Nicht gleich schreiend weglaufen




Passt in jeden Ordner: der Etatentwurf 2015 in Mühlacker

Was würden Sie eigentlich dazu sagen, wenn wir Ihnen jetzt und hier verraten, dass wir uns in den letzten Wochen heimlich, still und leise ein wenig mit dem Pankower Bezirkshaushalt auseinandergesetzt haben? 



Halt! Stopp! Hiergeblieben! Bitte nicht gleich schreiend weglaufen, nur weil "Pankower Bezirkshaushalt" in etwa so attraktiv klingt wie jahrelang hinter der Heizung gut durchgedörrte Reste von Fußnägeln. So schlimm ist es nämlich gar nicht. Zumindest nicht, wenn man sich auf die Themen konzentriert, die sich hinter dem vielhundertseitigen Zahlenwerk mit der schönen Verwaltungssprache verstecken.

Das ist ein Zitat aus dem Newsletter des Online-Portals Prenzlauer Berg-Nachrichten. Leicht lässt sich Pankow durch Mühlacker oder Enzkreis ersetzen. In Stadt und Kreis beschäftigen sich die Bürgervertreter derzeit auch mit den Etats. Um immerhin 80,3 Millionen Euro geht es bei der Stadt Mühlacker, um 210 Millionen Euro beim Landkreis. Auf 425 Seiten bei der Stadt, auf 428 (allerdings ohne dicke Anlagen) beim Enzkreis. Das Etatrecht sei Königsrecht für Gemeinderat und Kreistag, heißt es gern. Doch wie gehen die Räte mit ihm um? Gefürchtet ist die erste Lesung, das Seite-um-Seite-blättern. Wer zu viel fragt, macht sich unbeliebt. Aber man muss doch zeigen, dass man das Zahlenwerk durchgeackert hat, in mehreren Stunden seiner Freizeit. Da tauchen eben Fragen auf. Wenig gefragt sind diese Lesungen (und das dafür notwendige Sitzfleisch) auch bei den Lokaljournalisten, die meist fluchtartig den Saal verlassen, wenn die Fragerunde aufgerufen wird. Oder die gleich gar nicht kommen, wenn dies der einzige Tagesordnungspunkt ist. Deshalb finden auch manche Informationen nicht den Weg in die Öffentlichkeit, zum Beispiel jene aus der jüngsten Lesung in Mühlacker, dass die Stadtverwaltung mit dem Rechnungsschreiben für Feuerwehreinsätze um ein Jahr im Verzug ist - aus Personalmangel. 

Diese erste Runde der Haushaltsberatungen lief vor Jahren noch hinter verschlossenen Türen ab. Mein Kollege Bruno Knöller von der PZ (Redakteur und auch Stadtrat) setzte sich damals vehement für die Öffentlichkeit der Beratungen ein. Zurecht! Jetzt sind sie öffentlich und niemand kommt. Öffentlichkeit als bestes Mittel, alles nichtöffentlich zu machen. Aber das Seite-um-Seite-blättern steht, zugegebenermaßen, auch bei den Räten selbst in der Beliebtheitsskala eher unten denn oben. Im Landkreis konzentriert sich alles rasch auf die Höhe der von den Kommunen dem Landkreis zu überweisenden Umlage. 

Während in Mühlacker die Fraktionen mit  Haushaltsanträgen wenigstens eigene Duftmarken setzen wollen, ist das im Kreistag verpönt. Was bleibt, sind vor der Verabschiedung die Haushaltsreden, die auch eher fürs Archiv gehalten werden. Denn die Bürger als Adressaten lesen in ihrer Zeitung, wenn es gut geht, zehn Zeilen, vielleicht auch nur zwei Sätze darüber. Wenn sie überhaupt Zeitung lesen. Aber das ist ein anderes Thema. In Mühlacker, dem Enzkreis oder in Pankow.  


"Nicht gleich schreiend weglaufen" vollständig lesen