Die Träume von einem Freibad im Scherbental und andere Lienzinger Geschichten

Das Gemeindebackhaus war im Erdgeschoss des Wohngebäudes Zaisersweiherstraße 3 untergebracht, in dem bis zum Abbruch 2020 - wegen des neuen Dorfplatzes vor der Kelter - ausschließlich noch die Feuerwehr logierte

Ein Freibad für Lienzingen? Wer hätte das gedacht! Solche Pläne entdeckt, wer in den Protokollbüchern des Gemeinderates von Lienzingen blättert. Und staunt gewaltig. Manche(r) mag auch denken, schade, dass daraus nichts geworden ist. Wäre das auch ein Beitrag gewesen zur kommunalen Daseinsvorsorge? Ein  Gemeindebackhaus war dies in früheren Jahren schon. Ebenso die Versorgung der Menschen mit Brennholz, als weder Öl-, Gas-, Elektro- noch Pelletsheizungen üblich waren. In den Aufzeichnungen von Bürgermeister Richard Allmendinger stecken auch hinter kurzen Einträgen in die Protokollbücher manche, seinerzeit brisante Nachrichten. Heute dazu eine kleine Sammlung. Überraschendes,  gelesen in den Niederschriften - schöner amtlicher Begriff - aus dem Lienzinger Rathaus.


Lienzinger Geschichte(n) heute zu seiner, wie es so hübsch heißt, kommunalen Daseinsvorsorge. Der Bürgermeister, der nach Wasser bohren lässt, einen Gemeinderatsbeschluss torpediert und den Gemeindepfleger beim Reisiglos in die Ecke stellt. Kommunale Einrichtungen, wobei das Kapitel Trinkwasserversorgung noch in einem weiteren Beitrag aufbereitet wird - es würde hier den Rahmen sprengen. Dazu in Akten und Ratsprotokollen geblättert (Serie in meinem Blog)


  • Gemeinderat will Schulden als Mitgift für Mühlacker

Vorweg: Aus den Plänen für ein Freibad wurde nichts. Ratsmitglied Fritz Geißler regte den Bau in einer Sitzung im Jahr 1973 an. Das passte in die Bemühungen der Kommune, vor der befürchteten Eingemeindung nach Mühlacker größere Projekte über Darlehen zu finanzieren und die vorhandenen Mittel für den Feldwegebau auszugeben. Hintergrund des Vorschlags: Lienzingen war weitgehend schuldenfrei – auch ein Argument für die Leistungsfähigkeit der Kommune, mit der sie die Forderung nach Selbstständigkeit immer wieder begründete. Wenn Lienzingen schon nach Mühlacker müsse, nehme man wenigstens auch Schulden mit (STAM, LI B 328, S. 283). Das bekräftigten die Bürgervertreter in der Sitzung vom 17. August 1973, als sie meinten, den Bau des geplanten Wasserhochbehälters solle die Kommune mit Krediten bezahlen - jedoch Kosten anderer Projekte wie zum Beispiel ein Freibad oder den Ausbau von Feldwegen mit Eigenmitteln bestreiten. Im Falle der Eingemeindung nach Mühlacker könne man im Bereich von Lienzingen wohl kaum mit weniger dringenden, aber dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Einrichtungen rechnen.

  • Freibad-Standort im Scherbental

So blühten die Freibad-Träume auf. In der Ratssitzung am 17. August 1973 stand das Thema auch als gesonderter Punkt auf der Tagesordnung. Der Gemeinderat beauftragte den Bürgermeister, mit den in Frage kommenden Grundstückseigentümern Kaufverhandlungen aufzunehmen. Als Standort dachten die Räte an das Scherbental. Ihre Argumente zitiert der Bürgermeister im Protokoll: Lienzingen müsse noch vor seiner Eingemeindung nach Mühlacker Einrichtungen schaffen, mit denen es hernach nicht mehr rechnen könne und zu einer Eingemeindung gehöre auch ein beträchtlicher Schuldbetrag gewissermaßen als Mitgift, ansonsten würde man ja nur ausgelacht.

Doch Allmendinger schien zumindest die Freibad-Pläne nicht mitzutragen und sagte offen, er nehme den Vorschlag von Gemeinderat Geißler nicht ernst und trat deshalb auch in keine Kaufverhandlungen ein, wie er selbst mit dem Blick in die Zukunft protokollierte. Damit torpedierte er die Umsetzung des Beschlusses und das Freibad-Kapitel schneller zugeschlagen als vom Gemeinderat befürchtet (STAM, LI B 328, S. 239).

  • Als Brennholz zur Mangelware zählte
Lienzingen, Dauerwiesen, historisch: Kartenblatt NW XLV 13 Stand 1835, Bild 1 (Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg)

Ein immer wiederkehrendes Thema war, wie die Lienzinger mit Brennholz zu versorgen waren, was vor allem in der Nachkriegszeit zu Verteilungskämpfen führte. Dies zeigte sich zum Beispiel  in der Ratssitzung am 4. April 1952. Der Bürgermeister sagte, eine öffentliche Versteigerung der Reisiglose gegen Meistgebot habe sich nicht als die ideale Lösung erwiesen. Die Unbelehrbaren seien dadurch auch nicht zufriedengestellt worden, weil das Brennholz eben zur Mangelware zähle. Dem Gemeinderat bleibe also nicht die Mühe erspart, sich auch weiterhin mit Zuweisungen zu befassen. Schwer sei jetzt vor allen Dingen, gewisse Unebenheiten auszugleichen. Dadurch, dass Gemeindepfleger Emil Geißler das ihm zugewiesene Reisiglos nicht angenommen habe und ein anderes Los habe ersteigern lassen wollen, sei ein unnötiger Streit entstanden, der durch etwas Toleranz hätte vermieden werden können, so Allmendinger weiter. Auch Holzhauer Albert Straub habe sein Reisiglos nicht übernehmen wollen. Eine Schilderung, die jedoch auf Widerspruch stieß, denn im Protokoll steht: Im Verlauf der weiteren Beratungen hätten sich innerhalb des Gemeinderats Gegensätze herausgestellt, schließlich sei der etwas unbehagliche Beschluss gefasst worden. Danach durften an der Versteigerung der letzten 14 Reisiglose nur noch solche Familien teilnehmen, die mindestens fünf Personen zählten oder drei und mehr Stück Großvieh besaßen oder bisher noch kein Reisiglos erworben hatten. Geißler und Straub bekämen kein Reisiglos mehr zugewiesen, sondern sie müssten sich jeweils eines ersteigern. Einzelpersonen könnten nur maximal einen Meter Nadelholz erhalten, wenn sie keinen eigenen Haushalt führten. Was dann noch an Brennholz übrig bleibe, solle zum Ausgleich von Härtefällen verwendet werden (STAM, Li B 324, S. 117).

  • Auf der Suche nach Trinkwasser in den Dauerwiesen

Eigentlich herrschte in Lienzingen keine Wassernot. Das sollte der Steckbrief belegen, den die Gemeinde in der Anhörung zum Gesetzentwurf zur kommunalen Gebietsreform 1973 nach Stuttgart schickte, um nachzuweisen, dass Lienzingen die entscheidenden Voraussetzungen für eine

Noch von der selbstständigen Gemeinde Lienzingen gebaut: Wasserhochbehälter im Wannenwald

weitere Selbstständigkeit besaß. In der Stellungnahme, die der  Gemeinderat einstimmig verabschiedete, heißt es, die Trinkwasserversorgung des 1740 Einwohner zählenden Ortes sei gesichert durch eine Quellschüttung  mit 12 Litern pro Sekunde und Bezugsrechten bei der Rheintalwasserversorgung mit fünf Litern pro Sekunde (STAM, Li B 328, S. 271). Mit dem Bau des Wasserhochbehälters in der Endphase der Unabhängigkeit erfolgte auch der Bezug von Bodenseewasser von 1976 an, aber da war Lienzingen schon Stadtteil von Mühlacker. Viermal scheiterte die Kommune bei der Suche nach einer weiteren, nutzbaren Trinkwasserquelle, zuletzt in den Dauerwiesen am Oberlauf der Schmie. Dazu ein gesondertes Kapitel in dieser Serie Lienzinger Geschichte(n).

  • Auch für das Backen war gesorgt

Ein Sieben-Zeiler im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 14. April 1948 verrät, was wohl nur noch die Wenigsten im Flecken wissen: Im rückwärtigen Teil des Gasthauses Lamm, heute Knittlinger Straße 10, befand sich eine Backstube. Wir wohnten von 1952 bis 1957 gleich nebenan im Haus Kontzi und ich musste regelmäßig morgens in einem Behältnis den Teig zu Bäcker Lehner bringen, der ihn "einschoss", und wiederum den fertigen Laib über den Mittag abholen. Jedenfalls wollte Bäckermeister Ludwig Lehner vom 2. bis 24. März 1948 auf das Gemeindebackhaus ausweichen, weil er seinen Backofen im eigenen Betrieb austauschen musste. Der Gemeinderat beschloss, dafür 20 Reichsmark zu verlangen, wobei die Hälfte an den Pächter des Gemeindebackhauses weitergegeben werden sollte (STAM, Li B 323, S. 68 und 82). Im Vorderhaus betrieben Lehners eine Gaststätte  -  das "Lamm"  -  und einen Tante-Emma-Laden, in einem Anbau nebenan eine Kegelbahn.

Das Gemeindebackhaus war im Erdgeschoss des Wohngebäudes Zaisersweiherstraße 3 untergebracht, in dem bis zum Abbruch 2020 - wegen des neuen Dorfplatzes vor der Kelter - ausschließlich noch die Feuerwehr logierte. Bereits in der Ratssitzung am 20. Mai 1954 klagte Backhausverwalter Karl Benzenhöfer über die abnehmende Zahl der Kunden und nannte deshalb die von ihm jährlich zu bezahlende Miete von 40 Mark als zu hoch. Das Ortsparlament reduzierte auf 25 Mark und beauftragte Hedwig Bopp mit der Betreuung des Backhauses (STAM, Li B 324, S. 217 f). Vier Jahre später reduzierte der Rat den Satz auf 12 Mark, weil der Ertrag aus der Benützung der Öfen erheblich zurückgegangen sei, wie Bopp versicherte (STAM, Li B 325, S. 210). Übrigens: Einen Ofen zu benutzen kostete seit Mitte 1955 nicht mehr 20, sondern 50 Pfennig.

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