Was Mühlacker hat: Viele Sonnentage, kein Fahrverbot , doch mehr CO2-Emissionen
Die Nachricht ging lokal zwar unter, trotzdem: Ich finde sie wuchtig, schön und gut (schlechte gibt es tagtäglich genügend). Der bundesweit dritte Platz der sonnigsten Regionen geht an Mühlacker mit 2085 Stunden - nach dem Hochrhein, 2126 wurden in Rheinfelden gemessen, und Stuttgart mit 2098 Stunden. Mehr als 2000 Sonnenstunden ermittelten die Fachleute um Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt von Wetter-Kontor in Ingelheim zum Beispiel auch für Berlin, München, Nürnberg, Dresden, am Bodensee oder in Potsdam.
Positive Nachricht Nummer zwei: Sie schickte die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) auf die Reise durch die Nachrichtenwelt. Mühlacker blieb 2019 nach den vorläufigen Berechnungen unterhalb der Grenzwerte bei Stickstoffdioxid und Feinstaub. Der zulässige Grenzwert für die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) liegt bei 40 µg/m³ im Jahresmittel. Im Vergleich der Messergebnisse der Jahre 2018 zu 2019 konnte laut LUBW die Belastung mit Stickstoffdioxid an den verkehrsnahen Messstellen in Baden-Württemberg im Jahresmittel durchschnittlich um etwa 13 Prozent beziehungsweise etwa 5,9 µg/m³ reduziert werden. Das Verkehrsministerium jubelt.
Knapp unterm Limit
Der Jahresmittelwert in der Umweltzone Mühlacker mit der Messstelle an der Stuttgarter Straße "litt" 2018 unterm geringeren Verkehrsaufkommen wegen monatelanger Vollsperrung der B10 in diesem Bereich als Folge von Leitungs- und Fahrbahnarbeiten. Der Ergebnis: 33 µg/m³ im Jahresmittel, damit sieben µg/m³ unterm Limit. 2019 rollte der Verkehr wieder wie eh und je. Spannende Frage: Blieb die Belastung trotzdem unter dem von der EU vorgegebenen Grenzwert? Ja, knapp darunter, sagt die LUBW und gibt 38 µg/m³ für 2019 an. Also im grünen Bereich. Anders sah es noch 2017 und 2016 aus: Mit 47 beziehungsweise 49 µg/m³ standen die Zahlen seinerzeit auf rot. Mit der neuen Entwicklung ist die Gefahr von Fahrverboten gebannt. Wenn es keinen Rückfall gibt. Dazu passt diese Übersicht: 200102_Grafik_Uberschreitungstage_in_BW_2017.pdf
Punkt drei: Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg präsentierte im Dezember 2019 die kommunalen CO2-Bilanzen für 2017. Eine Wissenschaft für sich, denn die Statistiker unterscheiden zwischen quellenbezogener und verursacherbezogenen Kohlendioxid (CO2)-Emissionsdichte. Sie geben die Zahlen in Tonnen je Einwohner an. Im Vergleich zu 1990 konnten die Pro-Kopf-Emissionen um 17,4 Prozent reduziert werden. Gegenüber dem Vorjahr sind landesweit die CO2-Emissionen pro Kopf nur leicht gesunken (0,4?%), so das Landesamt in seiner Mitteilung. Für Mühlacker melden sie jedoch ein kleines Plus. Ein Jahr zuvor sah es noch etwas besser aus.
Mühlacker unter Landesmittelwert
In 946 Gemeinden, darunter Mühlacker, (knapp 86 Prozent) lagen die Emissionen je Einwohner unter dem Landesdurchschnitt von 6,2 t (Bund: 9,1 t). Die übrigen 155 Gemeinden Baden-Württembergs bewegten sich folglich über dem Baden-Württemberg-Mittel, wobei die Werte zwischen 1,2 und 205,2 t je Einwohner enorm streuen. Als Hauptgrund dafür nennt das "Stala" die starke regionale Konzentration der Emissionen aus Kraftwerken und Industrie, die landesweit durchschnittlich 2,5 t CO2 je Einwohner emittieren. In Kommunen mit sehr niedrigen CO2-Emissionen je Einwohner spielen Kraftwerke und Industrie als Sektoren keine oder nur eine unbedeutende Rolle. Umgekehrt errechnen sich vor allem an Standorten von Kohlekraftwerken überdurchschnittlich hohe Pro-Kopf -Emissionen von teils erheblich mehr als 30 t.
Der Straßenverkehr (rund 94 Prozent der gesamten Verkehrsemissionen) verursachte insbesondere bei Gemeinden mit Autobahnanschluss hohe Pro-Kopf-Emissionen (zeigt auch ein Blick auf die Enzkreis-Karte).
Die reinen Straßenverkehrsemissionen variierten zwischen 0,3 t und 50 t je Einwohner (Landesdurchschnitt rund 2,0 t je Einwohner). Rund 1,6 t CO2 je Einwohner landesweit entstanden im Bereich der Haushalte und Kleinverbraucher. CO2 entsteht hier in erster Linie durch die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser. Die übrigen 0,1 t je Einwohner in Baden-Württemberg waren auf den Sektor Sonstiger Verkehr (nationaler Flugverkehr, Bahn- und Schiffsverkehr sowie Off-Road-Verkehr) zurückzuführen. Soweit die Erläuterungen der Statistiker.
- Zur Systematik: Bei der Darstellung nach der Quellenbilanz werden die CO2-Emissionen am Ort der Entstehung nachgewiesen. Sie liefert eine vergleichbare Zahl zu den auf Bundebene nach internationalen Vorgaben des Kyoto-Protokolls ermittelten Angaben.
- Werden die Emissionen, die bei der Erzeugung von Strom und Fernwärme entstehen, auf den Endverbraucher (Industrie, private Haushalte und Kleinverbraucher) umverteilt, ergibt sich die Verursacherbilanz.
Für Mühlacker heißt das für 2017: 4 Tonnen quellen- und 7,7 Tonnen verursacherbezogen. Bei beidem ein leichtes Plus gegenüber 2016. Ähnlich fällt der Trend für den Enzkreis und die Region Nordschwarzwald aus. Leider werden für Gemeindeebenen automatisch keine Daten zu den einzelnen Sektoren geliefert.
Verkehr der größte Posten
Aber Rückschlüsse lassen jene für den Enzkreis zu. Danach fielen alle Ursachen der Belastung für Klima und Luft durch Zuwachs von 2017 gegenüber 2016 gleichermaßen auf: Private Haushalte, übrige Verbraucher (von 304.000 auf 310.000 Tonnen), Industrie/Feuerungen und öffentliche Kraftwerke (von 95.000 auf 97.000 Tonnen) und Verkehr (von 499.000 auf 503.000 Tonnen). Womit feststeht: Der Verkehr ist der größte CO2-Belaster im Enzkreis. Der Landkreis muss sich mehr um die Ursachen kümmern. Ob er genügend Kraft in eine Gegenstrategie steckt? Zweifel sind (noch) angebracht. Im Alltag sehen die guten kreispolitischen Vorgaben häufig anders aus als die Luft, die man nach oben noch hat. Aber manches geht garnicht so leicht, denn es kommt vor allem darauf an, wie viel Menschen vom eigenen Auto auf Bus und Bahn umsteigen. Das ist deren Privatsache - gute Takt-Angebote und günstige Tarife können Anreiz sein zum Wechsel.
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