Der Koloss und seine Folgen

Die Bauarbeiten zur Ansiedlung von ThyssenKrupp in Lug/Osttangente laufen auf Hochtouren.

Stößt überhaupt noch ein Projekt auf ungeteilte Zustimmung? Ich zweifle daran. Selbst die Ansiedlung eines Unternehmens mit Zukunftstechnologie löst Kontroversen aus. Dazu zwei Kommentare auf meiner Facebookseite zu der Baustelle Lug/Osttangente, die die Ansiedlung von ThyssenKrupp ganz unterschiedlich bewerten. Hier das Contra: Was für ein Hype für den hässlichen Thyssen-Klotz auf wertvollem Ackerboden. Jeder Besucher Mühlackers (die dann zu uns kamen), war über die Verschandelung dieser Fläche entsetzt. Dazu noch direkt in der 'Einflugschneise'. Und Pro:  Es tut sich was, nicht immer motzen, auch mal was positiv sehen, die Stadt strengt sich an. Aber man kann es sowieso nicht jedem recht machen. Es ist zu vermuten, dass eine Mehrheit die Entwicklung positiv sieht und sich freut, wie schnell auch in Mühlacker gehandelt wird. Und es soll Leute geben, für die 85 plus x neue Jobs ein Wort sind. Gesucht wird schon auf dem Arbeitsmarkt.

Trotzdem: Differenzierung ist notwendig. Die Ansiedlung ist richtig, wichtig und spektakulär für Mühlacker, müsste Labsal sein für die lokale Seele. Unsere Stadt ist gefragt. Allerdings: Als die ersten gewaltigen Pfeiler betoniert waren, mutete das Projekt nicht mehr so gefällig an wie auf der 3-D-Darstellung bei der Präsentation in Gemeinderat und Öffentlichkeit, wirkt wie ein Koloss. Zweifel kamen auf. Aber ein Werk mit rund 30.000 m²  Produktionsareal braucht eben seine Fläche. Weshalb also die Überraschung? Weil wir diese Größenordnung nicht mehr gewöhnt sind! Inzwischen wissen wir, dass die Baupläne zuerst in Wiernsheim realisiert werden sollten, was am fehlenden Bebauungsplan scheiterte - dessen Bearbeitungszeit ließ sich nicht in Einklang bringen mit dem Tempo, das die Investoren vorlegten. Mühlacker bot eine Gewerbefläche an der Osttangente/B10, auf der seit 2014 Baurecht besteht. Der Bebauungsplan musste nur partiell angepasst werden. Aber auch dabei sind gesetzliche Vorgaben einzuhalten, das Verfahren kostet Zeit, duldete aber einen Start mit einer ersten (von inzwischen) drei Teilbaugenehmigungen. Im Vorgriff tat der Bauherr, was die Stadt auch in anderen Fällen duldet: Wenn klar ist, dass der rote Punkt kommt, dürfen vorher schon die Erdarbeiten erledigt werden. Ein unbürokratisches Verfahren - bei einer solch riesigen Fläche allerdings gewöhnungsbedürftig. Verständlich, wenn sich manche mit diesem Tempo schwer tun.

Sportlich der Zeitplan, den das Baurechts- und Planungsamt der Stadt bewältigte. Zug um Zug bewies es, was möglich ist, wenn ein Projekt gewollt ist. (Zeit-)Maßstäbe sind damit gesetzt. Auf diese sollten sich künftige Bauherren stützen. Was bei ThyssenKrupp möglich ist... Stattdessen nehmen die Klagen über lange Bearbeitungszeiten zu, das Planungsamt lasse nur die eigenen Maßstäbe gelten, sei eher Verhinderer. Wenn aber ThyssenKrupp oder ICON vor der Türe stehe, laufe alles wie am Schnürchen, sei man großzügig in der Übernahme von Bauherrenwünsche in Bebauungspläne. Wenn jemand dreimal umplanen muss und dadurch ein Jahr verliert, ist der Unmut verständlich. Oder wenn das Amt einen Bauantrag für genehmigungsfähig hält, aber dem Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans und eine Veränderungssperre vorschlägt, was Zeit kostet, wird Ärger genährt. Vorsicht: Nicht alle Vorwürfe sind berechtigt, Baurecht lässt nicht alles zu, Nachbarn laufen Sturm gegen Projekte wie jetzt am Fliederweg oder der zuständige Ratsausschuss bremst wie am Bodenrainweg, nachdem heftige Kritik am Ausmaß der geplanten Baukörper in der Einwohnerversammlung in Dürrmenz laut wurde.

Trotzdem: ThyssenKrupp setzt Maßstäbe in vielfacher Hinsicht. Bis ins Rathaus hinein. Darauf darf künftig Bezug genommen werden, um rasche Verfahren einzufordern. Auch im Gemeinderat, dessen Geduld vom Planungsamt strapaziert wird, wenn beauftragte Bebauungspläne auf die lange Bank geschoben werden, zum Beispiel zu Carportdächern, Größe von Gartenhäusern und ...

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