Ja, da(s) ist sie
Wo ist sie denn? Ja, wo ist sie denn? Ließe sich in Anlehnung des 1946 aufgenommenen Sketches des Komikers Wilhelm Bendow und des Schauspielers Franz-Otto Krüger fragen. Mein Gott, wo ist sie denn? Wer? Na, das Prachtstück der Lienzinger Feuerwehr, die 1861 von Johann Georg Porth in Speyer gebaute Feuerwehrspritze. Lange stand sie in den engen Räumlichkeiten der Wehr in der Zaisersweiherstraße, sozusagen in der zweiten Reihe. Nachdem die Abteilung Lienzingen der Freiwilligen Feuerwehr Mühlacker in die Schelmenwaldstraße umgezogen war und das alte Domizil dem schön gewordenen Dorfplatz an der Kelter weichen musste, war nicht immer klar, wo sie gerade steht. Zwischendurch auf jeden Fall in Mühlacker. Eine Anfrage von mir blieb unbeantwortet. Jedenfalls kehrte sie vor längerer Zeit nach Lienzingen zurück. Dort, wo sie hingehört.
Just gestern Abend, am Rande der Abteilungsversammlung, habe ich sie entdeckt - in der Lienzinger Feuerwache, der Unterkunft der Abteilung. Freilich in halber, etwas luftiger Höhe, wohin sie wegen knapp werdendem Platz auf Erdgeschoss-Niveau ausweichen musste. Denn inzwischen parkt dort ein Rettungswagen der Malteser zwischen zwei Fahrzeugen der Wehr. Die Feuerwehrleute bauten dem Oldtimer ein Holzpodest parallel zum Versammlungsraum auf der oberen Etage. Liebevoll gepflegt, kann das historische Stück nun bewundert werden, am besten vom oberen Bereich der Treppe zum Versammlungsraum hoch.
"Georg Porth ist hier in den vorhandenen Unterlagen als Turmuhrenfabrikant eingetragen", heißt es im Stadtarchiv Speyer. Offenbar hatte Porth zeitweise einen zweiten Geschäftszweig: den Bau von Feuerwehrspritzen. Möglicherweise finden sich in Archiven auch noch Hinweise darauf, wie Porth den Auftrag aus Lienzingen bekam und was die Kommune dafür bezahlte. Immerhin hatte die Gemeinde nach der 1855 erfolgten Grundstocksberechnung ein schuldenfreies Geldvermögen von 10.100 Gulden [Friedrich Wißmann "Das Ortsbuch von Lienzingen", 1970, Walter-Verlag, Seite 171].
Vor neun Jahren bloggte ich zweimal über die Spritze:
Das gute alte Stück: 150 Jahre alt und noch ganz prächtig
und
Porth, Lienzingen und die Feuerwehrspritze.
Die Spurensuche fällt inzwischen etwas besser aus. Auf der Internetseite des Historischen Vereins Speyer findet sich ein Beitrag von Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013), in der auch unser Ort erwähnt wird: "Zwischen 1862 und 1875 fertigte die “Thurmuhrenfabrik Porth”, die einzige ihrer Art in der Pfalz, Gemeinde-Turmuhren für Hanhofen, Nieder-Ingelheim/Kreis Bingen, Gleiszellen und Gleishorbach an. Offenbar aber führte der Firmengründer auch einen anderen Geschäftszweig. Jedenfalls wird im Ortsteil Lienzingen der Stadt Mühlacker eine Feuerwehrspritze aufbewahrt, deren Sockel beschriftet ist mit “Gefertigt für die Gde. Lienzingen von Johann Georg Porth 1861”."
Kathrin Hopstock vom Stadtarchiv Speyer beschäftigt sich in einem langen Beitrag auf der Webseite Kurpfalz Regional Archiv - Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur)Pfalz - auch mit der Famlie Porth. Mechanicus und Uhrmacher Johann Georg Porth, 1867 gestorben, hatte 1825 seine Turmuhrfabik gegründet und zwar im Anwesen Ecke Guido-Stifts-Platz/Ecke Wormser Straße. Zunächst Mieter, kaufte er die Immobilie 1833 - im selben Jahr baute er die Turmuhr des Speyerer Doms.
Die Lienzinger Feuerwehr wurde 1885 gegründet. Die Gemeinde kaufte ihr gleich die Spritze, wenn auch gebraucht und schon mehr als 20 Jahre alt. Untergebracht wurde sie in einem Anbau des Gemeindebackhauses an der Zaisersweiherstraße. Der Bauplan liegt im Stadtarchiv Mühlacker (STAM, Li A 933) und findet sich im neuen Heimatbuch auf Seite 211 (Konrad Dussel, "Lienzingen", 2016, Verlag Regionalkultur).
Im Jahr 2011 feierte die Abteilung die 150-jährige Existenz der Spritze - mit einem Spritzenfest. Nächstes Jahr ließe sich ein neues Spritzenfest durchaus begründen.
Jedenfalls können wir Lienzinger nun sagen: Ja, da ist sie. Prächtiger denn je, das dunkelgrün lackierte gute Stück.
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