Rezepte eines Dänen aus Oxford zur Kostentreue
Jochen Paulus, Autor eines Beitrags zu Kostenexplosionen bei der öffentlichen Hand in Heft 11/2018 von Bild der Wissenschaft, formuliert dies so: Projekte würden mit möglichst niedrigen Kostenschätzungen über die parlamentarische Hürde gebracht. Die Kostenwahrheit folge später. Eigentlich ist nur die Öffentlichkeit überrascht, nicht der allerengste Kreis der Entscheidungsträger. War es beim Neubau der Mühlacker Feuerwache auch so, wie meine LMU-Ratskollegin Angelika Denzler jüngst im Gemeinderat fragte, ohne auf Echo zu stoßen. In der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs für die neue Feuerwache war ein Kostendeckel von 8 Millionen Euro eingezogen worden, der jedoch letztlich nie wirksam wurde: Zuerst als niedrigster Betrag eine Kostenschätzung von 8,4 Millionen Euro vom mit der Planung beauftragten Sieger des Wettbewerbs, inzwischen liegen wir bei 11,5 Millionen Euro. Ein Plus von jenseits der 30 Prozent.
Doch die 8 Millionen Euro waren nicht absichtlich so "nieder" angesetzt worden, sie standen am Ende einer ausgiebigen Beschäftigung mit anderen Projekten auch im Rahmen einer Informationsfahrt. Leiten ließ sich der Gemeinderat vor allem durch die gut 6 Millionen Euro für die neue Feuerwache in Vaihingen/Enz. Doch in einer 2014 vorgelegten gutachterlichen Bewertung ließ sich ein beratender Architekt nicht auf einen Betrag für das Mühlacker Projekt festlegen: Die Kosten seien entwurfsabhängig. Diese könnten je nach Planung variieren. Hätte das stutzig machen müssen?
Die spezifischen Details der Kostenexplosion und die Verantwortung dafür soll ein Ausschuss des Gemeinderats anhand der Akten klären, der vor Weihnachten erstmals getagt hat. Die enorme Verteuerung beschäftigt zu Recht die Menschen. In diese Debatte passt der schon erwähnte Beitrag von Jochen Paulus, den mir vor Wochen mein Fraktionskollege Peter Metz in die Hand drückte. Es seien Fachleute, die große Projekte planen, lenken und letztlich allzu oft in den Sand setzen, schreibt er unter dem Titel "Maßlos überschätzt".
Der Inhalt des Aufsatzes stützt sich wesentlich auf den dänischen Wirtschaftsgeografen Bent Flyvbjerg, Professor für Stadtplanung an der Universität Oxford und "führender Experte für Planungsdesaster" (Paulus). Natürlich kümmert sich Flyvbjerg um Megaprojekte: Stuttgart 21, Elbphilharmonie Hamburg, Kölner U-Bahn, Flughafen Berlin ... Die weltweit 260 Großprojekte in Flyvbjergs Datenbank kosteten im Durchschnitt rund ein Drittel mehr als geplant (prozentual könnte da unsere Feuerwache wohl ganz gut mithalten). Bahnbauten schossen demnach im Mittel sogar 45 Prozent über das Budget hinaus.
Um den Zuschlag zu bekommen, würden Baufirmen die Kosten ihres Vorschlags regelmäßig als möglichst niedrig darstellen, den wirtschaftlichen Nutzen als gewaltig und die Bauzeit als minimal. Und Politiker, gierig nach Prestigeprojekten und Fotogelegenheiten beim Spatenstich, würden ihnen nur zu gerne glauben, so seine spitze Kommentierung. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass es meistens schon zu spät ist, wenn die Ingenieure die Pflichten- und Leistungshefte erhalten und der eigentliche Bau beginnt. Die tatsächlichen Ursachen liegen - so der Experte aus Oxford weiter - zu einem großen Teil in der Planungsphase von Großprojekten. In einfachen Worten: Verzug und Kostenüberschreitung sind die Folge von zu aggressiven Terminplänen und zu niedrigen Kostenschätzungen; also die Symptome unrealistischer Planung und Entscheidungsfindung und nicht von Pfusch am Bau. (...) Die Planungsannahmen waren unrealistisch, die Daten zur Ausgangslage waren unklar und die Planungsmodelle sind zu ungenau.
Alles bezogen auf Megaprojekte.
Aber 11,5 statt 8 Millionen erfordern zusätzlich finanzielle Ressourcen, die für eine Stadt wie Mühlacker selbst bei sprudelnden Steuerquellen eine Kraftanstrengung bedeuten. Also: Können wir uns beim geplanten Bau einer Stadthalle und bei den anstehenden Millionen-Investitionen im Schulzentrum Lindach aus dem Instrumentenkasten des Oxford-Professors bedienen? Er empfiehlt, die Frage an einen potentiellen Auftragnehmer zu stellen: Wieviel haben denn die letzten 20 Auftraggeber am Ende zahlen müssen? In Großbritannien müssen seinen Angaben zufolge Baufirmen schon seit 2004 die Erfahrungen aus ähnlichen Projekten in ihren Kostenvoranschlag einbeziehen, um an öffentliche Aufträge zu kommen. Ein Projekt müsse sich auch dann noch lohnen, wenn der "Hang zum Optimismus" eingepreist ist. Paulus nähert sich von der psychologischen Seite: Gegenargumente zum Standard zu machen durch die Methode Advocatus Diaboli, damit Planer in jedem Schritt vor Illusionen und Irrtümer bewahrt werden. Ich füge hinzu: Kritisches Hinterfragen im Gemeinderat darf nicht als Sitzungsverlängerung gescholten werden, nur weil man dann mit der Tagesordnung nicht fertig werden sollte.
Beim Wettbewerb Feuerwache mussten die Teilnehmer mindestens ein Reverenz-Projekt angeben. Der Sieger hatte nur ein einziges zu bieten: das Feuerwehrhaus in Oberderdingen. Bei der Sporthalle Lindach sah das anders aus.
In der Öffentlichkeit führt die exorbitante Verteuerung der neuen Mühlacker Feuerwache zum Trugschluss, alle Bauprojekte, die die Stadt anpacke, gingen finanziell in die Binsen. Das stimmt ja wahrlich nicht. Die Sporthalle Lindach blieb mit weniger als 8 Millionen Euro im Kosten- und Zeitplan. Das planende Büro macht seit Jahrzehnten kaum anderes als Sportstätten zu bauen, was dafür spricht, beim Wettbewerb Stadthalle nur Büros zu nehmen, die das Hallenbauen nicht erst noch erlernen müssen. Nichtsdestotrotz: Auch die Kinderkrippe im Käppele (mehr als 3 Millionen Euro) blieb im Kosten- und Terminplan, ebenso die Kindertagesstätte an der Hauptmannstraße.
Nicht mit dem Geld hin kamen wir beim Jugendhaus und dem Feuerwehrhaus in Enzberg – dort meldete der Generalunternehmer (GU) kurz vor der Fertigstellung Konkurs an. Daraus haben wir eine Lehre gezogen: Keinen GU mehr!
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