#DankefürsGespräch - Jugend trifft auf Politik

Die Kreiskommunen liegen zurück bei Angeboten an Kindern und Jugendlichen, vor den sie betreffenden Entscheidungen angehört zu werden, sagt eine Studie. Mit einer Jugendkonferenz will der Enzkreis aufholen.

Doch: Stell Dir vor, es ist Jugendkonferenz und die Jugendlichen fehlen. Nein, bei der gemeinsamen Veranstaltung von Stadt Pforzheim und Enzkreis blieben die Landtagsabgeordneten und die Kommunalpolitiker nicht unter sich. Beinahe 150 junge Menschen erwarteten gespannt, was ihnen im großen Saal des Landratsamtes geboten wird. Sie kamen, wie die Vorbereitungsgespräche zur Konferenz zeigten, mit Skepsis. Die Note: 3,64 für die Politiker. Gerade noch befriedigend. In der Landespolitik fühlen sie sich eher schlecht vertreten. Mit dieser Last ging es zu den persönlichen Gesprächen an den 15 Stehtischen - immer ein Politiker und etwa ein halbes Dutzend Mädchen und Jungen. Viermal wechselten die Gesprächspartner den Platz. 

Für mich war dieses Format eine Premiere, für manche meiner Gegenüber auch. Zuerst lief alles etwas zäh an, dann aber gewannen die Diskussionen an Fahrt. Irgendwie mussten wir Kreis- und Gemeinderäte sowie unsere Kollegen vom Landtag gezeigt haben, dass wir Menschen sind und keine Polit-Roboter. Nach der Tisch-Runde lobten beide Seiten, dass man sich auf Augenhöhe begegnete. Der direkte Kontakt wirkte positiv. „Hashtag. Danke fürs Gespräch“ – so bewertete Hip-Hop-Künstler Samadhi in seinem Auftritt zum Abschluss diese erste regionale Jugendkonferenz, die mit Hilfe der Landeszentrale für politische Bildung zustande kam. Das Motto: „Was uns bewegt“. Die Note nach der Runde hätte mich brennend interessiert. Offenbar konnten wir aufholen.

Wo sonst Kreisräte tagen: Junge Menschen aus Pforzheim und dem Enzkreis bei der ersten Jugendkonferenz

Alltags- und Zukunftsthemen dominierten, aber Realismus auch. Pragmatisch und konkret. Mich haben viel mehr Jugendliche auf das Thema öffentlicher Nahverkehr angesprochen. Sie beklagen, an Wochenenden von Veranstaltungen in Pforzheim oder sonst wo her nicht mehr in ihr Dorf zurückzukommen („von Pforzheim nach Pinache fährt nichts mehr“), zumal das Nachtschwärmer-Linientaxi in Pforzheim Ende März eingestellt wurde und auch das Anrufsammeltaxi (AST) der Stadtwerke Mühlacker auf manchen Linien nur bis 24 Uhr im Einsatz ist. Aber junge Leute sind auch noch später unterwegs. Eltern sorgen sich, dass sie sicher nach Hause kommen. Meine Konsequenz aus den Gesprächen an der runden Tischplatte: Über dieses Thema müssen wir uns wirklich noch einmal Gedanken machen. Natürlich habe ich den Jugendlichen geraten, sich an der Online-Umfrage des Verkehrsverbunds Pforzheim/Enzkreis (VPE) zu beteiligen und sich auch so Gehör bei der anstehenden Aufstellung des neuen Nahverkehrsplans für Pforzheim und Enzkreis zu verschaffen. Und ich wandte mich inzwischen mit dem Anliegen schriftlich an den VPE.

Mir hat die Premiere gefallen. Natürlich ist das Gespräch mit einem Kreisrat aus Mühlacker wie mir, konkreter, wenn gegenüber Schüler des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Mühlacker oder der Gemeinschaftsschule Heckengäu stehen und man sich über Mühlacker-Themen austauschen kann - von Gewerbegebieten bis zur Buslinie zwischen „Glabbich“ und „Werscha“. Dagegen verrieten mir zwei Gymnasiasten aus Remchingen, sie wollten Piloten auf einer Lufthansa-Maschine werden, als ich sie bei einem kurzen thematischen  Durchhänger nach ihren Berufswünschen fragte.

Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommunalpolitik. Die Gemeindeordnung Baden-Württemberg schreibt sie in Paragraph 41 a verbindlich vor. Das können Jugendgemeinderäte sein, lose Jugendforen oder Einbeziehung in die Ausarbeitung von Plänen für ein konkretes Projekt wie in Mühlacker 2015 bei der neuen Skaterbahn auf dem Gartenschaugelände. Die Stadtverwaltung Mühlacker schrieb jüngst die Gemeinderatsfraktionen an und bat, einen Ansprechpartner für junge Menschen zu benennen. Für die CDU-Fraktion ist dies nun Stadtrat Johannes Bächle (21).

Bei der Jugendkonferenz ausgelegt: die von der Landeszentrale für politische Bildung herausgegebene 96-seitige Studie „Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg 2018“ mit den Ergebnissen einer Umfrage unter den Städten und Gemeinden des Landes. Die Rücklaufquote der Fragebogen war rekordverdächtig:  97 Prozent. Die Tendenz: Je kleiner die Gemeinde, je geringer die Beteiligungsangebote aus dem Rathaus. Eine detaillierte Auswertung für alle 44 Stadt- und Landkreise ist für den Enzkreis kein Ruhmesblatt. Mit einer Jugendbeteiligung in 29 Prozent der Kommunen liegt der Enzkreis deutlich unter dem Durchschnitt im Land von 53 Prozent (Seite 50 der Studie). Bei der Kinderbeteiligung sind es gar nur 18 Prozent. Passt ins Bild: Denn 82 Prozent der 28 Kreiskommunen haben weniger als 10.000 Einwohner. 

Durchwachsen sind die Meinungen der Rathaus-Oberen über den neuen Paragraphen 41 a der GemO. Auf einer Skala zwischen 1 (Bürde) und 5 (Chance) beträgt der Durchschnittswert der jeweiligen Einstufung 3,39. 

Die niedrige Quote, steht in der Studie zum Enzkreis, liege nach Angaben der Befragten aber weder an zu geringer finanzieller Ausstattung noch am fehlenden Know-How. Der Landkreis sei (neben dem Landkreis Schwäbisch Hall) einer der wenigen, in der keine Kommune Bedarf an externer Beratung hat. Und nur vier Gemeinden sehen einen höheren Budget-Bedarf. Immerhin starteten in jüngster Vergangenheit in zwei Gemeinden Jugendgemeinderäte: Birkenfeld und Straubenhardt. Mühlackers schlechte Erfahrungen vor bald 20 Jahren wirken noch heute abschreckend - der Jugendgemeinderäte schaffte sich aus Mangel an Beteiligung selbst ab.

Einen Volltreffer landete der Enzkreis trotzdem: Alle 28 Kommunen beteiligten sich an der Umfrage. Immerhin ein Zeichen, dass sie sich mit dem Mit-Machen junger Menschen beschäftigen. Das kann zu neuen Aktivitäten führen. Warten wir ab!

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.