Das Fundstück: Goldige Börse für die Lienzinger Konfirmanden

Das Münch-Produkt . . .

Wow, ich habe ihn noch, den Geldbeutel mit den goldigen Schuppengeflechten aus Metall! Ein Geschenk zur Konfirmation, ein Geschenk mit Lokalhistorie. Vor einem halben Jahrhundert von der Firma Friedrich Münch GmbH + Co KG in Mühlacker produziert, die zuerst mit der Verarbeitung von Metallgeflechten für Handtaschen sehr erfolgreich am Markt agierte, später sich nicht minder ertragreich auf andere Produkte verlegte. 

Friedrich Münch (1896 - 1967) gründete 1920 das Unternehmen, er wohnte später in Lienzingen, pachtete vom 1. April 1933 an die Lienzinger Jagd (Fläche: 980 Hektar) und erwies sich als großzügiger Spender im Ort. Anno 1958 überwies er der Gemeinde 40.000 Mark, worauf diese sofort mit dem Bau eines - des ersten - Kindergartens beginnen konnte und ihn deshalb nach Friedrich Münch benannte, wie in den Sechziger Jahren auch die Straße, die unter anderem an diesem

... die goldige Geldbörse

„Kinderschüle“ vorbei läuft. Der Fabrikant, der seit 1948 in exklusiver Lage am Spottenberg über dem Ort in seiner Freizeit zuerst in einer Jagdhütte, dann von 1957 an im so genannten Sommerhaus nach Schweizer Stil logierte, ward noch 1958 zum Ehrenbürger von Lienzingen ernannt worden - viele Jahre spendierte der Firmenchef jedem Jungen und jedem Mädchen im Flecken zur Konfirmation eine solche Geldbörse. Das Unternehmen gibt es noch, den Brauch nicht mehr. Münch seine Familie haben ein Ehrengrab auf dem Lienzinger Friedhof gleich am Haupteingang. 

Jetzt stöberte ich in einer von zwei größeren blauen Plastikkisten, machte das, was ich längst wollte. Den Fundus aus fast sieben Jahrzehnten sortieren, thematisch zusammenfassen, in breite Mappen stecken und archivieren. Dabei die Überraschung: das vermisste  Präsent aus den Sechziger Jahren. Ehrlich: Ich nahm die Börse nie in Gebrauch. Mir fehlte als Konfirmand das Geld, um sie zu befüllen. Zudem fand ich, sie passe eher zu Mädchen. Und so verschwand sie aus meinen Augen. Bis jetzt, gut 50 Jahre später. Ungebraucht. Aber deshalb sieht das gute Stück auch noch wie neu aus.

Dass sich auch andere gerne an diese Münch‘schen Geschenke erinnern, belegt die  Reaktion auf ein paar Zeilen und Fotos auf meiner Facebook-Seite. Die gleiche Börse habe ich auch - genauso unbenutzt, aber in Ehren aufbewahrt, schrieb ein Ex-Lienzinger aus dem Kreis Freudenstadt in die Kommentar-Rubrik. Und eine Lienzingerin freute sich: Wow, ich hatte auch eine, mit Bügel. Für Mädchen eben. Kurz und knapp eine andere Userin: Schönes Stück!

Und so sieht sich das Unternehmen heute: Entfaltung und Fortschritt charakterisieren den Weg in der Mitte des 20. Jahrhunderts und bestimmen die Firmengeschichte bis zum heutigen Tag. 1968 wird der erste Sicherheitshandschuh aus geschweißtem Ringgeflecht vorgestellt. Heute – in der 3. Generation, ununterbrochen unter der Führung der Familie Münch – ist die Friedrich Münch GmbH + Co KG weltweit aktiv und mit ihren Marken niroflex und niro S ein Synonym für hochinnovative Produkte und Lösungen sowie eine unerreichte Qualität. (Quelle: Homepage des Unternehmens)

Als der Reisepass noch grün war
Besuch in der DDR: Visum und viele (Melde-)Stempel

Vieles fällt einem plötzlich wieder ein, wenn man stöbert. Alles hatte vor Jahrzehnten mit einem kleinen Pappkarton begonnen für persönliche Dinge, die nicht weggeworfen werden sollen. Die Sammlung wuchs - zuerst reichte ein blauer Plastikbehälter, dann folgte ein zweiter. Unsortiertes im Keller.  Immer mit dem Hintergedanken, ans Ordnen zu gehen, wenn ich Rentner bin. Doch dann dauerte es nochmals drei Jahre Ruhestandszeit, wobei das Wort "Ruhestand" mir eh schleierhaft ist. Sei's drum!

Jetzt, in den terminlosen Ferienwochen, gab ich mir einen Ruck und schaffte beide Behältnisse vom Keller hoch. Jetzt sitze ich schon am fünften Tag dran und sehe: Das Archivieren in nun 19 breite Klarsicht-Mappen - zusammen 64 Zentimeter hoch - ist nicht alles. Und das eine oder andere Fundstück lockt, darüber zu Bloggen.

Auch schon Geschichte. Als der bundesdeutsche Reisepass noch grün war

und es die DDR noch gab, brauchten Besucher aus dem Westen ein Visum zur Einreise, mussten sich innert 24 Stunden bei der Volkspolizei am Zielort an- und vor der Abreise wieder abmelden. So kam manche(r) zu seiner Stasi-Akte in dem Überwachungsstaat, ich wegen meinen Besuchen bei Freunden zuerst im thüringischen Schmölln (erstmals 1964), dann in Gera. Ein Kontakt, der sich aus einer Adresse in Schmölln entwickelte, die ich um 1962 von meiner Religionslehrerin erhielt, da die evangelischen Kirchengemeinden Schmölln und Mühlacker schon damals partnerschaftlich verbunden waren. Schick doch zur Konfirmation des Jungen ein Päckchen, sagte sie. Wir taten es. Und sind ihr heute noch dankbar für diese Bitte. Der Kontakt ist in sechs Jahrzehnten nicht abgebrochen, auch wenn der seinerzeitige Konfirmand nach der Wende 1990 mit Frau und Sohn nach Pforzheim umsiedelte. Er starb voriges Jahr. Seine Familie ist uns weiterhin gute Freunde.

Zurück zur Stasi. 1999 beantragte ich Auskunft beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Im Januar 2000 kamen die Recherche-Ergebnisse aus Berlin. Und siehe da: Ich hatte die Nummer C4224013(78) und eine Karte, auf der zwei Besuche in Gera eingetragen waren: 8/77 und 10/78. Erfasst im internen Speicher 5005. Ob die zwei Blatt die einzigen Einträge waren, blieb offen. Doch an diese staatliche Dauerkontrolle zu erinnern, ist ab und zu notwendig, schon gar angesichts mancher DDR-Nostalgiker.

Weitere Fundstücke folgen. Garantiert.

Übrigens: Ein schönes Stück zu meiner Stöberei in der PZ.

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