"nP mit eID": Elektronische Signatur bisher von Kommunen oft verkannt - Online wäre mehr drin

Der Personalausweis mit elektronischer Signatur - in Pforzheim, Enzkreis und Mühlacker kaum genutzt - Mehr Verwaltungsleistungen könten sonst online angeboten werden. Bild: Bundesinnenministerium

Heute kam die Nachricht per Mail an die "sehr geehrten Mitglieder des Gemeinderats", die schon vor Wochen geplant war: Sie erhalten ab sofort Ihre Sitzungsunterlagen in papierloser Form und können über die Dipolis-App auf Ihren Tablets die jeweils aktuellen Sitzungsunterlagen einsehen, bearbeiten und für Ihre Sitzungsvorbereitungen aufrufen. Damit ist auch in Mühlacker die - historische - Zeit der dicken großen Briefumschläge vorbei, die der Postbote meistens an den Samstagen zu den Adressaten brachte.

Doch das Online-Rathaus ist mehr als Tablet-Einsatz in den Sitzungsräumen. Da stolpern wir auch vor uns hin.
Als vor einem Jahr die Gültigkeit meines Personalausweises (nPA) ablief und ich einen neuen beantragte, war klar:  Die Funktion der elektronischen Unterschrift nutze ich bei Behörden, auch den kommunalen. Wie alles funktioniert, erläutert das Bundesinnenministerium in einer Broschüre, die einem mit dem druckfrischen Ausweis im Rathaus in die Hand gedrückt wird.

Bewaffnet mit dem für rund 30 Euro beschafften ReinerSCT cyberJack RFID Chip-Kartenleser basis, extra für den neuen Personalausweis auf dem Markt, mache ich mich ans Werk. Alles einzurichten über die dafür vorgesehene Webseite des Bundesinnenministeriums. Viele Klicks und manche Suche: Ganz so kinderleicht ist die Registrierung auch nicht. Als seien Trostworte nötig, liest der Online-Fan auf der gleichen Seite: Mit der Online-Ausweisfunktion weisen Sie sich sicher im Internet oder an Automaten aus. Sie erledigen Ihre Behördengänge oder geschäftliche Angelegenheiten einfach elektronisch. Das spart Zeit, Kosten und Wege.

Das erinnerte mich an die Worte des Ersten Landesbeamten des Enzkreises im Verwaltungsausschuss des Kreistages vor etlichen Jahren, als E-Government noch am Anfang stand: Das Kernproblem sei das Fehlen der elektronischen Unterschrift bei Verwaltungsvorgängen, die online abgewickelt werden sollen. Doch mit dem am 1. August 2013 in Kraft getretenen E-Government-Gesetz schien die Lücke geschlossen worden zu sein.  Die IT-Beauftragte der Bundesregierung, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe damals: Konkret sind die Behörden nun aufgefordert, Bürgern und Wirtschaft eine elektronische Bezahlmöglichkeit, elektronische Akteneinsicht bei elektronischer Aktenführung und umfangreiche Online-Informationen anzubieten. Gleichzeitig haben die Bürger mit dem heutigen Tag weitere Möglichkeiten, die Online-Ausweisfunktion ihres neuen Personalausweises zu nutzen. Über Webformulare der Behörden können Sie ihre Identität nachweisen und sich so viele Wege- und Wartezeiten ersparen.

Doch die Wege sind (viel zu) lang.

Sechs Jahre später, mit dem nPA im Geldbeutel, wollte ich endlich auch diesen Service nutzen, Anträge am heimischen PC  erledigen, mich per E-Unterschrift legitimieren. Heile, neue, digitale Welt! Hoffnungsvoll und voller Begeisterung hielt ich im Dezember ein Schreiben der Stadt Pforzheim in den Händen, denn ich las - ganz entzückt -  darauf:  Die Schriftlichkeit eines Einspruchs sei auch dann gewahrt, wenn der Rechtsbehelf elektronisch mit qualifizierter Signatur übersandt werde. Ich war begeistert, musste dann aber doch meinen Eifer jäh bremsen: Nach längerem Suchen auf der Internetseite der Stadt Pforzheim machte sich Enttäuschung breit, denn:  Es war eine totale Fehlanzeige! Keine einzige Verwaltungsleistung, die sich dank elektronischer Unterschrift online erledigen lässt.  Der eingedruckte Text im Brief war einfach seiner Zeit voraus.

Stell Dir vor, alle haben eine elektronische Signatur und keiner sieht ihre Verwendung vor. Dabei könnten durch die elD-Funktion mehr Verwaltungsleistungen online angeboten werden.

Und der Enzkreis?  Immerhin keine digitale Wüste, aber eine gewisse Dürre. Die Auskunft der IT-Experten der Kreisverwaltung: Mit dem neuen Personalausweis und der eID-Funktion können Sie heute bei uns Ihr Auto zulassen und wieder abmelden. Eine externe DE-Mail können wir empfangen und beantworten. Mit einem Service-BW Konto können Sie momentan nur Mails mit uns austauschen. Das Landratsamt sei tatsächlich abhängig von den Fachverfahren, dem Bund und den Ländern. Im Rahmen des OZG (Onlinezugangsgesetz) werden die 525  Verwaltungsleistungen über das Bürgerkonto möglich sein - hier benötigt der Mensch den nPA zu Erstregistrierung fürs Bürgerkonto. Danach nur noch das Bürgerkonto.

Mein kleines schwarzes Chiplesegerät bisher nicht eingesetzt

Nach gut sieben Jahren ist die elD eher ein Flop, schon nimmt der Enzkreis wieder Abschied von dem 2013 hoffnungsvoll gestarteten Signatur-Projekt. Das Landratsamt plant momentan alle seine E-Government-Projekte ohne den nPA, um die Nutzungsschwelle für die Bürger so niedrig wie möglich zu halten. Dezernent Frank Stephan: Es zeigt sich im Ergebnis, dass wir bei den speziellen Fachverfahren abhängig sind von Dritten, welche noch nicht so richtig in den Puschen sind, auch wenn der Prozess nun Fahrt aufgenommen hat!

Und Mühlacker? Meine Suche nach Anwendungsmöglichkeiten geht weiter. Gute Gelegenheit zur Klärung bei den laufenden Etatberatungen. Welche Verwaltungsleistungen lassen sich jeweils per elektronischer Unterschrift derzeit erledigen? Wie ist die Ausbau-Strategie?

Die Antwort: keine! Das überrascht dann doch nicht. Aktuell gibt es auf Gemeindeebene keine Verwaltungsleistungen, die mit elektronischer Unterschrift erledigt werden können. Auf Bundesebene können unter anderem  dank der eID des neuen Personalausweises erledigt werden:  Auskunft einholen beim Kraftfahrtbundesamt und bei der Deutschen  Rentenversicherung,  Steuererklärung per Elster und ein Antrag auf Bafög. Na ja, Bafög brauche ich nicht und die Höhe meiner Rente ist mir dank der monatlichen Buchung auf meinem Konto durchaus vertraut.

Werbung für die Digitalisierungskampagne des Landes Baden-Württemberg. Bild: Innenministerium

Das OZG verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres 2022 elektronisch anzubieten. Ein sogenannter Umsetzungskatalog umfasst fast 600 Vorgänge. Die Leistungen werden derzeit zur Implementierung vorbereitet und dann den jeweiligen Kommunen in standardisierter Form zur Verfügung stehen.  Der Dienstleister ITEOS - eine öffentlich-rechtliche Anstalt -, auch für Mühlacker tätig, befindet sich in Gesprächen mit den Landes- und Gemeindeverbänden in punkto Umsetzung des OZG. Das Landesministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration erarbeitet derzeit gemeinsam mit ITEOS die ersten Prozessprojekte und den -plan 2020. Die Kommunen können sich beteiligen. Positiv: Die Stadt Mühlacker meldet sich und macht mit.

Also, 30 Euro für den Chipkarten-Leser doch richtig investiert? Das OZG lässt hoffen. Elf Jahre, nachdem das E-Government-Gesetz  in Kraft getreten war, der Durchbruch - nach bisher eher magerem Resultat? Oder ist die eID-Funktion dann schon überholt? Fragen bisher ohne Antworten. Der zentrale Punkt ist aber einzig dies: Dass alles viel zu lange braucht! Nachzügler statt Pionier.  Das ist das Ärgernis! Selbst den Gemeinderat papierlos zu machen, zog sich hin, nur nicht so lange - wegen Staus auf den Servern.

Zu diesem Thema passt, was heute zu lesen war:

„Viele Kommunen haben bei der Digitalisierung ihres Dienstleistungs- und Informationsangebots bereits viel erreicht. Insgesamt ist das Niveau aber nicht zufriedenstellend.“ So fasste Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke die Ergebnisse der Studie „Servicefreundliche Stadt – Ranking der 100 größten Städte“ zusammen. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat im Auftrag des Eigentümerverbandes Haus & Grund Deutschland die Internetauftritte der 100 einwohnergrößten Städte in Deutschland detailliert geprüft. Berlin landet mit nur 71,6 von möglichen 100 Punkten auf Platz 1.

Warnecke wies darauf hin, dass nicht jede Kommune das Rad immer wieder neu erfinden müsse. „Eine Meldebescheinigung ist eine Meldebescheinigung und ein Personalausweis ist in Köln der gleiche wie in Augsburg. Die digitalen Wege dorthin müssen die Städte nicht einzeln finden, sondern sollten zusammenarbeiten – auch um kein Steuergeld zu verschwenden“, regte er an. Er betonte zudem, dass viele Kommunen bei der Planung ihrer Internetangebote viel zu wenig die Bürgersicht einnähmen. „Viele Angebote sind nur schwer auffindbar und zu zerstückelt, sodass sich Nutzer nicht zurechtfinden“, kritisierte Warnecke.

Stützt meine Erfahrungen am Beispiel der elektronischen Unterschrift: Deutschland liegt im eGovernment im Vergleich zu anderen EU-Staaten immer noch deutlich zurück. Besserung sollte das 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz (OZG) bringen. Es sieht vor, dass Bürger und Unternehmen bis 2022 Verwaltungsangelegenheiten online erledigen können.

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