Breizh sieht Schwarz und Weiß - Aus dem Bretonen-Land Teil 2

Zweisprachig die Straßenschilder: Oben Französisch, unten Bretonisch.So wird aus Quimper nun Kemper

Bretagne, das etwas andere Frankreich. Sie erinnere Landschaft und Häuserstil schon leicht an England, besonders an Cornwall sagt meine Frau, denn sie war schon öfters auf der Insel, im Gegensatz zu mir. Aber auch die eigene Sprache, das Bretonische, trägt ihren Teil dazu bei. 200.000 Menschen in der Bretagne sprechen auch bretonisch, erzählt der Stadtführer - ich habe es nicht überprüfen können. Bei 3,3 Millionen Einwohnern wäre das ein relativ geringer Anteil. Laut Wikipedia sind es weniger als 290.000 Menschen, die Bretonisch verstehen. Die Zahl der Personen, die es tatsächlich sprechen können, werde auf 250.000 geschätzt. Fachleute des Schulfunkprogramms von SWF und WDR gaben in einer Sendung an, dass höchstens noch etwa 300.000 zumeist ältere Menschen Bretonisch sprechen und etwa 600.000 es zumindest verstehen. Allesamt Daten, die mehr als zehn Jahre alt sind. 

Jedenfalls sind die Ortsschilder zweisprachig, das regionale Radio- und Fernsehprogramm ebenso. In den Schulen wird die Sprache der Bretonen unterrichtet, in der ihr Land „Breizh“ heißt. Sie ist als weitere Amtssprache vom französischen Staat anerkannt. Bretonisch ist - so erfahren wir - keine romanische, sondern eine eigenständige keltische Sprache, die im Unterschied zum Französischen nicht nasal gesprochen wird. Innerhalb des Keltischen gehört das "brezhoneg" mit dem Kornischen und dem Walisischen zum britannischen Zweig, im Unterschied zum Gälischen, das in Schottland und Irland gesprochen wird. Die Bretagne ist der einzige keltische Sprachraum auf dem europäischen Festland. 

Keltisches steht jedenfalls hoch im Kurs in der Musik, bei den  Souvenir-Händlern, bei Biermarken, in Veranstaltungen, bei Grafikern und Autoren. Druiden als spirituelle Führer der Kelten, die Artussage und irgendwie auch der Gallier Asterix regen die Phantasie immer noch an. Und alles nur, weil anno 450 nach Christus den geschlagenen Römern, die zuerst die Gallier besiegt hatten (bis auf besagtes Dorf ganz oben..) bereits christianisierte Kelten folgten: Sie fielen aus Großbritannien ein und gaben der Bretagne ihren Namen. Im Englischen heißt die Bretagne heute noch "Brittany". 

Die Bretonen schlagen einen eigenen Ton an. Und das darf wörtlich verstanden werden. Doch die bretonische Volksmusik ist in den Ohren mancher Touristen gewöhnungsbedürftig, die den Gesang als eher eintönig und sich mehr oder minder immer wiederholend empfinden.  Instrumental kommt sie dagegen eher durchdringend und grell daher, dank Dudelsack und Bombarde, was einem Zuhören manchmal zeitlich Grenzen setzt, weil sie einem irgendwann auf den Geist geht. Sowohl bei der Musik als auch bei Brauchtum pflegen die Bretonen ihre eigene Marke. 

Am Samstag neben der Kathedrale in Quimper: Bretonischer Volkstanz. Die Tänzerinnen und Tänzer laden Zuschauer zum Mitmachen ein. Dazu Instrumentalmusik unter anderem mit Dudelsack und Bombarde

Von Tänzen, Trachten, Tönen

Eine althergebrachte Sprache, besondere Symbole, eigene Feste: Die Bretonen blicken stolz auf kulturelle Traditionen, die sie vom übrigen Frankreich abheben. Was bretonische Musik von französischen Chansons unterscheidet, wird schon nach den ersten Takten klar, wird in einem Online-Text gut beschrieben. Feste, Brauchtum und Traditionen: Gepflegt wird der Volkstanz, eine Art Reigentanz, wenn möglich in der Tracht, häufiger zu sehen unter anderem im Zentrum von Quimper quasi als Straßenmusik, wie am vergangenen Samstag. Es gibt über 60 verschiedene Trachten: Während die Männer mit Stickereien verzierte Westen, Kniehosen und einen breitrandigen Hut tragen, kleiden sich die Frauen mit weiten Röcken, Blusen und Mieder, und vor allem natürlich den "Coiffe", der weißen Spitzenhaube. Der Hit bei den Festen ist Fest-Notz, ein bretonisches Volksfest, das zum Beispiel auch in Mühlacker regelmäßig von Fans der Bretagne gefeiert wird.

Wer das Eigensein besser verstehen will, dem sei ein Besuch im Bretonen-Museum in Quimper gleich neben der Kathedrale empfohlen und das Eintauchen in die Geschichte. Ein im 10. Jahrhundert entstandenes Herzogtum und damit politische Unabhängigkeit, das sicherten sich die Bretonen über Jahrhunderte. Doch 1532 wurde ihr Staat französische Provinz. Die Geschichte lief nicht glatt ab.

Heute ist die nordwestlichste Region Frankreichs 27.208 Quadratkilometer groß, zählt 1208 Gemeinden in vier Départements - etwa 200 Kommunen mehr als Baden-Württemberg mit seinen elf Millionen Einwohnern auf 35.700 Quadratkilometern. Hauptstadt der Bretagne ist Rennes. Im Jahre 1986 wurden die Regionalräte erstmals direkt gewählt, seitdem die Befugnisse der Region gegenüber der Zentralregierung in Paris schrittweise erweitert. 

Mit .bzh ins Internet 

Breizh steht hoch im Kurs. Auch seine Flagge mit schwarzen Querbalken und Hermelin wirkt wie ein starker Werbeträger für regionale Produkte: Breizh-Cola, das meine Tochter im Urlaub so gerne trinkt. Hersteller von Marmelade, Käse, Säfte nutzen Breizh als Marketing-Instrument, sprechen die Identifikation der Bretonen mit ihrem Land und deren Wirtschaft an („Product en Bretagne“). Kaum ein Discounter, der nicht seine durchaus ansehnliche Breizh-Ecke hat mit Bleistiften, Notizbüchern, Taschen, Tischsets: meist im Schwarz-Weiß der Bretonen-Flagge, genauer der Regionalflagge „Gwenn ha du“ (Schwarz und Weiß). Auch internetmäßig ist Bretagne mit eigener Domaine unterwegs: .bzh.

Bretonische Musiker auf Kelten-Trip

Im Westen, Norden und Süden vom Atlantik umgeben, haben die Menschen in der Bretagne eine besondere Beziehung zum Meer, das ihnen lange Strände und Badeorte bescherte. Nach der Côte d'Azur entwickelte sich die Bretagne zur zweitwichtigsten Fremdenverkehrsregion Frankreichs. Doch nicht alle Touristen sind Schwimmer, Segler oder Surfer. Zum Beispiel ich. Ruhe, erträgliche Temperaturen auch im August, die Schönheit der Landschaft, die Weite des Atlantiks, die Sehenswürdigkeiten locken gleichermaßen. Armor steht in der bretonischen Sprache für Meer, ist aber seit 1938 auch Name eines regionalen Kleidungsproduzenten: unverkennbar am Marine-Stil mit den farbigen Längsstreifen. Nicht nur passend in der Bretagne, sondern auch gut zu tragen bei den Sitzungen des Mühlacker Gemeinderats.

An ihren Streifen sollt ihr sie erkennen: Im Fabrikverkauf von Armor Lux (August 2020). Foto: Günter Bächle

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