Sender: Kalte Dusche vom SWR

Zwei-eins-zwei: Muster der Sitzordnung des Mühlacker Gemeinderates am Dienstagabend bei der Sender-Entscheidung. Wegen Corona sollen mindestens eineinhalb Meter Abstand zwischen Menschen sein, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Ergo: Zwischen jeweils einem Ratsmitglied zwei leere Stühle. Deshalb musste auch auf den Zuschauerbereich ausgewichen werden, denn soviel Stühle gibt es an den zwei halbrunden Sitzungstischen nicht

Optimismus machte sich im Ratssaal nach der Abstimmung breit. Die Entscheidung des Gemeinderates von Mühlacker hätte die Rettung des stillgelegten Mittelwellensenders Mühlacker bringen sollen und auch können. Hätte! Hätte! Fahrradkette!, wie weiland ein Kanzlerkandidat zu formulieren pflegte.

Denn beherzte Mitbürger aus Mühlacker legten ein Konzept vor: 20_03_16_Anschreiben_OB.pdf

Nicht die Stadt sollte für 550.000 Euro das Paket mit Sendemast, 7 Hektar Gelände, drei Wohnhäusern und einer Halle dem SWR abkaufen, sondern fünf Mühlacker Bürger um Thomas Knapp, weil ihnen die lange Nadel am Herzen liegt.

Doch der Reihe nach:

I.
Beschluss des Gemeinderates am 17. März 2020

 
Die Verwaltung wird beauftragt, sich beim SWR dafür einzusetzen, dass das Senderareal direkt von den Investoren erworben werden kann.
[23 Ja-Stimmen – 3 Enthaltungen]
 
Falls der SWR nicht bereit ist an die privaten Investoren zu veräußern, soll die Stadt das Gelände mit der Maßgabe kaufen, dass die Investoren eine persönliche Haftung gegenüber der Stadt abgeben, welche formal mit dem Regierungspräsidium abgestimmt wurde. Das Gelände und die damit verbundene Haftung sollen sofort an die Investoren übergehen.
[19 Ja-Stimmen – 7 Enthaltungen]
 
Kommt der Kauf durch die Investoren zustande, wird ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet.
[22 Ja-Stimmen – 4 Enthaltungen]
 
Der Beschluss über den jährlichen Zuschuss in Höhe von 30.000 Euro an die zu gründende Denkmalstiftung soll aufrecht erhalten werden. Die Mittel hierfür sollen in die künftigen Haushalte aufgenommen werden
[23 Ja-Stimmen – 3 Enthaltungen]

II.
Dann die kalte Dusche von heute vom SWR:

Oberbürgermeister Frank Schneider um 14.38 Uhr in einer Mail unter anderem an die Fraktionsvorsitzenden:

Ich habe gerade mit den Herren Büttner und Warth telefoniert.
Das Gespräch war leider in keiner Weise erfolgreich.
Herr Büttner teilte mit, dass der Verwaltungsrat einstimmig entschieden habe, den Mast nächste Woche abzubrechen. Ein Verkauf, an die Stadt oder an einen privaten Dritten, komme nicht mehr in Frage. Es sei bereit 5 nach 12. Es sei Gefahr in Verzug, der Sender sei umgehend abzubrechen, so der Verwaltungsrat. Die Petition war ihm schon bekannt.

Jetzt frage ich mich, wie sich das Verhalten des SWR verträgt mit den Hinweisen im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 5.3.2020 (Seite 12, Absatz 4), wonach der Bescheid weiteren Verhandlungen mit der Stadt Mühlacker nicht entgegen stünden. Nicht einmal der Ablauf der Widerspruchsfrist im Rechtsbehelf wird beachtet. Der SWR setzt selber Recht. Es ist zum Verzweifeln. Ich habe Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Kraut und die Karlsruher Regierungspräsidentin Sylvia M. Feldner informiert. Jetzt haben wir eine Lösung.  Ob von dort Hilfe kommt? Zudem läuft eine Petition beim Landtag von Baden-Württemberg.

Allerdings stehen bis bis jetzt Antworten aus. Und deshalb beschleicht mich das Gefühl, alle halten still, bis der SWR das höchste Bauwerk Baden-Württembergs eleminiert hat. Seit heute Abend steht fest: Die Stadt Mühlacker zieht gegen den Bescheid nicht vor den Kadi - wegen geringer Erfolgsaussichten und Zweifeln, ob sie klageberechtigt ist.

Zwar betrieb der SWR den Antrag auf  Abbruch des technischen Kulturdenkmals beim Regierungspräsidium Karlsruhe, doch er tat dies seinerzeit nicht aktiv. So eröffnete er der Stadt Ende November 2019 bei einem runden Tisch im Rathaus die Chance, durch die Übernahme der  Kosten für neue Spannschlösser (60.000 Euro) den Zeitdruck herauszunehmen und offene Fragen zur SWR-Verkaufsofferte zu klären.  Doch der Gemeinderat lehnte am 10. Dezember mit knapper Mehrheit den Antrag des OB auf Zusicherung der Übernahme ab, obwohl - auch ich - mit Zustimmung gerechnet wurde. Enttäuschung bei SWR, Wirtschaftsministerium und Landesdenkmalamt. Der Name Mühlacker sei in Stuttgarter Ministerien und beim SWR seitdem verbrannt, man könne den Zusicherungen nicht glauben, geistert als Meinung durch Ministerien. Und seitdem wollte zumindest der Südwestrundfunk das Thema endlich vom Tisch haben!

Stadtrat Matthias Trück

Dieser 10. Dezember 2019 war das entscheidende Datum. Mein Fraktionskollege Matthias Trück schilderte dies heute Abend im Gemeinderat pointiert:

In Mühlacker ist man sich einig: Der Sender ist unser Wahrzeichen.

Durch den Sender hat Mühlacker die Stadtrechte erhalten, deshalb nennen wir uns Senderstadt.
Als 2012 das erste Mal davon die Rede war, daß der SWR den Sender abreißen will, hat man sich
für den Erhalt der Nadel eingesetzt: Man hat versucht, zu erreichen, daß die Senderanlage als Denkmal eingestuft wird. – Dies wurde von den Behörden abgelehnt.

Dann kam die Gartenschau, und man hat den SWR gebeten, die Nadel während der Gartenschau stehen zu lassen – der SWR hat sich darauf eingelassen.

Als nächstes hat man den Versuch unternommen, die Nadel als technisches Denkmal einzustufen - dies gelang.

Nachdem der SWR der Stadt das Angebot gemacht hat, die Senderanlage zu kaufen, wurden viele Hebel in Bewegung gesetzt - erreicht hat man einen Kompromiß: die Stadt beteiligt sich mit 60.000 Euro am Austausch der Pardunen.

Jetzt kostete das Wahrzeichen plötzlich Geld und nun war es nicht mehr unser Wahrzeichen:

Am 10.12.2019 hat die Mehrheit im GR den Kompromiß abgelehnt. Damit war die Nadel  weg:  Das war für den SWR und alle die sich für Mühlacker eingesetzt habendas Zeichen, das Mühlacker keinen Wert mehr auf das Wahrzeichen Sendernadel legt.

Ein zweiter Beschluß der im GR im Januar gefaßt wurde, nach Klärung aller offener Fragen über den
Kauf zu entscheiden, kam zu spät.

Dem SWR wurde durch das RP die Abrißgenehmigung erteilt.

Die letzte Möglichkeit, gegen die Abrißgehnmigung zu klagen, wurde im GR mehrheitlich abgelehnt - Auch das würde Geld kosten.

Diejenigen, die nicht bereit waren, den letzten Strohhalm zu ergreifen – die Klage gegen die Abrißgenehmigung anzugehen – können den Abriß der Nadel nicht bedauern: sie werden ja nie erfahren, ob sie den Abriß mit einer Klage hätten verhindern können.

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Mühlackerer am :

Hallo Herr Bächle,

die Idee das Gelände zu kaufen ist eigentlich gut.

Aber es für Privatinvestoren zugänglich machen die es unter dem Deckmantel der Kulturpflege haben wollen? Ich weiß ja nicht.

Schade, dass der SWR so reagiert.
Aber ich kann es verstehen.

Wenn eine Stadt so lange rum-eiert würde ich als SWR auch sagen:
Ihr könnt mich mal. SWR Interessen first. Wen interessiert schon Mühlacker? Hier geht es um wirtschaftliche Interessen und fertig. Deren Entscheider ihr Job.

Eine gewerbliche Nutzung der Senderanlage sehe ich mehr als kritisch. Es gibt doch noch genug leere Flächen die man zuerst einmal bewirtschaften sollte.

Zudem sind in der Region ja sehr viele Firmen gerade insolvent gegangen oder geschlossen worden. Bringt doch erstmal dort wieder Arbeitsplätze hin bevor neue Natur zubetoniert wird. Die Lage des Senders ist doch totaler Irrsinn, dort Gewerbe anzusiedeln. Auf einem der schönsten und höchsten Punkte Mühlackers...?

Ebenso ist es total schön von Mühlacker in Richtung Sender zu laufen.
Dort oben hat man frische Luft, eine schöne Aussicht und es ist ruhig.
z.B. kann man von Lomersheim schön dahin spazieren, um den Sender laufen und dann über die Burg Löffelstelz wieder über Dürrmenz zurück o.ä.

Schon jetzt wird man Samstags regelmäßig von Autos gezwungen ins Gras auszuweichen. Auch Sonntags wird dort regelmäßig mit dem Auto lang gefahren.
Wie wird das dann erst wenn das ein Gewerbegebiet ist?

Die Anwohner und Spaziergänger wird das nicht freuen.
Ein Gewerbegebiet hoch über der Stadt? Wer will denn sowas?

Wieso eigentlich nicht Sender erhalten als Wahrzeichen der Stadt.

Wieso eigentlich nicht sowas?
- Den Sender als zentrales Kultur-Zentrum
- Mit einem Sender-Restaurant oder Sender-Biergarten...
- Sender-Museeum / Führungen / Rundgang... o.ä.
- Ein schöner, moderner und großzügiger Kinderspielplatz für die ganz kleinen bis großen Kinder. Daran fehlt es in Mühlacker.

Auch die Lage ist doch ideal, damit sich möglichst viele Kinder z.B. zum Fußballspielen dort oben treffen könnten.

Oder eine noch bessere Ergänzungsidee:
Man eröffnet eine tolle Kindertagesstätte dort und schließt dafür die kleinen hässlichen Kindergärten mit wenig Auslauf und bietet den Kindern dort oben grüne Wiesen und schöne Outdoor-Spielplätze. Welches Geld wäre besser Investiert als das Geld in unsere Kinder? Ebenso könnten die Mitarbeiter der Kindergärten besser in Krankheitsfällen/Kündigungswellen o.ä. aushelfen.

Die alten Kindergartenimmobilien kann man ja wieder in einer Form städtischem Wohnbau auf den Markt bringen.

Immer nur Gewerbe... pfui... dann kommt eine Halle mit 10.000 m² hin, mehreren LKWs und gerade mal 5 Arbeitsplätzen und für Kultur und Freizeit für unsere nachfolgende Generation ist wieder nichts getan.

Denken Sie mal da drüber nach.
Wenn Sie möchten stelle ich mich gerne persönlich zur Verfügung um noch einmal in die Gespräche mit dem SWR zu gehen. Ich finde mein Konzept überzeugend. Das SWR bekommt eine 2 Chance für positive Publicity und ich glaube das Projekt überzeugt jeden der Mensch ist und denen unsere Kinder wichtig sind.

Amen.
Antwort

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.