Die Schuldigen? Anträge!

Zu viele Anträge von Fraktionen?
Jeder neue Antrag haut die Prioritätenliste durcheinander. Anträge zu formulieren, ist legitim, aber man sollte sich bewusst sein, dass sie an anderer Stelle zu Stillstand führen, sagt Mühlackers OB Frank Schneider im MT-Interview von gestern. Und an anderer Stelle wird er zitiert mit dem Satz: Ein Drittel der Punkte (der Tagesordnungen des Gemeinderates) beruht inzwischen auf Anträgen, die wir immer schneller bearbeiten müssen, obwohl es teils um komplexe Fragestellungen geht. In dieser Zeit bleibt etwas anderes liegen. Den Ball nimmt  Beigeordneter Winfried Abicht auf und spielt ihn weiter: Wir sind uns durchaus bewusst, dass es ein paar Kernthemen gibt, von denen vieles abhängt. Aber zwischendurch kommen wieder neue Anträge …   Die Botschaft wird zwar nicht ausgesprochen, soll aber heißen: Anträge aus dem Gemeinderat verzögern die Aufgabenerledigung. Schöne Demokratie. Ein Recht wird als Bremsschuh definiert  - ein Alibi, dass die Verwalttung selbst in manchen Projekten nicht zügig vorankommt. Die Schuldigen? Anträge! Als ob ein Antrag, den das Ordnungsamt bearbeitet, weil in seiner sachlichen Zuständigkeit, den Hochbau lahm legt ...

Die neue Taktik von Verwaltungschefs, den Gemeinderäten den Schneid abzukaufen, ihre gesetzlich verankerten Rechte wahrzunehmen? In der jüngsten Ausgabe des Staatsanzeiger findet sich auf Seite 10 ein Beitrag mit ähnlichem Tenor: In Nürtingen und Freiburg beklage die Verwaltung, Anträge und Anfragen hielten vom Tagesgeschäft ab. Doch Arne Pautsch, Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg, hält dagegen: Antragsflut sei im Interesse der lokalen demokratischen Willensbildung, selbst wenn sie zunächst vor allem Mehrarbeit für die Verwaltung verursache.

Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde, steht in § 24, 1 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt. Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Mißständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister.   Um nicht zum zahnlosen Tiger zu machen, verschaffte ihm der Landtag notwendige Instrumente: das Auskunfts-, Informations-  und Antragsrecht. Nicht nur das: Die Verwaltungsspitze darf nicht nach Taktik und eigenem Gutdünken den Gemeinderat unterrichten - sie ist dazu verpflichtet.

Zum Rund-um-Paket kommunale Selbstverwaltung - Verfassungsrang! - gehören nicht nur die fest besoldeten Menschen im Rathaus, sondern auch jene, die ihre Freizeit für diese Arbeit opfern - ehrenamtlich.

Das zunehmende Gejammere, Anträge und Anfragen kämen obendrauf und verhinderten die Erledigung anderer Aufgaben, verraten, dass die Rechte des Gemeinderats wohl als störend empfunden werden. Solche Litaneien sollen den Ratsmitgliedern ein schlechtes Gewissen einreden, sie vom schnellen Schreiben eines Antrags abhalten, auf dass nur noch die Verwaltung die Beratungspunkte bestimmt. Eine Selbstverwaltung mit Schlagseite.  Natürlich werden solche Verwaltungschefs dies heftigst von sich weisen, aber dann sollen sie ihre Dauer-Kritik wie in den vergangenen Monaten in Mühlacker  einstellen. Anfragen und  Anträge kommen nicht so quasi auf 100 Prozent drauf - sie gehören zu diesen 100 Prozent.

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