Sender-Gutachter will nicht nachsitzen - Landesdenkmalamt soll eingreifen

Nostalgisch: Frequenz-Skala, auf der auch Mühlacker seinen Platz hatte. Foto: sutulo auf Pixabay

Abgespannter Stahlrohrmast, 48° 56' 28.00" N    8° 51' 8.00" E, Seile aus Stahl, Mast Stahlröhren. Durchmesser 1.67 Meter, Höhe 260 Meter, Gesamthöhe bis zur Antennenspitze 273 Meter. Abgespannter Stahlrohrmast aus 1,67 Meter breiten Ringen von 3,2 Meter Länge. Abstrahlung eines Rundfunkprogramms auf der MW-Frequenz 576kHz, Träger einer UKW-Antenne. Fußpunktisolator aus Steatit.

Die Daten des Sendeturms in Mühlacker.

Die Diskussion um Erhalt oder Abriss des Sendeturms in Mühlacker verlor in den vergangenen zwei bis drei Wochen an Schwung und Lautstärke. Kurz gesagt: Es ist stiller geworden um den langen Masten. "Kenntnisnahme" schrieb die Stadtverwaltung auf die knappe Vorlage für die Sitzung des Gemeinderats in dieser Woche. Unsicherheit greift um sich, denn wir kommen nicht recht voran. Ungewissheit wächst zudem, ausgelöst durch das Warten auf die Entscheidung des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe über den vom SWR für den ehemligen Mittelwellensender gestellten Abbruchantrag. Dazu Funkstille beim SWR. Offene Fragen klären, bevor der Gemeinderat über das Kaufangebot des SWR für Turm, Halle, zwei Wohnhäuser und 7 ha Land entscheidet, heißt seit 28. Januar wieder die Vorgabe an die Stadtverwaltung.

Eigentümer SWR

Wo liegt die Wahrheit?
Die zentrale und alles entscheidende Frage: Wo liegt die Wahrheit zwischen dem vom Gutachter des Landesdenkmalamtes geschätzten einmaligen Sanierungsbedarf von 1,2 Millionen Euro für den Turm und den von SWR-Anwälten in einem Schreiben ans RP genannten 3,8 Millionen Euro? Doch der Versuch von OB Frank Schneider, den Gutachter mit der Klärung zu beauftragen, scheiterte überraschend - der Gutachter will keinen Auftrag, erklärte seine Arbeit für beendet. Doch als Voraussetzung für einen möglichen Erwerb des Wahrzeichens muss die Stadt zwingend die schriftliche Bestätigung des Fachmanns in den Akten haben, was die notwendigen Sicherungsmaßnahmen betrifft. Eine Art Garantieschein. Diesen zu verweigern, kann auch eine Aussage sein. Jetzt soll das Landesdenkmalamt aufgefordert werden, den Gutachter zum Nachsitzen anzuhalten. Ob es gelingt?

 

Übung 2013 der Stuttgarter Feuerwehr

Enge Durchstiege
Wie berechtigt das Bemühen der Stadt Mühlacker ist, offene Punkte ohne Zeitdruck zu klären, zeigt ein Bericht aus dem Jahr 2013 über die Höhenrettungsübung am Sender Mühlacker durch die Feuerwehr Stuttgart. Zu einer Expedition der besonderen Art sollte sich das Objekttraining in Mühlacker entpuppen, steht in einem Web-Text zu lesen. Geplant war ein Aufstieg in der Metallröhre bis 260 Meter, um dann unterhalb der UKW Antenne den Mast durch einen Ausstieg zu verlassen und abzufahren. Es kam jedoch anders als geplant. Da für den Aufstieg nicht genügend „Läufer“ für die Steigschutzanlage vorhanden waren, musste in „Seilschaften“ aufgestiegen werden. Dies erfordert fast das Vierfache an Zeit, entgegen einem Aufstieg mit „Läufern". Es wurde in 2 Seilschaften mit je 4 Höhenrettern aufgestiegen, der Aufstieg dauerte 4 Stunden. Nicht nur die enormen Leiterlängen, sondern auch die engen Durchstiege machten das Training zu einer Herausforderung. Dazu passt ein Satz des OB in der Dienstag-Sitzung des Gemeinderats. „Wir kennen die Auflagen nicht, wir sind und waren kein Sender-Betreiber und haben davon null Ahnung."

Was tut der Gutachter?
Welche Fragen sind sonst noch offen? Eine Antwort lohnt sich erst nach Klärung, ob der Gutachter sich nochmals ans Werk macht und wenn er es tut, welche Ergebnisse er vorlegt. Bleibt er beim Nein, ist dies das Scheitern der Erhaltungsbemühungen. Eine Entscheidung zu gründen auf unsicherem Boden wäre nicht verantwortlich. Wiederum der Abriss wäre höchst bedauerlich.

Nostalgie gefällig?

Bundestag: Hoffnung auf Mühlacker
Zufällig entdeckte ich das Protokoll der 17. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 27. Januar 1966 in Bonn. In der Fragestunde beantwortete Bundespostminister Richard Stücklen (CSU) die Frage XIII/5 des SPD-Abgeordneten Dr. Müller (München): Deutsche Touristen im unmittelbar benachbarten Ausland könnten zwar mitteldeutsche Sender und deutschsprachige Programme osteuropäischer Sender hören, der Empfang von Sendestationen der Bundesrepublik aber sei fast unmöglich, beklagte Müller. Kommt Hilfe aus Mühlacker? Stücklen antwortete, mit Einbruch der Dunkelheit  müsste ein brauchbarer Empfang von einigen Mittelwellen-Ton-Rundfunksendern der Bundesrepublik in verschiedenen Gebietsteilen des europäischen Auslands möglich sein. Dafür kämen die elf  Sender in Betracht, sagte Stücklen und nannte dabei auch den in  Mühlacker. Zurzeit würden technische Maßnahmen vorbereitet, um die Strahlungsleistung bestimmter Mittelwellen-Rundfunksender in der Bundesrepublik zu erhöhen, damit sie im europäischen Ausland besser empfangen werden können. Soweit die Fragestunde im Bundestag.

Höhen-Ranking von Bauwerken in Deutschland

Kanadische Datenbank
Sendeturm Mühlacker, Senderstraße 70, Mühlacker Germany - diese Adresse nennt eine englischsprachige Website mit den Daten der langen Nadel. Unter die Gebäude-Illustrationen bei Skyscraper Source Media, einem kanadischen Unternehmen, schaffte es inzwischen auch das Mühlacker Wahrzeichen des Jahrgangs 1950. Das mit 273 Metern höchste Bauwerk Baden-Württembergs steht national in der Wikipedia-Liste der höchsten Bauwerke Deutschlands auf dem 33. Rang, zwischen dem Schornstein des Kraftwerks Wilhelmshaven und dem Sendemast Schwerin-Neuzippendorf. Und auch Buchautoren haben ihn entdeckt.

"Kein ehrenhafter Abgang"
Ausrangiert. Der Mittelwellensender Mühlacker auf 576 kHz wurde am 8. Januar 2012 um 23:00 Uhr endgültig abgeschaltet. Kurz vor dem Aus kamen noch Ausschnitte aus der Sendung SWR1 Leute und dann ein tristes Instrumentalstück. Seinerzeit Empörung im Netz, denn die sei kein ehrenhafter Abgang gewesen: Kein einziges Wort zur Abschaltung der Mittelwelle! Kein Wort des Dankes und des Abschieds an die treuen Mittelwellenhörer.

Technischer Fortschritt
Der Förderverein Sender Mühlacker zeigt interessante historische Aufnahmen des Senders wechselnd im Kopf der Web-Startseite. Technischer Fortschritt Made in Mühlacker. Ohne Sender wäre Mühlacker damals im Jahr 1930 nicht Stadt geworden und seither ist und bleibt er auch das Markenzeichen unserer Stadt – der Senderstadt.

Manchen ist dies als Argument für den Erhalt zuwenig. Leider. Die Spendenaktion kam auch weitgehend zum Stocken. Bei den Unsicherheiten auch kein Wunder.

 

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