Rezepte eines Dänen aus Oxford zur Kostentreue

Innenleben der neuen Feuerwache in Mühlacker am Tag des Richtfestes.
Offenes Bekenntnis des damaligen Lienzinger Bürgermeisters Richard Allmendinger in den Ortsnachrichten vom 29. Oktober  1969:  Hätte ich jedoch mit offenen Karten gespielt, so wäre der Bau der Halle ins Wasser gefallen. 1966 hatte sich der Gemeinderat der selbstständigen Kommune für den Bau einer Gemeindehalle entschieden. Basis des Beschlusses: Baukosten von 750.000 Mark. Er habe damals schon gewusst, dass damit nicht auszukommen war, verriet Allmendinger im Nachhinein in jenem Beitrag fürs Amtsblatt. Alles in  allem hatte die neue Halle 1.223.300 Mark gekostet, davon entfielen auf die reinen Baukosten 1.025.000 Mark. Letztlich ließ sich das Projekt durch den Verkauf des Heidenwäldle an die Stadt Mühlacker für 1.054.300 Mark finanzieren. Die um mehr als 25 Prozent höheren Baukosten für die Halle brachten also den Lienzinger Gemeindehaushalt nicht ins Ungleichgewicht. Nachzulesen ist die Geschichte des schlitzohrigen und knitzen letzten Lienzinger Schultes im neuen Heimatbuch (Konrad Dussel: Lienzingen, 2016, Seite 231).

Jochen Paulus, Autor eines Beitrags zu Kostenexplosionen bei der öffentlichen Hand in Heft 11/2018 von Bild der Wissenschaft, formuliert dies so: Projekte würden mit möglichst niedrigen Kostenschätzungen über die parlamentarische Hürde gebracht. Die Kostenwahrheit folge später. Eigentlich ist nur die Öffentlichkeit überrascht, nicht der allerengste Kreis der Entscheidungsträger. War es beim Neubau der Mühlacker Feuerwache auch so, wie meine LMU-Ratskollegin Angelika Denzler jüngst im Gemeinderat fragte, ohne auf Echo zu stoßen. In der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs für die neue Feuerwache war ein Kostendeckel von 8 Millionen Euro eingezogen worden, der jedoch letztlich nie wirksam wurde: Zuerst als niedrigster Betrag eine Kostenschätzung von 8,4 Millionen Euro vom mit der Planung beauftragten Sieger des Wettbewerbs, inzwischen liegen wir bei 11,5 Millionen Euro. Ein Plus von jenseits der 30 Prozent.

Doch die 8 Millionen Euro waren nicht absichtlich so "nieder" angesetzt worden, sie standen am Ende einer ausgiebigen Beschäftigung mit anderen Projekten auch im Rahmen einer Informationsfahrt. Leiten ließ sich der Gemeinderat vor allem durch die gut 6 Millionen Euro  für die neue Feuerwache in Vaihingen/Enz. Doch in einer 2014 vorgelegten gutachterlichen Bewertung ließ sich ein beratender Architekt nicht auf einen Betrag für das Mühlacker Projekt festlegen: Die Kosten seien entwurfsabhängig. Diese könnten je nach Planung variieren. Hätte das stutzig machen müssen?

Die spezifischen Details der Kostenexplosion und die Verantwortung dafür soll ein Ausschuss des Gemeinderats anhand der Akten klären, der vor Weihnachten erstmals getagt hat. Die enorme Verteuerung beschäftigt zu Recht die Menschen. In diese Debatte passt der schon erwähnte Beitrag von Jochen Paulus, den mir vor Wochen mein Fraktionskollege Peter Metz in die Hand drückte. Es seien Fachleute, die große Projekte planen, lenken und letztlich allzu oft in den Sand setzen, schreibt er unter  dem Titel "Maßlos überschätzt".

Der Inhalt des Aufsatzes stützt sich wesentlich auf den dänischen Wirtschaftsgeografen Bent Flyvbjerg, Professor für Stadtplanung an der Universität Oxford und "führender Experte für Planungsdesaster" (Paulus). Natürlich kümmert sich Flyvbjerg um Megaprojekte: Stuttgart 21, Elbphilharmonie Hamburg, Kölner U-Bahn, Flughafen Berlin ... Die weltweit 260 Großprojekte in Flyvbjergs Datenbank kosteten im Durchschnitt rund ein Drittel mehr als geplant (prozentual könnte da unsere Feuerwache wohl ganz gut mithalten). Bahnbauten schossen demnach im Mittel sogar 45 Prozent über das Budget hinaus. "Rezepte eines Dänen aus Oxford zur Kostentreue" vollständig lesen