Die Angst, zum Bauernopfer zu werden
Jetzt, gut zwei Monate später, registrierten die Menschen im Eckenweiher die bis dato nur spärlichen Hinweise auf die Pläne der Stadt mit den Welschen Wiesen und sie nehmen zurecht übel, dass sie aus dem Rathaus nicht rechtzeitig informiert wurden. Was erbost, sind zwei nichtöffentliche Mehrheitsentscheidungen des Rats, Fläche zu kaufen, was inzwischen vollzogen wurde.
Von einer "Notlösung" sprach ein Ratskollege der Freidemokraten, weil sonst in puncto Gewerbeansiedlung nichts gehe - nachdem seine Fraktion erst am 22. Januar den Antrag der CDU abgelehnt hatte, den im Regionalplan auf seinerzeitigen Wunsch der Stadt Mühlacker von Restriktionen freigehaltenen, 25 Hektar großen Standort Lug Fuchsensteige zu nehmen, der "Notlösungen" überflüssig machen würde. Die überwiegende Mehrheit der Stadträte votierte voriges Jahr immerhin grundsätzlich für die Ausweisung von 25 Hektar.
Natürlich kann man 25 Hektar als überzogen ansehen wie es die LMU propagiert, natürlich sind Gewerbegebietspläne allenorts strittig (war auch schon vor 30 Jahren bei den Waldäckern so), möglicherweise stoßen wir jetzt an unsere Grenzen mit der Realisierurng unserer Wünsche nach Gewerbebauland. Aber die LMU unterstützt die Variante "kleinere Standorte" statt einem großen - doch Welsche Wiesen und Waldäcker-Ost bringen es zusammen auch auf gut zehn Hektar, die Welschen Wiesen wären zudem in Siedlungsnähe. Für mich ein KO-Kriterium. Der Schutz guter Böden ist manchen wichtiger als der Schutz von Wohngebieten und somit Menschen. Der Eckenweiher soll nun die Zeche für eine "Notlösung" bezahlen.
CDU und FW setzten durch, dass die Stadtverwaltung in einer Veranstaltung die Öffentlichkeit informiert - geschieht nun am 29. April um 19 Uhr im Uhlandbau - und vorher nichts beschlossen wird. Die von der Stadtverwaltung für die selbe Sitzung des UTA beantragte artenschutzrechtliche Untersuchung der Welschen Wiesen war damit vom Tisch, gleich um ein ganzes Jahr, wie der OB beklagte.
Was die Verwaltung in der UTA-Sitzung nicht sagte, kam diese Woche ans Licht. Für einen Teilbereich der Welschen Wiesen zwischen dem Wohngebiet Eckenweiher und der Osttangente gibt es bereits seit 2016 ein von der Stadtverwaltung beauftragtes artenschutzrechtliches Gutachten, das aber dem Gemeinderat nicht vorgelegt wurde. Erst auf meine Anfrage hin überließ die Verwaltung in ihrer Antwort am vergangenen Dienstag die Untersuchung den Stadträten.Anlage_zu_S19-058-60_2016-08-sAP_Welsche-Wiesen_Erweiterung_Erluterungsbericht.pdf
Da noch kein Aufstellungsbeschluss für den Bereich „Welsche Wiesen“ gefasst worden sei, „wurde auch das Artenschutzgutachten dem Gemeinderat noch nicht bekannt gemacht“, schreibt Bürgermeister Winfried Abicht in seiner Antwort. Dieses sei aber Voraussetzung für eine Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeit des Gebiets. Aufgrund der Vielzahl der Projekte und der Unklarheiten bezüglich einer möglichen Verlagerung von Gewerbebetrieben sei, so Abicht, der Entwicklung des Baugebiets „Welschen Wiesen“ in der Vergangenheit keine hohe Dringlichkeitsstufe zugestanden worden. Inzwischen seien jedoch einige Grundstücke von der Stadt erworben worden, so dass man die Realisierung des Baugebiets anstreben könnte. Die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung komme zu dem Ergebnis, dass sich mit der Ergreifung von entsprechenden Kompensationsmaßnahmen mögliche Beeinträchtigungen des Artenschutzes ausschließen ließen. S19-058-60_Artenschutzgutachten_Welsche_Wiesen.pdf
Ich stehe zur Zurückstellung der Entscheidung, auch wenn der geballte freidemokratische Zorn über uns hereien brach. Doch ich kritisiere, dass die Stadtverwaltung die Ergebnisse des Gutachtens von 2016 dem Gemeinderat nicht zeitnah vorgelegt hat. Da wurde nicht mit offenen Karten gespielt. Ein Eindruck, der generell bei dieser Geschichte mit verschiedenen Kapiteln besteht.Der Widerstand im Eckenweiher ist groß. Die inzwischen entstandene Bürgerinitiative ging mit einer Internetseite ans Netz, schickte gestern allen Gemeinderatsfraktionen einen Fragebogen, setzte einen Termin, trifft sich vor der städtischen Veranstaltung intern mit den Bürgern, fürchtet zum Bauernopfer auf der Suche nach einem Minimalkonsens im Gewerbestreit zu werden. Sie pocht zurecht auf der 1978 von der Stadt abgegebenen Garantie, auf eine weitere gewerbliche Entwicklung beim Eckenweiher über das Authenriet'sche Haus hinaus zu verzichten. Ich habe dem damals zugestimmt, stehe zu meinem Wort.
Die Vorgeschichte der jetzigen Entdeckung der gesamten Welschen Wiesen als Gewerbegebiet begann vor mehr als zehn Jahren, als Behr (heute Mahle) eine Erweiterungsoption im Flächennutzungsplan von 1,8 Hektar entlang der Osttangente - quasi in Fortsetzung des jetzigen Lager- und Lkw-Parkplatzes - eingeräumt bekam, um den Standort Mühlacker des Unternehmens auf Dauer zu sichern. Eine wichitge kommunale Vorleistung. Das schlug sich im Flächennutzungsplan nieder, bei dessen Genehmigung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe dieses Areal allerdings ausgenommen wurde, weil für den dort vorhandenen und abzuholzenden Wald noch keine Ausstockungsgenehmigung vorliegt.
Behr machte auch keine Anstalten, diese Fläche zu kaufen, bis dies kürzlich die Stadt tat und damit die Planung nicht nur reaktivierte, sondern über den Flächennutzungsplan hinaus weitere zwei Hektar Welsche Wiesen an Gewerbebauland ins Visier nahm, was wiederum die CDU-Fraktion ablehnt, damit bisher aber allein stand (aber das ändert sich wohl ... ). Behr-Nachfolger Mahle selbst zeigt kein Interesse an den
1,8 Hektar mehr, weshalb die Überlegung aufkam, dort mit Anschluss an die Osttangent dem Autohaus Dobler - anstellle von Mahle - eine Fläche zu überlassen, das an seinem Standort Industriestraße aus allen Nähten platzt und hängeringend nach Umsiedlungs- oder Erweiterungsmöglichkeiten sucht, gar mit Abwanderung drohte, wenn sich nicht bald eine Lösung findet.
Dieser Tage lief ich die 1,8 Hektar ab, zuerst auf Höhe der Osttangente, dann quer durchs Wäldchen bis zu den Welschen Wiesen. Die Grenzen dieser ehemaligen Optionsfläche für Behr sind real nicht eindeutig zu erkennen. Ratlos stand ich vor einem Schild mit der Aufschrift "Schacht 8". Antworten erwarte ich mir von der Ortsbesichtigung des UTA am 7. Mai, mit von der CDU beantragt.
Fortsetzung im ewigen Gewerbegebietsstreit folgt.
Jetzt müsste auch über die Vorgeschichte der gescheiterten großen Lösung an der Fuchsensteige berichtet werden. das geschieht aus Platzgründen in einem neuen Blogbeitrag.
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