhin unbebaut. Und dies in einer Zeit starker Nachfrage. Jedesmal eine endlose Diskussion über die Möglichkeiten zur Aktivierung dieser Flächen mit guten Ratschlägen. Jedesmal das Klagelied über diese Grundstücke, die fürs Enkele aufgehoben werden. Jedesmal die fruchtlose Debatte, der Staat solle exakt für diese Flächen den Kommunen die Möglichkeit einer höheren Grundsteuer eröffnen. Jedesmal viel Tamtam und keinen Ertrag. 

So war es schon 2009. Jedesmal kehrt alles wieder.

Vor 14 Monaten listete ich in meinem Blog – nicht zum ersten Mal - die Möglichkeiten auf, die andernorts zur Reaktivierung der Baulücken unternommen werden. Und zwar erfolgreich. Interessiert nicht – das Desinteresse beginnt beim Oberbürgermeister und endet beim Amtsleiter für Baurecht und Stadtplanung. Nicht einmal der Versuch wird unternommen, bei diesen Kommunen die Ergebnisse von Flächenmanagement abzufragen. Seit das Land Baden-Württemberg ein entsprechendes Förderprogramm zur Innenentwicklung aufgelegt hat, heißen die Inhaber der Stellen, die gefördert werden, Flächenmanager. Diese Job-Bezeichnung ist nicht meine Erfindung.

Doch dann stellte sich Optimismus bei mir in diesem Punkt ein. Von sich aus brachte die Stadtverwaltung meine Anfrage S19-088-60 vom 14. Juli 2019 auf die Tagesordnung des Gemeinderats. Höchst ungewöhnlich, aber der Sache offenbar durchaus dienlich. „Wie steht die Verwaltung zu einer eventuellen Anwendung von § 176 Baugesetzbuch durch die Stadt Mühlacker? Gäbe es Voraussetzungen?“ Im Zuge der Bearbeitung dieser  Anfrage sei deutlich geworden, dass die Fragestellung grundsätzlichen Charakter habe und eine Meinungsbildung im Gemeinderat zielführend wäre. Dies nicht zuletzt, weil aktuell das im Rahmen der Beratungen über die Situation der Baulücken vom Gemeinderat gewünschte Anschreiben an die Eigentümer in Bearbeitung sei. Immerhin beschloss der Gemeinderat, die Eigentümer von Baulücken anzuschreiben und hierbei deren Nutzungsabsichten zu erfragen. Allein 175 Baulücken in Gebieten, über die ein Bebauungsplan liegt, nannte die Verwaltung – eine Nettozahl. Brutto: 254.

In den vergangenen Jahren sei – so die Verwaltung -  in diesem Segment praktisch keine Bewegung festzustellen, so dass Überlegungen zu einer verbindlicheren Form der Aktivierung dieser großen Zahl von Baulücken angemessen erscheinen würden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund einer weiterhin sehr angespannten Lage am Grundstücksmarkt und der Vorgabe des Baugesetzbuches, mit Grund und Boden sparsam umzugehen und Innenentwicklung vor Außenentwicklung zu betreiben.

Kann ich voll unterstreichen. 

Das Ergebnis der Briefaktion mit Stand vom 17. März 2020 laut Vorlage Nr. 095/2020: 

  • Baulücken gesamt 254 
  • Eingegangene Antwortbögen 140, gleich 55 Prozent
  • Eigener Hausgarten 28
  • Zur Eigenbebauung 56 (14 in 2 Jahren, 7 in zwei bis fünf Jahren, 20 in fünf bis zehn Jahren, 15 in mehr als 10 Jahren)
  • Zum Verkauf 29 (in Kürze 3, in ein bis fünf Jahren 15, in mehr als fünf Jahren 11)
  • Interesse an Kontaktaufnahme wegen Bauland(verkaufs)portal 3 (= 1,18 Prozent)

Max Weber sprach einst von Politik als dem Bohren dicker Bretter. Doch hier ließ die Verwaltung den Bohrer einfach liegen. Die vertiefende Behandlung des Baugebots nach Paragraf 175 Baugesetzbuch fand auch trotz Information über das Ergebnis der Brief-Aktion nach Monaten im Gemeinderat nicht statt. Nun sind wir so gescheit wie zuvor. Und gleichzeitig klagt das zuständige Amt über die Fülle von Bebauungsplanverfahren, für die es meist deutlich länger braucht als andere Kommunen.

Vor diesem Hintergrund stellte die CDU-Gemeinderatsfraktion den Antrag, sich aus Fördermitteln des Landes aus dem Programm „Flächen zu gewinnen“ zu bemühen, um Baulücken zu aktivieren. Konkret: Um die vom Land angebotene Ko-Finanzierung eines Flächenmanagers zu 50 Prozent auf zwei Jahre einzugeben. Maximal bezahlt das Land pro Jahr 30.000 Euro. Zwar empfahl die Verwaltung, aus finanziellen Gründen in der jetzigen Phase nicht in Stuttgart vorstellig zu werden. Gleichzeitig schrieb die Verwaltung von unbestreitbaren Vorteilen einer solchen Stelle. Einige der Aufgaben eines Flächenmanagers würden zwar jetzt schon von verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung abgearbeitet, wenn auch naturgemäß nicht in der Tiefe, in der dies bei Schaffung  einer allein hierfür zuständigen Stelle möglich wäre.

Antragsschluss beim Land war 27. Juli 2020, die CDU stellte den Antrag am 21. Juni, auf der Tagesordnung des Gemeinderats stand er am 21. Juli 2020: Entweder wäre der Antrag früher behandelt worden oder die Verwaltung hätte sich mit der Antragstellung sputen müssen. Beides passierte nicht. Allein dies lässt das mangelnde Interesse erkennen. 

Was aber höchst ärgerlich, für mich persönlich auch sehr enttäuschend war: Der Amtsleiter beschoss gar seine eigene Vorlage, versuchte die in ihr genannten Pro-Argumente auszuhebeln. Das ging auf Kosten seiner und der Verwaltungsspitze Glaubwürdigkeit. Ich verstehe die Leute, die diesen Mangel  im Umgang gerade mit diesem städtischen Amt beklagen. Zuerst zeichnete sich eine Mehrheit aus CDU, LMU und SPD ab. Doch des Amtsleiters Verbal-Attacken gegen die eigene Vorlage verunsicherte die SPD, die nun zum Nein umschwenkte, und zwei der sechs LMU-Mitglieder, die sich der Stimme enthielten.

Fazit: Die Verwaltung hat keine Lust, in diesem Punkt weiterzukommen. Aller Sonntagsreden zum Trotz. Debatten über Baulücken-Statistiken bleiben das, was sie immer waren - Phantom-Diskussionen. 

Notwendig wird sein, dass die Landes- und Regionalplanung die Instrumente schärft und Baulücken zu einem noch deutlich höheren Anteil in die Bedarfsberechnung für geplante Neubaugebiete einrechnet, wenn die Gemeinde nicht nachweisen kann, sich aktiv um eine Aktivierung von Baulücken bemüht zu haben. Der Regionalverband Nordschwarzwald hat damit schon begonnen.  

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.