Monatlich 300 oder bald 350 in den Enzkreis - genau weiß das niemand

Vizekanzler Gabriel spricht schon von einer Million Flüchtlingen in diesem Jahr. Gestern Abend diskutierten wir in der CDU-Fraktion des Kreistags die Folgen, 300 oder bald 350 Asylbewerber im Monat für den Enzkreis. Die Suche nach Unterkünften bindet Kraft in Ämtern der Kreisverwaltung, zum Beispiel 90 Prozent beim Gebäudemanagement. Andere Aufgaben bleiben liegen. Unterdessen will der Bund zusätzliche Kosten wegen der weiter steigenden Zahl von Asylsuchenden an anderer Stelle einsparen. Falls es bei 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr bleibt, dürften allein Unterbringung, Verpflegung und Gesundheitsversorgung mit etwa zehn Milliarden Euro zu Buche schlagen. Angesichts von tausenden Neuankömmlingen täglich darf man bezweifeln, ob das wirklich reicht – noch im Juli war von 450.000 Flüchtlingen und 5,6 Milliarden Euro die Rede. Hinzu kommt ein Vielfaches an sozialen Folgekosten: Laut Arbeitsministerin Nahles gehört nur jeder zehnte Flüchtling zu den viel zitierten Fachkräften, auf die so viele Hoffnungen projiziert werden. Die meisten anderen werden jahrelang Sprachunterricht, Ausbildungen oder Studienplätze benötigen, bevor sie Steuern erwirtschaften könnten. Von der Integration der vielen Neuankömmlinge in ein freiheitlich-demokratisches Wertesystem ist dabei noch gar nicht die Rede. Ein Fünftel der Einwanderer sind übrigens komplette Analphabeten, was sie automatisch auf Jahre zum Sozialfall machen dürfte. Übrigens: Schon jetzt wissen wir, dass nach den Not- und Sammelunterkünften preisgünstiger Wohnraum fehlt.

Der Landrat ist verzweifelt

Landrat Karl Röckinger ist verzweifelt, las ich heute in der Zeitung. Ich zitiere weiter aus der Pforzheimer Zeitung: Die Zahl der Flüchtlinge im Enzkreis schnellt in die Höhe. Mussten die Kommunen im Kreis im August rund 210 Personen unterbringen, so rechnet Röckinger nun bis Jahresende mit monatlich bis zu 350 Menschen – „das sind über 1000 Flüchtlinge allein von September bis Dezember." Der Ansturm führt dazu, dass über die bis jetzt vorgesehenen sechs Container-Standorte hinaus Zeltbauten geplant werden. In Niefern-Öschelbronn sind zwei winterfeste Anlagen im Gespräch, eine pro Ortsteil, für jeweils 50 Personen. Die Kommission des Enzkreises sowie Vertreter der Gemeinde haben verschiedene Standorte unter die Lupe genommen, bestätigte Bürgermeister Jürgen Kurz auf Anfrage der PZ.

Die andere Nachricht stand im Mühlacker Tagblatt: „Wir stehen vor einer riesengroßen Herausforderung“, sagt Waltraud Schellenberger-Hagenbucher mit Blick auf das bald beginnende neue Schuljahr. Die Rektorin der Schillerschule rechnet angesichts des Zuzugs von Flüchtlingen mit weiteren Schützlingen, die intensive Förderung benötigen.

Und dann stoße ich auf einen Leserbrief, ebenfalls im Mühlacker Tagblatt. Darin schreibt ein pensionierter evangelischer Pfarrer aus Ötisheim zu den bis Jahresende in Deutschland erwarteten 800.000 Flüchtlingen, die Aufnahme stelle gar kein Problem dar, auf Ötisheim würden 48 Asylsuchende entfallen und die müssten doch unterzubringen sein. Bei dieser Leichtigkeit in der Argumentation eines Theologen frage ich mich, weshalb der Landrat verzweifelt ist. Röckinger hat die Kirchen im Enzkreis aufgerufen, bei der Suche nach Unterkünften zu helfen und auch eigene Räume zur Verfügung zu stellen. Das Echo ist (bisher) verhalten. Gute Worte an die Adresse fallen da leichter. Das Problem dürfen andere regeln.

Bei all dem jagt in der ARD ein Brennpunkt den anderen, das ZDF steht dem nicht nach. Ich bin auch dafür, Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Deutschland, das Land der Herzen. Eine Kanzlerin, die die Grenzen öffnet (die Lasten müssen ja die Kommunen  tragen). Wann baut der Bund eigentlich eine eigene Flüchtlings-Infrastruktur auf? Wie schnell werden die zusätzlich zigtausend Stellen beim Bundesamt für Migration und bei der Bundespolizei besetzt? Wo warten diese bittschön, auf dass sie gerufen werden? Wann werden die Antragsverfahren beschleunigt? Wenn es um Arbeitskräfte geht, kann doch nicht der Umweg übers Asylverfahren zulasten der Kommunen laufen. Dann ist die Wirtschaft gefordert, die Infrastruktur zu schaffen!


Was die Große Koalition beschlossen hat, sieht - bis zum Beweis des Gegenteils - nach Aktionismus aus. Ankündigungen. Derweil laufen in den elektronischen Medien die Bilder von der freundlichen Aufnahme der Flüchtlinge in München und anderswo. Die Betonung liegt immer auf Bürgerkriegsflüchtlinge und man freut sich mit, dass sie nun in Freiheit sind. Egal, wohin man zappt, immer der gleiche Tenor (also ob ja jemand den großen Schalter für alle Sender umgelegt hat). Doch dann lese ich wieder Zeitung. Die Lokalseiten. Und so sieht die Herkunft der Asylbewerber in der als Notunterkunft genutzten Sporthalle bei den  Kreisberufsschulen Mühlacker aus. Da fällt mir ein Appell aus Tirana ein - dort ist kein Bürgerkrieg.  Aber gerade spricht Claudia Roth bei Maischberger so, als seien alle Asylsuchenden Bürgerkriegsflüchtlinge.             Was ist für uns verkraftbar? Oder darf man diese Frage nicht mehr stellen? Aber wir müssen sie vor Ort stellen. Denn dort ist momentan die End-Verantwortung. Und da wollen manche immer mehr.



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Jobcenter: Die Kreise können es nicht besser


Wir können's besser, riefen Land- und Kreisräte unisono, als es 2010/11 um die Entscheidung ging, die gesamte Zuständigkeit für die Bezieher von Arbeitslosengeld II voll auf den Enzkreis zu übernehmen. Besser als wer? Natürlich besser als die Agentur für Arbeit. Und so gibt es in Baden-Württemberg elf so genannte Optionskreise - weil sie die Option des Bundes, das selbst zu machen, zogen. Deshalb betreiben Enzkreis und Stadt Pforzheim seit 2012 jeweils ein eigenes und damit voll kommunales Jobcenter, das sich um die Langzeitarbeitslosen kümmert. In allen anderen Stadt- und Landkreisen bestehen gemeinsame Jobcenter von Arbeitsagentur und Kreisen. 
Was stand in der Sitzungsvorlage 94/2010 für den Kreistag unter dem Titel "Neuorganisation der Aufgabenerledigung nach SGB II":  "Bei einer Option können die hierfür erforderlichen politischen und Einzelfallentscheidungen deutlich besser koordiniert werden als in einer gemeinsamen Einrichtung. Für die politischen Weichenstellungen sind die bereits bestehenden Verbindungen zwischen Kreisverwaltung, Kreistag, Bürgermeistern und Gemeindeverwaltungen ideale Voraussetzungen für pragmatische und zielgerichtete Lösungen. In der Einzelfallhilfe kann das eingespielte Netzwerk zwischen Mitarbeitern in Sozial-, Jugend-, Gesundheitsamt, Schulträger, Schulverwaltung und verschiedensten sozialen und Beratungseinrichtungen freier Träger für bestmögliche individuelle Lösungen genutzt werden."

Und kann der Landkreis Arbeitsmarkt? Besser schlechter oder gerade so gut wie die Agentur für Arbeit beziehungsweise deren gemeinsame Einrichtungen? Schauen wir doch nach. Ein Vergleich mit dem Jobcenter im Kreis Calw bietet sich an, weil Calw auch auf die Option setzte,  ihr Antrag aber in Stuttgart und Berlin auf Ablehnung stieß, wogegen sich der Landkreis wehrte. Zog er die schlechtere, der Enzkreis die bessere Karte?

Schauen wir in die Landtagsdrucksache 15/6900, Antwort des baden-württembergischen Arbeitsministeriums auf einen Antrag der Grünen. Maßstab ist zum Beispiel die Nachhaltigkeitsquote der Integrationsbemühungen. Als nachhaltig wird eine Integration bezeichnet, wenn die betreffenden Menschen auch nach zwölf Monaten nach Aufnahme einer Arbeit noch sozialversicherungspflichtig in Lohn und Brot sind. 2012 erreichte der Enzkreis die Quote von 64,3 Prozent und Calw von 62,7 Prozent, steigerte sich der Enzkreis im folgenden Jahr auf 60,7 Prozent und Calw fiel auf 56,8 Prozent zurück. Voriges Jahr drehte sich alles: Calw 61,0 Prozent, Enzkreis 58,8 Prozent. Nebenbei: Für die Stadt Pforzheim werden angeführt 59,9 Prozent (2012), 61,9 (2013) und 57,9 Prozent (2014). In Freudenstadt mit einem gemeinsamen Jobcenter entwickelte sich die Quote ab 2012 so: 57,9 >  57,1 > 63,1 Prozent. 

Also ein uneinheitliches Bild. Nun zur Integrationsquote, die misst, wie viele Hartz-IV-Empfänger sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen aufgenommen haben. Der Enzkreis erreichte 2012 genau 28,8 Prozent, Calw 26,0, Freudenstadt 29,3 und Pforzheim 21,6 Prozent. Im Jahr 2013 war Freudenstadt mit 29,7 Prozent die Nummer eins, gefolgt von  Calw mit 28,7 - also zwei gemeinsame Jobcenter. Enzkreis und Pforzheim mit rein kommunalen Jobcenter lagen mit 27,1 beziehungsweise 21,0 Prozent dahinter. Im vorigen Jahr änderte sich die Reihenfolge teilweise: Enzkreis 30,1 Prozent, Calw 27,3, dann Freudenstadt mit 26,9 und Pforzheim mit 24,3 Prozent. Allerdings schreibt das Ministerium zum Enzkreis-Wert für 2014: "eingeschränkte Aussagekraft wegen unvollständiger, unplausibler bzw. imputierter Grunddaten oder wegen niedriger Fallzahlen".
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Das Betongold und die Einnahmen des Enzkreises


Grunderwerbssteuer und Kreisfinanzen - eine Exkursion.

Die Grunderwerbssteuer ist eine der ältesten Steuern überhaupt. Noch weit vor der Einführung einer Einkommenssteuer, die erst im Zuge der Industrialisierung relevant wurde, verlangten Staaten eine Abgabe von denjenigen, die am schlechtesten weglaufen konnten: den Immobilienbesitzern, schreibt die WELT. Seit 2006 ist die Steuer Sache der Bundesländer und wurde bereits 26 Mal auf bis zu 6,5 Prozent angehoben. Wer in Baden-Württemberg ein Grundstück kauft oder durch andere Rechtsgeschäfte erwirbt, muss Grunderwerbssteuer zahlen. Der Steuersatz beträgt 5,0 Prozent und war 2011 durch Grün-Rot erhöht wurden, um Kinderbetreuungskosten zu finanzieren. Der Anteil der Stadt- und Landkreise an der Grunderwerbssteuer beträgt 38,85 %. Wenn also der Baumarkt boomt und die Flucht ins Betongold stattfindet, profitiert auch der Enzkreis. Bei den jährlichen Haushaltsberatungen im Kreistag spitzt sich, wenn es darum geht, noch ein paar Hunderttausend Euro zum Etatausgleich zu suchen, auf die Frage zu, ob man einen höheren Ansatz bei der Grunderwerbssteuer wagen kann. Die Kreisräte sind meist mutiger als der Landrat. Tatsächlich bleiben die Einnahmen daraus stabil - mit Tendenz nach oben. Zumindest im Enzkreis. In Ludwigsburg dagegen schwanken die Einnahmen eher. 


Hiermit ein neuer Beitrag zur Frage: Woher kommt das Geld des Enzkreises? Angestoßen durch den Beitrag in der WELT.  Steuerquellen sprudeln, und der Staat feiert neue Einnahmerekorde. "Ganz besonders freuen dürften sich die Bundesländer. Sie haben im ersten Halbjahr so viel Grunderwerbssteuer eingenommen wie noch nie." Das Ergebnis: Im ersten Halbjahr stiegen die Grunderwerbssteuer-Einnahmen auf 5,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt errechnete. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr 2015 dürften die Einnahmen damit erstmals über der Marke von zehn Milliarden Euro liegen. Innerhalb von zehn Jahren bedeutet das mehr als eine Verdoppelung. Im Jahr 2005 lagen die Einnahmen noch bei 4,7 Milliarden Euro (Quelle: WELT). 

Die Grunderwerbssteuer macht das Bauen teurer. Rund 4,2 Prozent des Preises mussten Hauskäufer vor fünf Jahren im Durchschnitt bezahlen – alle Steuern, Gebühren und Notarkosten inklusive. Zusammen mit den anderen Nebenkosten kommen Hauskäufer inzwischen fast in die Zehn-Prozent-Region, wiederum ohne Maklerkosten. Ein Spitzenwert in Europa, schreibt die WELT. "Wir brauchen keine Mietpreisbremse für die Vermieter, sondern eine Wohnkostenbremse für den Staat", sagt Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes. Er erinnert daran, dass es früher hohe Freibeträge für private Käufer gab und fordert eine Wiedereinführung. 

Das ist die andere Seite einer Haupteinnahmequellen der Landkreise, die wohl 2015 höher ausfallen wird als im Etat eingestellt: 7,35 Millionen Euro stehen im Budget. Im jüngsten Finanzzwischenbericht rechnet die Kreisverwaltung mit einem Plus von 200.000 Euro. Der Betrag reicht aber nicht ganz aus, um das Betriebsdefizit und den Kapitaldienst für Investitionen der Enzkreis-Kliniken zu finanzieren. Das gehört auch zum Bild.