Papierloser Gemeinderat im Stau
Tablet & Co. auf dem Vormarsch in den Ratssälen. Softwareanbieter werden überrannt mit Aufträgen und melden deshalb Engpässe. Auch Mühlacker ist davon betroffen.Steht mit anderen im digitalen Stau. Noch verschickt die Verwaltung meist freitags die Sitzungsvorlagen auf Papier. Donnerstags vor der Sitzung stehen sie auf der städtischen Homepage auch für die Öffentlichkeit - natürlich nur die öffentlichen Vorlagen. Für die nichtöffentlichen Drucksachen brauchen die Stadträte ein Passwort. Apropos Öffentlichkeit: Wenige Tage nach der Sitzung stellt die Verwaltung bei den einzelnen Punkte die Beschlüsse ein. Zu nutzen ist dieses Ratsinformationssystem am PC, auf dem Tablet und dem Smartphone. Die Digitalisierung sorgt für den informierten Bürger - er/sie müssen das Angebot nur nutzen.
Jetzt also papierlos. So neu ist ein solches Projekt aber nicht. Mit dem papierlosen Kreistag war der Enzkreis vor etwa fünf Jahren Trendsetter. Inzwischen rang sich auch der Mühlacker Gemeinderat zum Verzicht auf Gedrucktes durch. Aber irgendwie lief nicht alles so zügig ab wie seinerzeit beim Landkreis. Eigentlich wollte die Verwaltung schon vor zwei Jahren umstellen und war vorbereitet, doch es schien sinnvoll zu sein, nicht mehr im alten Gemeinderat zu starten. Im neuen sollte es sein, der seit Juli 2019 in Amt und Würden ist. Und da standen wir offensichtlich nicht allein.
Doch die Pläne für einen papierlosen Gemeinderat sorgten für immer neue Debatten. Weshalb einfach, wenn es auch kompliziert geht. Denn der Wünsche der Räte nach den Tablet-Marken waren zahlreich. Manchem passte die dominante Stellung von Apple im Markt nicht, setzten lieber auf die Konkurrenz. Daneben überzeugte I-Pad-Jünger, die auf dieses Endgerät schwören. Während man andernorts ohne große Diskussionen ausschließlich das I-Pad und damit Apple den Vorzug gab, konnten Mühlackers Stadträte zwei Sammelbestellungen nutzen: entweder ein I-Pad Air oder ein Tablet von Samsung. Oder sich selbst eines nach eigenem Gusto besorgen. Der Vorlaufbetrieb startete am 1. Dezember, seit 1. Januar 2020 sollte kein Papier mehr verschickt werden.
Aber trotzdem brachte der Briefträger die gewohnten Briefumschläge mit den gedruckten Sitzungsvorlagen weiterhin. Zu unserer allen Verwunderung. Heute folgte die Auflösung des Rätsels. Weil papierlose Gremien inzwischen Hochkonjunktur haben, kommt es zu Engpässen. Wir haben vorsorglich die Umstellung auf elektronische Einladungen um einen Monat verschoben, da es momentan von Seiten des Softwareanbieters zu technischen Engpässen kommt, steht in einer Mail aus dem Rathaus. Die Ursachen liegen in zu geringen Serverkapazitäten. Der Softwarehersteller sei von der stark gestiegenen Kundenzahl „überrascht“ worden und investiere seit letztem Monat verstärkt in neue Serverstandorte. Ziel sei die Schaffung einer regional verteilten Infrastruktur mit mehreren, ausfallsicher verbundenen Servern.
Nun, da warten wir doch gern. Abstürze der App, vor allem während der Sitzung, stressen. Der Enzkreis gab dem Ratsinformationssystem Sternberg mit der iRICH-App den Vorzug, Mühlacker hält an more!Software mit der App DiPolis fest, zumal dieser Anbieter inzwischen aufgerüstet hat.
Immer mehr Kommunen setzen auf den papierlosen Gemeinderat. So auch Neuenbürg. In der Lokalzeitung wird der Bürgermeister zitiert: "Auch wenn sie noch so lieb fragen, wir drucken hier in Zukunft nichts mehr aus." Wer etwas ausgedruckt haben wolle, müsse dies selbst tun. Auf Einspareffekte setzt die Stadt Hüfingen: Hierdurch entfallen die Druck- und Portokosten sowie ein hoher Verwaltungs- und Zustellaufwand. Die Digitalisierung kommt voran, und jetzt ist es zum Beispiel auch im Rottweiler Gemeinderat so weit. I-Pads. Der Lokalredakteur vom Schwabo notierte: Die Stimmung im Sitzungssaal war bei diesem Beschluss ein bisschen wie bei Kindern vor dem Weihnachtsbaum. Vorfreude pur.
Das papierlose Zeitalter beginnt nun in Mühlacker am kommenden Februar. Doch es soll Räte geben, die die elektronischen Vorlagen daheim ausdrucken. Weil sie doch gerne Papier in den Händen halten.
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