Signale stehen auf Abbruch - Rettungsvariante Landes-Sender heute gescheitert

Die lange Nadel

Die Hoffnung stirbt zuletzt, lautet eine häufig in fast aussichtsloser Lage gebrauchte Weisheit. Heute starb eine der letzten Hoffnungen, den früheren Mittelwellensender Mühlacker zu retten. Der Wirtschaftsausschuss des Landtags lehnte den Antrag des FDP-Abgeordneten Erik Schweickert ab, einen Zwischerwerb durch das Land wenigstens zu prüfen. Diese Variante ist damit vom Tisch.

Dabei begann alles mit Optimismus. Unsere Unterschriften-Aktion im Jahr 2013 war der Auftakt für alle heutigen Aktivitäten gegen einen Abriss unseres Wahrzeichens, den 273 m großen Rundfunk-Sender, steht auf der Webseite des Vereins Sender City e.V. In 3 rot-weisse Wünsche zum neuen Jahr ein Appell an OB und Gemeinderat steht: Ihr wurdet gewählt um zu gestalten, nicht um den Abriss unseres Wahrzeichens zu verwalten. Werdet eurer Verantwortung gerecht und prüft aktiv und konstruktiv, wie der Sender erhalten werden kann!

Jetzt gilt es!?
Eine Reaktion auf die Weigerung der Ratsmehrheit, die 60.000 Euro für neue Spannschlösser an der Senderanlage aus der Stadtschatulle dem SWR zu bezahlen. Und als Appell eine gerade angelaufene Spendenaktion zu unterstützen. Jetzt gilt es! Wenn jede/r nur einen kleinen Beitrag leistet, sind die 60.000€ ruckzuck im Crowdfunding-Topf. Doch so ruck-zuck ging es leider nicht. Bis vorhin brachten 141 Spender 19 Prozent des Spannschlösser-Betrags auf. Es fehlen noch 48.135 €. Ein Bürger sicherte zu, den offenen Restbetrag aufzubringen. Die Spenden tröpfeln nur noch - kein Wunder, wenn die Rettung der langen Nadel immer unwahrscheinlicher wird. Die Signale stehen auf Abbruch.

Gerade nach der heutigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtags. Dort blockten die Abgeordneten der Regierungsfraktionen von Grünen und CDU den Antrag des Enzkreis-Abgeordneten Erik Schweickert zum Sender ab. Neben einer ganzen Reihe von Fragen suchte er eine Mehrheit für den Auftrag an die Regierung, zu überprüfen, inwieweit der Sender Mühlacker zu einem Bauwerk von landesweiter Bedeutung erklärt werden kann und bis zum Ende dieses Prüfverfahrens den Erhalt des Senders dadurch sicherzustellen, dass gegebenenfalls durch einen Zwischenerwerb durch das Land Baden-Württemberg der Abbruch durch den SWR vermieden werden kann. Grüne und Christdemokraten machten kurzen Prozess und montierten den Rettungsanker, den der FDP-Mann geworfen hatte, ab.
 

Abbruchgenehmigung schon fertig?

Wie verlautet, erklärte der Vertreter des Wirtschaftsministeriums, das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe werde nun den Weg freimachen für den Antrag des SWR als Eigentümer auf Abbruch des Senders - es sei denn, die Stadt schicke quasi in letzter Minute noch ein Kaufangebot für den größten Teil der Senderanlage gen Stuttgart: 550.000 Euro für 7 ha Land, still gelegter Sendeturm, Halle. Nicht ganz aus der Welt dürfte die Vermutung sein, dass die Genehmigung, das mit 273 Metern höchste Bauwerk Baden-Württembergs umzulegen, weitgehend fertig ist.
Die RP-Spitze hatte schon frühzeitig gebeten, ihr umgehend nach der heutigen Abstimmmung das Ergebnis mitzuteilen. Ein Indiz, dass das Präsidium den Abriss absegnen wird. Denn der Antrag von Erik Schweickert hatte zunächst aufschiebene Wirkung.

Stadt darf nicht vor den Kadi ziehen
Gegen die Entscheidung des RP zu klagen, ist theoretisch möglich. Doch: Der SWR wird nicht vor den Kadi ziehen, wenn die Behörde in seinem Sinne entscheidet. Und die Stadt Mühlacker darf nicht, weil sie als Baurechtsbehörde im Auftrag des Landes tätig wird - und vom RP verdonnert werden kann, den Abbruch zu genehmigen. Sonst aber gibt es keine Betroffenen.

Empfänger: Radio, Jahrgang 1954.

Sein Antrag indessen hatte einen Schönheitsfehler, wie Schweickert schon bei der Vorstellung der Initiative im Dezember 2019 im Dürrmenzer "Würmle" sagte: Er stammt von einem Oppositionsabgeordneten und deren Anträge werden automatisch abgelehnt oder die Regierungsfraktionen drücken einen abgeänderten Beschluss durch.

Gestern Abend sah es noch besser aus
Verhalten optimistisch durfte man heute vor der Sitzung trotzdem sein. Die Kollegin im Gemeinderat und Landtagsabgeordnete Stefanie Seemannn (Grüne) sagte gestern Abend nach der Gemeinderatssitzung dem OB, ihrem Fraktionschef und mir, die Grünen wollten heute im Wirtschaftsausschuss einen Antrag einbringen, um nochmals ein Zeitfenster zu öffnen für die fehlenden weiteren Überprüfungen etwa der beiden Gutachten, die  mit erheblich abweichenden Angaben zu den Sanierungskosten abschließen. Damit wolle man heute auf die CDU-Fraktion als andere Regierungsfraktion zugehen. Wie die Vorbesprechung der Fraktionen verließ, weiß ich nicht. Jedenfalls gab es weder einen Grünen-Antrag noch einen gemeinsamen der beiden Regierungsfraktionen. Die Grünen ließen ihre Kollegin Seemann, die direkt gewählte Abgeordnete des Enzkreises, einfach hängen. Ihr politisches Gewicht reichte nicht aus, obwohl sie bei den Beratungen des Wirtschaftsausschusses anwesend war, auch wenn sie dem Ausschuss nicht angehört.

Ignoranz, Arroganz?
Der Fraktionsvorsitzende der LMU im Gemeinderat, Klemens Köberle,  tat das gleiche wie ich - Abgeordnete anschreiben oder anrufen. Er bei den Grünen, ich bei der CDU. Das Problem der Union im Enzkreis: Sie hat keinen Landtagsbgeordneten. Also tippte ich Mails an den Sprecher der CDU im Wirtschaftsausschuss, Claus Paal (Wahlkreis Schorndorf), den denkmalpolitischen Sprecher Tobias Wald (Wahlkreis Baden-Baden) und dem Ausschussmitglied Fabian Gramling aus Besigheim. Die Erfahrung war ernüchternd. Die Reaktionen: Eine Zwischeninfo eines Paal-Mitarbeiters, später die Stellungnahme des Ministeriums zum Antrag Schweickert - "ganz vertraulich", obwohl sie schon im Internet stand. Ansonsten: Schweigen im Wald(e). Das war's.

Kein Antwort-Brief zur Sache, keine Mail. Kein Einsatz, keine Rückfrage. Sie sind in ihrer Abstimmung frei, die Abgeordneten, aber sich vorher schlau zu machen und nicht nur die Stellungnahme des Ministeriums als Entscheidungsbasis zu nehmen, wäre glaubwürdiger. Ignoranz, Arroganz? Paal sieht sich laut seiner Internetseite übrigens als "bürgernaher Abgeordneter". Nur im eigenen Wahlkreis oder gar nicht?

Atmosphärische Störungen
Vergessen, vorbei. Während der OB in punkto Sender der ehrliche Makler war, gab es immer wieder Querschüsse aus dem Gemeinderat und unerträglicher Zeitdruck durch den SWR. Das war nicht hilfreich. Die Enttäuschung über die knappe Ablehnung des 60.000-Euro-Kompromisses sitzt tief bei Entscheidungsträgern im zuständigen Wirtschaftsministerium, da dieser bei einer gemeinsamen Runde im Rathaus Mühlacker mit Vertretern von SWR, Personalrat, Fraktionen und Verwaltung unwidersprochen erarbeitet worden war. Kein guter Ausgangspunkt für künftige Wünsche aus Mühlacker in Stuttgarter Amtsstuben. Sie könnten den Namen Mühlacker nicht mehr hören, sagt ein Beamter. Im Gemeinderat wäre zu bedenken gewesen, dass atmosphärische Störungen nachwirken können.

Am Dienstag ist Gemeinderatssitzung. Da gehört das Thema aufgerufen und geklärt, wie es konkret weitergeht. Ob das Partnerschaftskomitee Mühlacker in seinem Flyer der Zeit voraus ist? Mühlacker, baden-württembergische "Industriestadt im Grünen", nennt sich auch "Senderstadt", weil sie seit 1930 Standort einer Rundfunk-Senderanlage war. Dies war auch Jahr der Stadterhebung der vormaligen Gemeinde Dürrmenz-Mühlacker.

Ich stolpere über das Wörtchen war im Flyer des Partnerschaftskomitees. Doch alles sieht danach aus, dass war bald stimmt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Schweickert-Antrag und Ministerin-Antwort.16_7355_D.pdf

Update 26.01.2020:

Stadtverwaltung: Gegen eine Abbruchgenehmigung des Senders durch das Regierungspräsidium Karlsruhe kann die Stadt nicht klagen. Hier die Vorlage für die Gemeinderatssitzung am 28. Januar 2020, 18.30 Uhr, Rathaus: 2020-01-23_GR_Top1_Vorlage1_Sender.pdf

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