Von Umleitungen, Lienzinger Solarstrom und defekter Ladestation

Zuerst wird der mit Sonnenstrom gefüllte Speicher geleert, dann kommt der gerade erzeugte Solarstrom zum Zuge und nur wenn das nicht reicht (was derzeit selten ist), wird Elektrizität aus dem Netz geholt.

Brauchen E-Mobilisten ein besonders stabiles Nervenkostüm? Ich denke schon. Das zeigte sich heute auf dem Weg zur Regionalfraktionssitzung auf dem Sommerberg in Bad Wildbad. In Höfen ging es auf der Bundesstraße 294 nicht mehr weiter. Vollsperrung wegen Straßenarbeiten. Das Hinweisschild lässt eine strapaziöse Umleitung vermuten. Zuerst auf einer stromfressenden kurvenreichen Steigung hoch nach Langenbrand. Zum Glück war ich mit einem vollen Akku gestartet. Der Leaf spurtet den Berg hoch, überwindet locker die mehr als 300 Meter Höhenunterschied, doch die Reichweitenzahl schmilzt wie die Butter in der Sonne. Autofahrer müssen einen großen Bogen machen: Die Umleitung führt in beiden Richtungen von der Höfener Ortsmitte über Schömberg, Igelsloch und Siehdichfür runter nach Calmbach. Talabwärts produziert mein Wagen Strom, doch auf der anderen Seite hoch zum Parkplatz Sommerberg verliert die Batterie wieder deutlich. Immerhin weiß ich seit der Heimfahrt: Vom Sommerberg ins Tal bringt das Gefälle dank Rekuperation im Auto fünf Prozent Plus für den Akku - wie zerronnen, so gewonnen. Aber allein der folgende steile Aufstieg ab B294 in Calmbach hoch nach Schömberg kostet mehr als zehn Prozent des Stroms. Die Bilanz: 113 Kilometer hin und retour statt 80, zusätzlicher Elektrizitätsbedarf durch unerwartete Bergstrecken. Akku-Inhalt bei Start 100 Prozent, bei Ankunft Sommerberg 61 und zurück in der heimischen Garage 37 Prozent. Immerhin.

In Calmbach will ich noch die gemeinsame E-Tankstelle von Landkreis Calw und Sparkasse Pforzheim Calw beim Bahnhof testen. Tatsätzlich sind beide Ladepunkte frei. Die Stecker an dem 22-kW-Anschluss passen. Mit dem Handy rufe ich die angezeigte Nummer der Stadtwerke Calw an, tippe brav die Erkennungszahl der Ladesäule ein. Sie wird freigeschaltet, rein mit dem Stecker und - der Strom fließt nicht. Auch bei der Wiederholung klappt die Kommunikation zwischen meinem Wagen und der Tankstelle nicht, sie schwätzen nicht miteinander. Ein neue Erfahrung. Macht nichts, denn mein Akku zeigt 63 Prozent an. Doch wenn ich wirklich aufs Nachladen angewiesen gewesen wäre? Nicht auszudenken. Eine Nervenprobe.

Daheim stöpsle ich den Wagen an meine eigene Ladestation, dank im Mai auf dem Garagendach installierter Photovoltaikanlage und einem im Keller aufgestellten Speicher Garant für den eigenen Solarstrom, mit dem der Leaf fährt. Autark. Nur wenn die Sonne ganz und gar nichts liefert, holt sich der Wagen die Elektrizität aus dem Netz. Aber das lässt sich bedarfsgerecht steuern, wenn man voraus plant.

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Nervenstrapazen, Strom-Krimi und Happy end

Gesimst

Stress beim Praxistest: Mit dem Nissan Leaf, reiner Stromer mit Reichweiten pro Ladung von rund 165 bis 180 Kilometer, auf großer Fahrt - Freunde besuchen,182 Kilometer von Lienzingen nach Usingen im Taunus, drei Personen im Fahrzeug, zudem Gepäck. Beim Start ist der Akku zu 95 Prozent gefüllt. Die Tour via Bundesstraßen und Autobahnen beweist: E-Mobilisten brauchen starke Nerven und viel Geduld trotz Reichweitenschwund, eine fast leerer Batterie gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge. Berechnungen und Pläne werden schon mal von der Realität überrollt. Und doch gibt es das berühmte Happy end. Aber der Reihe nach.

Weil nicht nur eine Stadtfahrt ansteht, am Vorabend längere Internetrecherche. Goingelectric empfiehlt das Stromtanken an der A5 in Richtung Frankfurt nach 116 Kilometern bei der Autobahnraststätte Alsbach West - weisst aber nicht ausdrücklich daraufhin hin, dass ich dazu auf die Gegenrichtung wechseln müsste. So kommt es auf der Hinfahrt wie es kommen muss. Willkommen in der Realität! Keine Anzeichen von Alsbach West. Auf Höhe Darmstadt liegt die Reichweite nur noch bei 22 Kilometern. Die im Cockpit angeklickte Nissan-Datenbank der "Ladestationen in der Nähe" lässt wissen: Keine Daten für diese Gegend. Meine Nervosität wächst, je mehr die Rest-Reichweite schrumpft. Doch dann ist die Raststätte Gräfenhausen Ost in Sicht. Hoffnung! Doch der Mann hinter der Kasse sorgt für den Schock: "Wir haben keine Elektrotankstelle." Ich muss so leidend dreingeschaut haben, dass er meine flehentliche Frage, ob wenigstens an eine einfache Steckdose angeschlossen werden könne, bejahte. Wir tun's, vertreiben uns solange die Zeit.

Nach mehr als einer Stunde ist die Reichweite auf 30 Kilometer gestiegen. Immerhin so viel, dass es zu der inzwischen gegoogelten elf Kilometer entfernten Ladestation am Bahnhof Walldorf reicht, die dann auch frei ist. Die Ladeweile vertreiben wir uns in einem benachbarten Cafe bei Eis und Espresso. Nun aber ist klar, dass der Terminplan für den Tag voll in die Binsen ging. Dass aber eine 22 kw-Zapfsäule keine ausreichende Lösung in solchen Fällen ist, zeigt sich nach gut 60 Minuten: Der Akkustand verdoppelte sich auf nur 30 Prozent, zuwenig für die restlichen 50 Kilometer bis Usingen. Wir schließen nochmals an, harren lesend oder handyspielend im Auto aus. Um 17.30 Uhr - eigentlich wollten wir schon längst am Ziel sein - starten wir mit 46 Prozent. Das Navi meckert auch nicht (wenn es mit dem Strom möglicherweise nicht reicht, kommt beim Start die Ansage einer freundlichen Frauenstimme: Sie erreichen unter Umständen ihr Ziel nicht).

Hätten wir nur länger gewartet! 

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