Der Tageskarten-Vergleich - Minus-Punkte für den VPE

Baden-Württemberg hat 22 Verkehrsverbünde, das Land Hessen kommt mit zwei aus

Zum Thema Preise und Leistungen der Verkehrsverbünde hat mein Remchinger Kreistags- und Fraktionskollege Kurt Ebel seine eigenen Erfahrungen: Ab September kann ich mit meiner KVV-Netz-Jahreskarte 65 das komplette KVV-Netz incl. Schienennetz des VPE rund um die Uhr (also nicht erst ab 9.00 Uhr) für 46 Euro/Monat nutzen und dabei alle meine Enkel unter 15 Jahren kostenfrei mitnehmen. Vielleicht kriegen wir das im VPE auch mal hin, dann wechsle ich gerne.

So kommentierte Kurt Ebel die heutige Pressemitteilung von Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) einen Tarifvergleich unter den 22 Verkehrsverbünden in Baden-Württemberg, der beim Verkehrsverbund Pforzheim/Enzkreis (VPE) sicherlich nicht auf Begeisterung stieß. Denn der VPE steht in der Kritik, nicht ausreichend auf die Attraktivität seiner Tarifstruktur zu setzen. Lieb und Ebel stoßen, unabhängig voneinander, ins gleiche Horn. Beim VPE herrscht Reformbedarf, obwohl er erst vor eineinhalb Jahren mit einer geänderten Tarifstruktur versuchte, Terrain gutzumachen und den Rückgang bei den Fahrgastzahlen zu beenden und eine Trendwende zu erreichen. Der VCD sieht beim VPE dringenden Handlungsbedarf, neue Fahrgäste zu gewinnen, die bisherigen Ansätze des VPE seien aber weitgehend erfolglos gewesen. Statt jetzt einseitig auf verbilligte Handytickets  mittels VPE-App zu setzen, sollte der VPE vielmehr ein einfaches Tageskarten (24h-Ticket)-Preissystem einführen.

Nun aber zur heutigen Erklärung des Landes-VCD, die PM 23/19, und zum Tageskarten-Vergleich:

Ferienzeit ist Ausflugszeit – über ein Drittel aller Wege werden in der Freizeit zurückgelegt – zumeist mit dem privaten PKW. Dabei sollte aus Klima- und Umweltschutzgründen häufiger Bus und Bahn genutzt werden.

Der VCD hat deshalb für Baden-Württemberg überprüft, welche Fahrkarten-Angebote die 22 Verkehrsverbünde und der Landestarif in Baden-Württemberg als Alternative zum PKW-Ausflug anbieten und die Tageskartenpreise und –Konditionen verglichen. Ergebnis: ein Tarifwirrwar.

24-Stunden-Karten im Vorteil

Aus Sicht des VCD wäre hier eine Harmonisierung der Bestimmungen dringend notwendig: Für den Fahrgast bieten 24-Stunden-Karten den höchsten Nutzen, da einem festen Preis eine feste Nutzungszeit gegenübersteht, bei der Tageskarte sinkt hingegen der Nutzen bei einem Kauf am Abend gegenüber einem Kauf am Morgen, weiß Matthias Lieb. Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren 24-Stunden-Karten aber zumeist durch Tageskarten ersetzt, so auch der VPE. Während die großen Verkehrsverbünde Rhein-Neckar VRN, Karlsruhe KVV und Stuttgart VVS und der verbundüberschreitende BW-Tarif mit ihren jeweiligen Tageskarten bzw. dem BW-Ticket, dem Metropolticket oder der RegioX-Karte zumeist preislich attraktive Fahrkartenangebote im Sortiment haben, fallen hier die kleinen Verkehrsverbünde durch vergleichsweise unattraktive Tageskartenpreise unangenehm auf, erläutert er die Ergebnisse der VCD-Auswertung.

Das Baden-Württemberg-Ticket habe sowohl für 1 Person als auch für 5 Personen das günstigste Preis-Leistungsverhältnis aller Tageskarten. Bei den Karten für 1 Person kommen die Tageskarten des Verbundes Rhein-Neckar VRN und das Metropol-Tagesticket für die Region Stuttgart an nächster Stelle, anschließend die Tageskarte für die Ortenau. Bei den Karten für 5 Personen liegen die Tageskarten der Verbünde Rhein-Neckar VRN und Ulm (DING) an Platz 2 und 3, gefolgt von der VVS-Tageskarte.

Kleine Verbünde wie der VPE verlangen mehr

Am anderen Ende der Skala stehen lauter kleine Verbünde, so Lieb. So koste im Rottweiler Verkehrsverbund VVR eine Tageskarte für 5 Personen mit 28,80 € deutlich mehr als eine Tageskarte für 5 Personen im VVS für 19,50 €, der zudem noch einen fast fünffach größeren Geltungsbereich habe (VVR 769 km², VVS 3654 km²). Überhaupt seien bei kleinen Verbünden die Preise der Tageskarten relativ höher als bei großen Verbünden. So koste die Tageskarte im zwischen Karlsruhe und Stuttgart liegenden kleinen Pforzheimer Verbund (VPE) für 5 Personen 18,80 € (672 km²), während in den benachbarten Verbünden KVV und VVS rund 3.500 km² zwischen 19,50 und 20,30 € kosteten.

In manchen Verbünden, wie z.B. in Calw, Freudenstadt oder Konstanz, werde nur eine Familienkarte, aber keine Gruppenkarte angeboten. Fahrten von mehr als zwei Erwachsenen würden dann unverhältnismäßig teuer.  

Während für größere Verkehrsverbünde auch rund um ihren Verbund gemeinsame Tageskarten mit den Nachbarverbünden im Rahmen des BW-Tarifs angeboten werden (Metropol-Tagesticket rund um Stuttgart, RegioX-Karte rund um Karlsruhe), fehlen aus VCD-Sicht solche verbundüberschreitenden Angebote in den anderen Landesteilen.

Die günstigste Tageskarte in Städten über 200.000 Einwohnern für eine Person bietet die Landeshauptstadt Stuttgart. Mit 5 € (als Handy- oder Online-Ticket, sonst 5,20 €) kann eine Person einen Tag kreuz und quer durch Stuttgart fahren. In Karlsruhe und Mannheim liegen die Fahrpreise mit 6,60 € – 7 € deutlich höher.

Tageskarte in Pforzheim  sowohl in der Stadt als auch im VPE relativ teuer

Betrachtet man die Städte mit rund 100.000 Einwohnern, so haben Esslingen und Ludwigsburg mit 3 € die günstigste Tageskarte für eine Person. In Pforzheim und im VPE ist die Tageskarte mit 5,50 € am teuersten. Dafür ist die kostenlose Kindermitnahme in Pforzheim einbezogen.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bekräftigte die Kritik des VCD. Sechs bis acht Verkehrsverbünde im Land würden ausreichen, so Hermann im SWR: Wir haben zu viele Verbünde in Baden-Württemberg, viele sind auch zu klein. Wir können das aber nicht von oben herab ändern, sondern können nur den Verbünden helfen, sich zusammen zu tun. Als größere Anbieter könnten sie preiswertere Angebote bieten. Den Baden-Württemberg-Tarif sieht Hermann als großes Zeichen dafür, dass die Verbünde kooperien wollen. Die "nächste Stufe" der freiwilligen Kooperation sei ein Zeitkartensystem, das im nächsten und übernächsten Jahr realisiert werden soll.

Neuer Nahverkehrsplan Pforzheim-Enzkreis entsteht

Beim Workshop zum neuen Nahverkehrsplan, zusammen mit Stadträten von Pforzheim, als Vertreter der CDU-Kreistagsfraktion (von links) die Kreisräte Kurt Ebel, Mario Weisbrich und Günter Bächle

Nachdem Enzkreis und Stadt Pforzheim derzeit an der Aufstellung des neuen gemeinsamen Nahverkehrsplans arbeiten, kommt die Debatte zum richtigen Zeitpunkt. Das Problem: VPE-Zentrale und Teile der Zuständigen im Landratsamt Enzkreis gehen reflexartig in Abwehr- und darauf folgender Angriffshaltung, wenn sich Lieb meldet. Schade! Deshalb ist es Aufgabe des Kreistags, unvoreingenommen die Kritik und die Vorschläge des VCD zu bewerten. Sie sind fundiert.

Ich habe als Kreisrat die heutige Veröffentlichung des VCD zum Anlass genommen, beim Verkehrsdezernenten des Landkreises nachzufragen, inwieweit die Kreisverwaltung nun Reformbedarf bei den VPE-Tarifen im Tageskartenbereich sieht. Bin auf die Antwort gespannt.

Vorwurf: VPE kneift bei Fahrgastzahlen

Darüber hinaus sollten Enzkreis, Stadt Pforzheim und VPE offen und regelmäßig über die Entwicklung der Fahrgastzahlen im Verkehrsverbund kommunizieren, wie dies auch anderswo üblich ist, statt diese als geheime Kommandosache zu behandeln, fordert der VCD. Schließlich gäbe  es ein öffentliches Interesse, zu erfahren, wie die Steuermittel beim VPE verwendet würden, nachdem die Fahgastentwicklung seit Jahren trotz Fahrplanverbesserungen negativ sei. Hier seien die Ursachen offen zu legen und Konsequenzen zu ziehen, so der VCD.

Ein leidiges Thema. Während andere Verbünde regelmäßig über ihre Aufgaben und Ergebnisse Rechenschaft ablegen, bleibt beim VPE alles im Dunkeln, beklagt der Lienzinger Lieb. Er empfiehlt als Positiv-Beispiel Ostalbmobil. Wieso schaffen das Enzkreis, Stadt Pforzheim und VPE nicht?

Hatte früher der VPE unter unternehmensregister.de seinen Geschäftsbericht mit Lagebericht und dort der Darstellung der Fahrgastzahlen veröffentlicht,  ist seit dem Jahr 2017 dort nur noch die reine Bilanz ohne weitere Informationen zur Geschäftsentwicklung hinterlegt. Es hat den Eindruck, dass man möglichst überhaupt nicht mehr kommunizieren möchte, wie erfolglos man ist, schlussfolgert der VCD-Mann, der in Mühlacker wohnt.

Unter bw.vcd.org ist die vollständige Untersuchung samt tabellarischer Darstellung der Preise je Verbund abrufbar.

Update 23. August 2019: Fahrgastzahlen auf Rekordhöhe dank Tarifreform - Einfacher und günstiger beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) - Darf ich erinnern?

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