Lindach-Schulpläne: Geschickt gestückelt und mit Landesgeldern garniert

Im Lindach: Grundschule (rechts) und Westflügel der Realschule (links)

Noch im Juli lobte der Gemeinderat das Konzept, das Basis war für den so genannten Endbericht Phase Null „Schulzentrum Lindach in Mühlacker“ mit Mörike-Realschule (MRS) und Gemeinschaftsschule Schillerschule (GMS). Doch lässt sich das auch so umsetzen? Wir nahmen den Inhalt des 57-seitigen Heftes formal zur Kenntnis, die Verwaltung sagte für den Herbst 2019 das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie mit angeschlossener grober Kostenschätzung durch das Architekturbüro Lohr zu, beauftragten die Stadtverwaltung  darzulegen, in welcher Form eine abschnittsweise Realisierung der geplanten Sanierungs- und -neubaumaßnahmen möglich ist und dafür einen Zeitplan zu erarbeiten.

Damit war klar, dass es vor dem 1. Oktober 2019 keine baugenehmigungsreifen Planungen gibt, die notwendig sind, um spätestens zu diesem Stichtag einen Zuschussantrag ans Land Baden-Württemberg stellen zu können. Eine Zahl für die Kosten der gesamten Investitionen hatte sich schon vorher in den Köpfen festgesetzt: 18,5 Millionen Euro. Doch das war, ohne dass das Konzept vorlag, eine gegriffene Summe ausschließlich für die mittelfristige Finanzplanung im Haushaltsplan 2019 - eine „Hausnummer“ - und taugt nicht als Ausgangspunkt der Kosten des Bildungscampus Lindach.

Ich habe das Komma gesucht
Trotzdem traf uns die Zahl, die der Architekt für die Umsetzung des Konzepts schätzt, wie ein Hammerschlag: bis zu 64 Millionen Euro, mit Inneneinrichtung so um die 70 Millionen. Die Details der Studie liegen dem Gemeinderat immer noch nicht vor, in einer Klausursitzung Mitte März 2020 soll das Zahlenwerk und die Vorgaben auf den Prüfstand. Der Bürgermeister einer Nachbargemeinde meinte trocken: Ich habe bei der Zahl das Komma gesucht!

Auf Fragen des Mühlacker Tagblattes an die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat riet ich, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich mit den Details zu beschäftigen. Denn noch ist die Höhe der Landeszuschüsse für die Umsetzung des gesamten pädagogischen Konzepts offen - das muss von der Verwaltungsspitze beim Regierungspräsidium Karlsruhe bis zur Klausurtagung geklärt werden. Genauso die Frage, wie es um eine finanzielle Beteiligung des Bundes an den Sanierungskosten steht. Ist der Berliner Topf leer? Sind wir zu spät dran?

Wird in dem Konzept beim Flächenbedarf für Gemeinschaftsschule - Grundschule und Klassen 5 bis 10 - bzw. Realschule geaast? Ein Blick auf die Berechnungen (Seiten 57, 58 und 59) liefert die Antwort: nein! Vorgabe des Gemeinderats war, dass nur akzeptiert wird, was nach den Schulbauförderrichtlinien des Landes vorgesehen ist.

Soll und Haben
Sprich: Was Stuttgart sponsert. Die förderfähigen Flächen für allgemeinen und fachspezifischen Unterrichtsbereich, Lehrer- und Verwaltungsbereich sowie Inklusion erlauben bei einer

  • fünfzügigen Realschule 4813 Quadratmeter, der ermittelte Bedarf liegt mit 4647 darunter (Ist 3993 qm)
  • zweizügigen Gemeinschaftsschule Klassen 5 bis 10 je einschließlich förderfähig 2952 qm, ermittelter Bedarf 2979, Ist-Bestand 1956 qm
  • vierzügige Grundschule der GMS 1800 qm, ermittelter Bedarf 2024 qm (da bisher dreizügig) 2024 qm, Ist 1188 qm.

Jeweils hinzu kommen Sondernutzung, Kernzeit/Ganztagesbetreuung: bei MRS unverändert, GMS wenige qm mehr, Grundschule plus zirka 350 qm.

Eine gut zwei Dutzend Mitglieder zählende Arbeitsgruppe mit Vertretern von Lehrern und Eltern aller drei Schularten sowie der Stadtverwaltung arbeitete von Oktober 2017 bis Januar 2019 das Konzept aus bei 20, höchst unterschiedlichen Terminen (Gespräche, Besichtigungen, Interviews, Workshops), moderiert von Egon Tegge, pädagogischer Schulbauberater (www.gesunde-lehrer.de), ehemaliger Leiter eines Gymnasiums in Hamburg, der inzwischen in Pforzheim wohnt.

 

Ein- und Durchgang Lindach-Schulareal

Eine distanzierte Grundhaltung gegenüber grundsätzlichen Veränderungen im Schulbau habe es zuerst gegeben, heißt es im Bericht (S. 10). Eine neue Denke war gefordert, weil die Stadt auch noch andere Prioritäten hat, aber keine unbegrenzten Finanzmittel. Neuland wurde betreten:

Verkehrsfläche besser nutzen
40 Prozent der von der Kommune finanzierten Bruttogeschossfläche war früher pädagogisch nicht nutzbare Flurfläche (Seite 12). Brandschutzvorschriften standen vor einer Nutzung. Bei geschickter Raumaufteilung lassen sich künftig Teile für das Lernen und Arbeiten der Schülerinnen und Schüler nutzen. Konzepte seien in anderen Bundesländern in Einklang gebracht worden mit dem Brandschutz (Seite 32).

In Flächen zu denken, nicht in Klassen - so ein weiteres Stück Neuland. Denn langfristige Entwicklungen bei der Nachfrage nach Schularten seien schwer abschätzbar, eventuell neue politische Entscheidungen wie die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung seien weitere Unsicherheitsfaktoren (Seite 16).

Die Schüler sind aber da, egal, ob nun in der MRS oder in der GMS. Die beiden Sekundarstufenschulen sollen auf Flächen je nach Bedarf zurückgreifen zu können. Ein klarer Abschied vom „Das sind meine Räume, dort sind deine!“ Zudem könne die Fachraumnutzung dem tatsächlichen Bedarf von GMS und MRS angepasst, Doppelinvestitionen bei zeitweise Leerständen vermieden werden.

Umzug der Grundschule?
Diese flexible Nutzung erfordert aber laut Konzept das räumliche Nebeneinander der beiden Schularten. Die Folge: Die Klassen 5 bis 10 sollen auf dem Lindach-Areal untergebracht werden, weshalb die Grundschule in die dann leeren Räumen in Schillerschule und Uhlandbau-Anbau umziehen soll (Seite 17 ff). Einerseits eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung, die aber andererseits durch den Umzug der Grundschule Kosten unter anderem in Sanierung und Umbau auslöst. Für eine abschließende Bewertung fehlt noch die Gesamtbetrachtung der Kosten, die bis zur Klausurtagung des Gemeinderats vorliegen muss. . Welchen Stellenwert hat der vorgeschlagene Umzug der Grundschule vom Lindach in die Schillerschule für das gesamte Konzept und ist dieser entscheidend? Könnte notfalls darauf verzichtet werden und wenn ja mit welchen Folgerungen?

Der Westflügel der MRS soll abgebrochen und durch einen größeren Neubau ersetzt werden. OB Frank Schneider sagte in seiner Haushaltsreden vor Weihnachten im Gemeinderat, er schlage als ersten Abschnitt die Sanierung des MRS-Hauptgebäudes vor. Umfang und Kosten sind uns noch nicht bekannt. Vor wenigen Jahren gab die Stadt dort unter anderem 800.000 Euro aus, um die Toiletten zu sanieren. Was in allen Gebäuden fehlt sind Aufzüge - doch die immer stärker von Eltern behinderter Kinder nachgefragte Inklusion erfordert Barrierefreiheit.

Die aktuellen Fachräume der MRS sollen zu Unterrichtsflächen rückgebaut und durch moderne Fachräume im Neubau auf dem abzubrechenden jetzigen Westflügel ersetzt werden. Die Gemeinschaftsschule ist verbindliche Ganztagesschule, die Realschule will einen offenen Ganztageszug - mit der Notwendigkeit eines Mensa-Baues auf dem Areal der Turnhalle, die auch der Abrissbirne zum Opfer fallen soll - unweit von GMS und MRS steht die neue Sporthalle Lindach. Die Stadtverwaltung hatte für die Sanierung der Mörike-Turnhalle zwei Millionen Euro berechnet, ein Betrag, der sich einsparen und sinnvoller verwenden ließe (Seite 22). Der Uhlandbau soll Mensa bleiben. Auch die Grundschule hat einen Ganztageszug, dessen Raumbedarf aber noch nicht Teil der Flächenberechnungen sind (Seite 32).

Doppel-Angebot Ganztags?
Nachdem im weiterführenden Schulbereich die Gemeinschaftsschule als verpflichtende Ganztagesschule mit verbindlicher Teilnahme am Mittagessen vorhanden ist, sollte in der Klausur dargelegt werden, ob ein offenes Ganztages-Angebot der MRS mit unverbindlicher Mittagessen-Teilnahme unbedingt sein muss oder ob sich eine Arbeitsteilung anbietet. Ich habe erhebliche Zweifel, dass zum Beispiel in der MRS bei einer freiwilligen Teilnahme am Mittagessen die genannten Zahlen erreicht werden können, die bei der Raumbedarfsberechnung Lohr zugrunde gelegt wurden (Seite 53, mit 600 Esser täglich) und beziehe mich auf die Erfahrungen mit der geringeren Nachfrage als zuerst erwartet bei der Mensa des Theodor-Heuss-Gymnasiums (auch freiwillige Nutzung). Wie hat sich dort die Zahl der das Essensangebot nutzenden Schüler entwickelt (auch Ist-Soll-Vergleich bitte)? Wie hoch wäre die Kosteneinsparung bei der Arbeitsteilung MRS/GMS in diesem Bereich bei den Investitionen netto? Zumindest gesprochen werden muss darüber.

Realschule: Hauptgebäude (rechts) und Westflügel (links)

Inputräume, Differenzierungsräume, Lernkojen, Gruppeninseln, Teamräume, Lernatelier/Marktplatz - daneben klingt „Klassenraum“ nostalgisch. Aber Schule verändert sich. Das beschert der Stadt als Schulträger ein Paket kostenträchtiger Wünsche. Welche sich abschnittsweise und mit finanzieller Hilfe des Landes verwirklichen lassen, muss sich bei der Klausurtagung des Gemeinderats zeigen.  Einige Punkte gilt es mit dem Land zu erhellen:

In verschiedenen Punkten sind abschließende Klärungen noch ausstehend, zum Beispiel die Frage eines Sachunterrichtsraumes (Seite 34, aber auch 46). Wie ist der Architekt in der Kostenberechnung mit solchen offenen Fragen umgegangen, stecken quasi gewisse Beträge daraus auch in der Kostenberechnung?

Fragen ans Land

Wenn zum Beispiel bei der Grundschule bestimmte Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden müssen, für die das Land bisher keine Schulbaufördermittel gibt (Seite 36 und 44), muss dieser Widerspruch beim Land vorgebracht und beim RP geklärt werden, wie letztlich die Entscheidung unter Berücksichtigung des Konnexidätsprinzips ausfällt.

Und:  Lässt sich mit dem Regierungspräsidium klären, ob die neuen Bildungsplan-Vorgaben des Landes für Realschulen zügig in die Schulbauförderrichtlinien des Landes für die Klassenstufen fünf und sechs eingearbeitet werden (Seite 49)?

Nur: Raummäßig ist das Konzept „Phase Null“ nicht überzogen, die Schulen hatten sicher darüber hinaus gehendere Forderungen, die sich aber abbiegen ließen. Schon beim jüngsten Treffen von Verwaltung und Ratsfraktionen mit dem Gesamtelternbeirat Schulen blitzte die Forderung auf, vor lauter Lindach den Sanierungsbedarf anderer Schulen nicht zu vergessen. Besonders Vertreter des Gymnasiums forderten das. Nur als Millionen in Brandschutz etc. des THG gesteckt wurden, kam aus dem Lindach die Botschaft "Vergesst uns aber nicht!" Eine Neuauflage, nur in umgekehrter Richtung.

Im Gemeinderat wird man über Details und mögliche Korrekturen sprechen müssen. Finanzen sind wichtig, aber nicht einziger Entscheidungspunkt. Das pädagogische Konzept „Phase Null“ ist zu gut und wirtschaftlich, als dass es amputiert werden darf. Zu verwirklichen ist es geschickt gestückelt und mit Zuschüssen garniert.

Hier lässt sich alles nachlesen: Phase_Null__Konzept_Schulen_Lindach.pdf

Investitionen der Stadt in die Schulen seit 2014:Schulen_2014_bis_2019.pdf

 

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