Das Gutachten, das nur ein Anwaltsschreiben ist oder Die Sache mit den Emotionen

Haushaltsplan 2020 noch in Arbeit
Es sei richtig, die Diskussion um die Senderzukunft intensiv zu führen. Und naturgemäß hingen an einem Wahrzeichen auch jede Menge Emotionen, die sich nicht in Gänze ausblenden ließen. Doch - trotz aller subjektiver Betrachtung – hätten die Ansichten der jeweiligen Gegenseite ebenso ihre Berechtigung. Jede Meinung sei legitim. Und die Debatte sollte nicht zu einer Spaltung führen, wie sie in der Gesellschaft inzwischen viel zu oft vorkomme. Das sagte Oberbürgermeister Frank Schneider am Dienstagabend im Gemeinderat von Mühlacker. Kluge Sätze, passend dazu. Sendererhalt oder nicht sei, so sein Einstieg zur kleinen Nachhilfe für gegenseitigen Respekt bei so konträren Meinungen, letztlich keine parteipolitische, eher eine Frage des Grades des emotionalen Verhältnisses zur langen Nadel. Eine zutreffende Analyse, wie sich fast täglich in Diskussionen und Gesprächen zeigt.

Tatsächlich lief die fast zweistündige Debatte über einen gemeinsamen Antrag von Stadträten aus vier der sechs Fraktionen, bei allem Konträrem in den Positionen, sachlich ab. Eine Sternstunde des Gemeinderats, meinte danach  Fraktionskollege Matthias Trück. Sachlich, ernsthaft, überfraktionell, klares Ergebnis.

Das Aus drohte

Zwei der sechs Fraktionen (FW und AfD) votierten einheitlich dagegen, quasi als Block, obwohl es bei der FW zunächst durchaus Bewegung gab. Ulrich Hagenbuch sagte, eigentlich könne er dem Antrag zustimmen, vollzog aber nicht. Mir war es wichtig zu betonen, dass es an diesem Abend nicht um die Entscheidung zwischen Erhalt oder Abbruch des 273 Meter hohen Sendemastes, auch nicht um das gesamte Kaufangebot des SWR, sondern um den Start eines Verfahrens geht, an dessen Ende der Gemeinderat die Ergebnisse - besonders die finanziellen Folgen - wertet, abwägt und dann in der Sache entscheidet.

Für diesen Weg brauchen wir Zeit, die uns Land und SWR zugestehen müssen. Die Ratsmehrheit tat am Dienstagabend zunächst nur eines, wie es Sozialdemokrat Jürgen Metzger formulierte: Wir geben dem Sender eine Chance.  Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Das ist aber mehr als noch im Dezember in der legendären Ratssitzung, als letztlich leider alles nach dem endgültigen Aus des Projekts SWR-Angebot roch.

Fehlt die Geduld?

Viel Zustimmung zur Entscheidung erreichte mich nach dem Dienstag, mehr als vermutet. Aber auch Widerspruch und Kritik, weil gemeint wird, damit sei die lange Nadel schon gekauft. Ein Punkt, der mir rätselhaft ist. Wer alle Punkte zunächst aufbereitet, offene Fragen beantwortet haben möchte, um in Kenntnis aller Fakten danach zu entscheiden, ist jetzt noch auf dem Weg. Fehlt manchen die Geduld, auf eine breite Entscheidungsbasis zu warten?

Dabei lohnt sich eine gründliche Aufarbeitung. Zum Beispiel zeigte sich inzwischen, dass es kein Gutachten des SWR über 3,8 Millionen Euro Sanierungskosten für den Sender gibt, sondern nur ein Schreiben des SWR-Anwalts an das Regierungspräsidiums Karlsruhe zur Untermauerung des Abbruchantrags, in dem diese 3,8 Mio auftauchen. Die Interessenlage des Briefs ist klar - die Erhaltung sollte aus wirtschaftlichen Gründen als unzumutbar beurteilt, der Abriss damit abgesegnet werden.

Der Sender als Motiv beliebt

Wenn ich ein privater Hauskäufer wäre, würde ich dann ein Haus kaufen, ohne Kenntnis der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und -kosten? Würde ich mich auf die schwammige Zusage meiner Bausparkasse (hier Wirtschaftsministerium) verlassen, sie würde mir „mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Seite stehen, wird heute in einem Leserbrief im MT geschrieben. Genau: Deshalb der Beschluss vom Dienstag. Ich hoffe auf ein für den Sendererhalt günstiges Resultat - bleibt das aber aus, wird der Abbruch kommen.

Wie bei der Windkraft

Schnell auf ein anderes Thema gewechselt: Windkraft. Umstritten wie der Sender-Erhalt. Die Gegner bestimmen das Meinungsbild über solche Anlagen. Doch jetzt überraschte das Institut der Deutschen Wirtschaft mit der Schlagzeile: Breite Mehrheit für Windkraft. Über 90 Prozent der Bevölkerung erachten den Ausbau der erneuerbaren Energien wie Sonnen- oder Windenergie als wichtig oder sehr wichtig, damit die Energiewende gelingt.

Doch wenn der Regionalverband Nordschwarzwald nur zwei Dutzend Standorte ausweist, stehen ihmmehr Verdruss als Freude ins Haus. Beim Standort-Vorschlag Wald bei Großglattbach war es nicht anders.

Die Umsetzungsprobleme und öffentliche Wahrnehmung eines Akzeptanzproblems werden demzufolge von einer kleinen Minderheit in der Bevölkerung erwirkt, schreiben die Verfasser der Studie, die hier heruntergeladen werden kann.IW-Kurzbericht_2020_Akzeptanz_Windkraft.pdf

Ob Sender oder Windkraft: Entscheidungen brauchen gediegene Grundlagen. Gerade auch die Entscheidung über das Wahrzeichen einer Stadt und somit einem Stück Heimat. Einmal weg, ist immer weg!

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