"Kreative Vorschläge"

Manche träumen davon, die Säle-Etage des Mühlacker Mühlehof auf Säulen zu stellen, das Erdgeschoss mit den ehemaligen Ladengeschäften abzubrechen und eine große Freitreppe vom Kelterplatz zu den Sälen zu bauen. Der Mühlehof als aufgepumpter Maikäfer? Ob das mit den "kreativen Vorschlägen" gemeint war? Wir alle können nur raten. 

Lehrstück Waldäcker oder Wo wären heute die Betriebe?




Gewerbe- und Industriegebiet Waldäcker

Die Waldäcker, Mühlackers inzwischen ausgeschöpftes Gewerbegebiet, ist kein Reizwort mehr. Der nun angepeilte Sprung über die B 10 nach Süden dagegen schon. Wiederholt sich Geschichte? Angeblich nicht. Aber Argumente gegen ein geplantes Gewerbegebiet schon. Wer den Papierberg über die Entstehung des Gewerbeareals Waldäcker in Form von Gemeinderatsvorlagen durchstöbert, trifft auf erstaunliche Parallelen zwischen den damaligen  Gegenpositionen und den heutigen bei teilweise identischen Personen. Die Geschichte der Waldäcker zu betrachten, lohnt sich.  Es ist ein Lehrstück über Mehrheiten, Kritiker und lange Verfahrensdauer. 

In der Sitzungsvorlage 60/69/97 für den Gemeinderat zum Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan "Waldäcker" waren auch die Einwände aufgelistet: "Des weiteren werden durch neue Gewerbebetriebe keine weiteren Arbeitsplätze geschaffen, sondern durch die Rationalisierung bei Neuansiedlungen werden Arbeitsplätze abgebaut. Die neu geordneten Gewerbeflächen sind überteuert und daher unverkäuflich. Durch Subventionierung darf die Stadt nicht noch mehr verschuldet werden" (S.A.) "Weitere Reduzierung landwirtschaftlicher Fläche. Erschließungspreis, der nicht mehr zu bezahlen ist. Als Folge der Versiegelung der Waldäcker eventuell das Austrocknen des Lugwalds." (F.G.) "Erschließung zu teuer, landschaftsplanerisch abartig und finanzpolitisch gefährlich."(R.)

32 Hektar groß ist die Waldäcker-Gewerbe- und Industriefläche, 25 Hektar konnten unter anderem wegen des hohen Grünanteils baulich genutzt werden. Waren diese 25 Hektar notwendig? Das war immer umstritten (wie die derzeit diskutierten 25 Hektar Bedarfsanmeldung wieder). Im Juli 1996 legte die Liste Mensch und Umwelt ein Papier vor, das 11 ha Gewerbeflächen-Reserven ausweist (ohne Waldäcker). Man müsse sie nur geschickt nutzen und verwerten, so der Tenor. Die Verwaltung nannte die Zahl realistisch, bezweifelte aber, ob alle Flächen dem Markt zur Verfügung stehen. Die LMU greift die Aussage der Stadtverwaltung auf, "keinerlei ernsthafte Interessenten" für die Waldäcker zu haben (MT vom 2.5.1996).  

Zwischenfazit: Für ein angeblich nicht notwendiges und teures, deshalb unverkäufliches  Gewerbegebiet stehen jetzt, knapp 20 Jahre später, doch viele Betriebe dort. Und trotzdem tauchen diese Argumente in der jetzt anstehenden Entscheidung des Gemeinderats wieder auf. 

Wie sich die Dinge wiederholen: "Die Stadt Mühlacker tut sich schwer mit der Planung ihrer Zukunft ... Die Entscheidungsträger sind nicht zu beneiden" (Thomas Sadler, MT vom 23.9.1995, "Waldäcker: Mühlacker in der Klemme"). 

Im Stadtteil Mühlhausen gab es am 22.2.1995 eine Versammlung der Stadt als Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan Waldäcker. 80 Besucher kamen. Zu diesem Zeitpunkt gehörten nur 7 der 32 ha der Kommune. Neben der Vorstellung der Pläne drehte sich die Debatte stark um den künftigen Quadratmeterpreis für Flächen ("Der spätere Verkaufspreis kann nicht unter 150 Mark pro Quadratmeter liegen", Überschrift MT vom 24.2.1995). In dem Bericht heißt es im letzten Absatz: "Den Bedenken eines Bürgers, das Gebiet könnte später - eventuell nach Süden hin - weiterwachsen, vermochten auch die Experten nicht restlos zu zerstreuen. Bislang sei dies laut Flächennutzungsplan ausdrücklich ausgeschlossen und kein Mensch denke an eine entsprechende Erweiterung. 'Wie allerdings in 20 Jahren darüber gedacht wird', räumte (Bürgermeister) Pisch ein, 'darüber kann man nur mutmaßen:'"

Bei der Entscheidung für die Waldäcker am 12. März 1991 lehnte Stadtrat Manz diesen Standort mit der Begründung ab, damit werde der Sprung über die B 10 präjudiziert. Ausweislich des Protokolls widersprach niemand. 

Jetzt, 20 Jahre nach der Bürgerversammlung in Mühlhausen, steht der Gemeinderat vor der Entscheidung. Eine zentrale Frage lautet: Wo wären die Unternehmen, die sich in den Waldäckern angesiedelt haben, wenn die Stadt diese Fläche nicht hätte anbieten können? Teilweise sind es alteingesessene Betriebe. Das Beispiel Firma Münch zeigt, wie Nachhaltigkeit in der baulichen Entwicklung aussieht: Die Firma machte ihr Gelände an der Goldshaldenstraße frei - dort entstehen nun zentrumsnah Wohnungen, die sonst möglicherweise auf der grünen Wiese entstanden wäre. 


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