Jetzt sind wir voll in die Argumentationsfalle getappt



Derzeit wird die Kläranlage Lomersheim erweitert und umgebaut. Die Kosten fließen in die Abwassergebühren ein

Irgendwie hatte ich auch nicht mehr daran gedacht, an diese Niederschlagswassergebühr (schönes Wort!). Doch dann kam vorige Woche ein Brief der Stadtverwaltung Mühlacker. Ich vermutete einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens (obwohl dies eigentlich nicht sein konnte), doch er war es: der Bescheid über die Niederschlagswassergebühr. Gleich für zwei Jahre. Inzwischen überwies ich wunschgemäß für 2010 und 2011 zusammen 120 Euro und 50 Cent. Die Niederschlagswassergebühr ist derzeit wohl das heftigst diskutierte Thema in der Stadt. Immer wird man als Stadtrat angesprochen, bekommt man den Ärger der Menschen zu hören. Verständnis habe ich: Da rechnen vor Wochen die Stadtwerke die Abwassergebühr (Maßstab: Frischwasser) ab, nun kommt die Stadtverwaltung mit der Niederschlagswassergebühr (hätte man besser zusammengefasst). Dieses Splitting hat es noch nie gegeben. Und deshalb ist das zunächst ein psychologisches Problem. Denn bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr hieß es, unterm Strich werde der Betrag fürs Abwasser bei großen versiegelten Flächen höher, bei weniger geringer ausfallen. Die alte Summe würde also nur gesplittet. Doch unterm Strich wird nun alles für alle teurer. Das ist das Problem. Schlechter hätte diese Umstellung nicht laufen können. Losgetreten (erzwungen) hat diese Umstellung der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

Dabei ist alles erklärbar (was den Ärger aber nicht minimiert). Weil die Stadt Mühlacker ihre Abwassergebühren nicht schon früher erhöht hat, obwohl ein Defizit entstanden war, kommt es nun doppelt so heftig. Hier rächt es sich, dass die Stadtverwaltung die neue Kalkulation zu lange vor sich hergeschoben hat. Jetzt sind wir voll in die Argumentationsfalle getappt.

Fakten, Fakten, Fakten: Im Dezember 2011 wurde im Rahmen der Umstellung auf die gesplittete Abwassergebühr von der Stadtkämmerei auch insgesamt die Gebührenkalkulation überarbeitet und aktualisiert. Dabei zeigte sich, dass die Gebühreneinnahmen im Abwasserbereich seit mehreren Jahren den kontinuierlich steigenden Aufwand (vor allem bei Energie, Reststoffentsorgung, Personal und Betriebsstoffen) bei gleichzeitig jährlich geringer werdenden Wassermengen nicht mehr abdecken können. Dieses Defizit ist völlig unabhängig von der neu eingeführten Gebührenaufteilung eingetreten. Auch um bereits aufgelaufene Verluste der Vorjahre nach den Vorgaben der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg abzudecken, mussten daher die Abwassergebühren insgesamt in zwei Schritten erhöht werden.

Insgesamt mussten bei angesetzten 1,15 Mio. m³ Abwassermenge schrittweise von 2009 auf 2012 die Gebühreneinnahmen von 2.242.500 Euro auf 3.097.500 Euro pro Jahr (das sind ca. 38,1%) angehoben werden. Die neuen Gebührensätze belaufen sich wie folgt: Schmutzwassergebühr bis 31.12.2011: 1,95 €/m³ (wie zuvor), ab 01.01.2012: 2,15 €/m³, Niederschlagswassergebühr, rückwirkend ab 01.01.2010: 0,25 €/m²

Diese Gebührensätze liegen im Landesvergleich mit vergleichbaren Städten nach wie vor im unteren, also für die Kunden vorteilhaften, Bereich.

Um die gleichen Gebühreneinnahmen ohne Niederschlagswassergebühr zu erzielen hätte die Schmutzwassergebühr für die Jahre 2010 und 2011 bereits von 1,95 €/m³ auf 2,49 €/m³, und dann in einem weiteren Schritt zum 01.01.2012 auf 2,69 €/m³, also auch um ca. 38 %, erhöht werden müssen.

Der freundliche und kompetente Herr Schellinger vom Tiefbauamt der Stadtverwaltung hat eine Vergleichsrechnung für mich erstellt. Basis: 173 Kubikmeter Jahresverbrauch 2010 und 241,90 Quadratmeter anrechenbare Fläche für das Niederschlagswasser. Die Gebühr nach den alten Sätzen ("vorher") hätte 337,35 Euro betragen. Ab 2010/11 für Schmutzwasser 337,35 Euro und für Niederschlagswasser 60,48 Euro, zusammen also 397,83 Euro. Für 2012 werden nach dem gesplitteten und erhöhten Tarif fällig: Schmutzwasser 371,95 Euro und Niederschlagswasser 60,48 Euro, zusammen also 432,43 Euro. Wäre die gesplittete Gebühr nicht eingeführt und nur der alte einheitliche Tarif nach dem Frischwasser als Maßstab angewandt worden, wären als Folge des Defizitsausgleichs 465 Euro und 37 Cent fällig geworden. "Infolge der allgemeinen Gebührenerhöhungen werden alle Abwasserkunden deutlich höhere Abwassergebühren bezahlen müssen. An Ihren konkreten Beispielen zeigt sich allerdings, dass Sie ohne Einführung der gesplitteten Abwassergebühr insgesamt noch höhere Gebühren hätten bezahlen müssen als nun mit der gesplitteten Gebühr ab 2012."

Also: Teurer wäre es auf jeden Fall geworden. Aber jeder Fall sieht anders aus. Ich weiß es. Aber die Kosten müssen wir abdecken, das Gesetz verbietet Gewinne. Es ist also nicht so, dass jetzt zwecks anderer Projekte "zugelangt" wird beim Abwasser. Die Kosten steigen weiter: Derzeit wird die Kläranlage in Lomersheim für deutlich mehr als fünf Millionen Euro erweitert als Beitrag zu einem verstärkten Umweltschutz. Dadurch lassen sich auf der anderen Seite Kosten einsparen (Energie, Abwasserabgabe). Aber selbst bezahlen wird sich das Projekt trotzdem nicht. 
Alles ein schwacher Trost für einen unerwarteten Gebührenbescheid. Aber erläutern wollte ich dies dann doch. 120 Einsprüche gegen den Bescheid zu den Niederschlagswassergebühren soll es schon geben. Herr Schellinger wird zusätzlich gefordert.     "Jetzt sind wir voll in die Argumentationsfalle getappt" vollständig lesen

Ran an den Fördertopf für Sportstätten

Das Land fördert im Jahr 2012 insgesamt 83 kommunale Sportstättenbauprojekte mit Zuschüssen in Höhe von 14,2 Millionen Euro. Zuschüsse gibt es für Neubau und die Sanierung von Turn- und Sporthallen sowie von Sportfreianlagen (Sportplätze, Leichtathletikanlagen). Die Zuschüsse werden vorrangig für vielseitig nutzbare Hallen und Anlagen bewilligt, die sowohl dem Sportunterricht als auch dem Übungs- und Wettkampfbetrieb von Sportvereinen zur Verfügung stehen. Der Landeszuschuss beträgt in der Regel 30 Prozent der zuschussfähigen Ausgaben. In der diesjährigen Förderrunde konnte mehr als die Hälfte der 150 beantragten Vorhaben berücksichtigt werden. Für eine neue Dreifeld-Sporthalle bekommen die Städte Pforzheim und Rheinmünster jeweils 730.000 Euro. Anträge können entweder die Kommune oder Vereine stellen, nicht aber Privatpersonen. Was ich mich frage: Weshalb war die Bezuschussung bis vor einiger Zeit nie ein Thema bei der Stadtverwaltung? Wir führen Diskussionen so, als könnten wir auf die Landesgelder verzichten. Die Zuschüsse aus Stuttgart entlasten nicht nur die Finanzierung, sondern erspart Zins und Tilgung, senken also Folgekosten. Also, ran an den Fördertopf für Sportstätten.

Der Zeitdruck und die Entdeckung der Langsamkeit



Das Gartenschaugelände beidseits der Enz.

Logik gehört nicht zu den Stärken der grün-roten Landesregierung. Das zeigt die Antwort gleich dreier Minister (Bonde, Schmid und Untersteller) auf eine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Hans-Ulrich Rülke. Hintergrund ist, dass das Land die von der Stadt Mühlacker beantragte Aufnahme eines Sanierungsgebiets "Kernstadt II" ins Landessanierungsprogramm für 2012 abgelehnt hat. Und dies, obwohl darin flankierende Maßnahmen für die Gartenschau 2015 vorgesehen sind. Das Nein aus Stuttgart hatte jüngst zur Debatte im Gemeinderat geführt, ob wir dann doch lieber die Gartenschau zurückgeben sollten. Bonde (Grüne) schreibt, Mühlacker habe sich verpflichtet, das Grünprojekt - kleine Gartenschau - 2012 durchzuführen. Dabei müsste der Minister wissen, dass die Vorbereitungen unter hohem Zeitdruck geschehen. Gleichzeitig fordert er von der Stadt, vor einem neuen Antrag fürs Sanierungsprogramm ein integriertes Gesamtkonzept zu erstellen, aus der die Maßnahmen zur Beseitigung der städtebaulichen Defizite erkennbar seien. Logisch? Nein! Dieses Gesamtkonzept gibt es bereits und wurde 2010/11 zu Zeiten der alten Landesregierung vom Regierungspräsidium Karlsruhe akzeptiert - mit einer ganz konkreten Liste der Maßnahmen (Dammweg, Waldenserstraße, Gehwege an der Enzstraße, Parkplatz bei der Enzstraße, Jugendhaus). Das Wort der alten Regierung gilt für die neue nicht mehr. Auf was können wir uns dann verlassen?

Jetzt ist der neuen Landesregierung das Gebiet mit einer Fläche von 21 Hektar plötzlich viel zu groß. Doch die ersten flankierenden Maßnahmen für die Gartenschau stehen unmittelbar bevor; wenn das Land nicht doch eine Aufnahme ins Sanierungsprogramm bewilligt, bezahlen wir diese selbst. Bonde weiß, dass wir keinen zeitlichen Spielraum mehr haben - trotzdem schafft er einen zusätzlichen Zeitdruck. Tut so, als hätten wir Zeit im Übermaß. Die Entdeckung der Langsamkeit.  Kalkül? Die unfeine Art, sich flankierender Hilfen zu entziehen? Aber Bonde ist gar nicht für die Sanierungsprogramme zuständig, sondern sein Kollege Schmid (SPD).  Aber mit diesem sei die Antwort auf die Rülke-Anfrage abgestimmt worden, heißt es. 

Die Kommunen, welche die vergangenen fünf Gartenschauen und Grünprojekte ausgerichtet haben, hatten im Durchschnitt jeweils fast 7 Millionen Euro an Fördermitteln für flankierende, städtebauliche Maßnahmen erhalten, so Rülke (Nagold 8,8 Mio., Horb 5,7 Mio., Villingen-Schwenningen 8,9 Mio., Rechberghausen 4,9 Mio. und Bad Rappenau 5,9 Mio. Euro). Kehl habe flankierend zur Gartenschau im Jahr 2004 sogar Sanierungsmittel in Höhe von fast 10 Millionen Euro erhalten, sagte der FDP-Abgeordnete. Es sei daher überhaupt nicht einzusehen, dass Mühlacker nun „aus den grün-roten Ministerien von oben herab angewiesen werde, seinen Antrag auf ein Minimum zusammenzustreichen“, meinte Rülke zurecht. Übrigens: Mühlacker wollte zwei Millionen Euro aus dem Sanierungsprogramm, zusätzlich zu den zwei Millionen Euro des Landes, die für das Grünprojekt in Mühlacker fest zugesagt hatte. Um den Bewilligungsbescheid für die kleine Gartenschau zu übergeben und sich vor der Presse richtig in Szene zu setzen, reiste Bonde extra nach Mühlacker. Als es nun kritisch wurde, ward er nicht mehr gesehen.

So sind sie eben, die neuen Herren im Land. Zusagen der alten Landesregierung werden einfach gekappt, Kommunen im Regen stehen gelassen und ansonsten wird die eigene Klientel bedient (80 Millionen Euro für einen Nationalpark Nordschwarzwald - auf Kosten anderer Förderprogramme?). Für was wird Mühlacker bestraft?

Jetzt versucht die Stadtverwaltung, zu retten, was zu retten ist. Weitere Gespräche laufen. Mal schauen, wie minimal das Minimalprogramm wird.  

Von Traktoren, Treckern und Schleppern: alles Bulldog?



Einblick in die Bulldog-Welt


Zum zehnten Mal Traktorenschau in Mühlacker: Heute fand bei der Freien Evangelischen Gemeinde Mühlacker (FEG) an der Ziegeleistraße der Trecker-Gottesdienst statt, verbunden mit einem Stelldichein von landwirtschaftlichen Zugmaschinen. Für mein Grußwort namens der Stadt Mühlacker wollte ich wissen, wie viel Traktoren es noch gibt, die zugelassen sind. Ich habe einmal beim Landratsamt Enzkreis nachgefragt. Stand 15. Mai waren bei der Kfz-Zulassungsstelle im Enzkreis 1192 Zugmaschinen gemeldet, davon in Mühlacker (mit Ortsteilen) 123. Auch wenn sie weniger geworden sind: Zum Bild unserer Gemeinden gehören sie, sowohl die kleinen als auch jene, die fast eine halbe Straßenbreite brauchen.

Bei der Gelegenheit noch ein kleiner Namensexkurs: Schwaben sagen ja nicht Trecker, sondern lieber Bulldog. Der Bolldog steckt quasi in uns. Trecker kommt aus der plattdeutschen Sprache und die wird bekanntlich im Norden gesprochen. Abgeleitet wird das Wort von trecken, was ziehen heißt. Traktor wiederum leitet sich ab vom lateinischen Wort trahere, was für ziehen steht. Bulldog war eigentlich nur eine Verkaufsbezeichnung für Traktoren oder Ackerschlepper der Firma Lanz in Mannheim, die längst von John Deere übernommen wurde.

In Deutschland lautet die amtliche verkehrsrechtliche Bezeichnung für einen Traktor oder Schlepper wiederum Zugmaschine. Und was amtlich festgestellt wird, gilt schließlich. 

Und wenn wir im Auto auf der Straße hinter einem Bulldog herunterschalten müssen, sollten wir nicht gleich schimpfen (auch wenn es schwer fällt, wenn es eilt). Schließlich wollen wir von unseren Landwirten, dass sie für Nahrungsmittel sorgen - oder für Energiestoffe. Doch die Trecker-Freaks von heute, die bei der FEG ihre Oldtimer zeigten, haben meist keinen Hof, sondern "nur" eine unbändige Freude an diesen Liebhaberstücken, die sie pflegen und hegen, mit denen sie Ausfahrten unternehmen wie andere Leute mit dem Motor- oder Fahrrad. Wo die Liebe eben hinfällt...


Ach so: Ziehen und Zugkraft gehören zueinander. Das  kann durchaus symbolisch verstanden werden: Auch eine Stadt und ein Land brauchen Zugkraft, um vorwärts zu kommen. 

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Junge Menschen sehen ihre Stadt: "Ich mag Mühlacker"



"Jugend Mühlacker 2.011"

Eine interessante Ausstellung über die Fotodokumentation "Jugend Mühlacker 2.011" wurde heute Abend im Rathaus eröffnet. Der Arbeitskreis Jugend Mühlacker will damit die Vielfältigkeit von Lebenswelten und -weisen von jungen Menschen als Sozialraum dokumentieren. Professor Dr. Walter Specht aus Sternenfels, Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Mobile Jugendarbeit, entwarf das Bild einer Jugend, die eben nicht nur die Schule braucht, sondern auch die "nicht formale Bildung" und warb dafür, den Stellenwert der außerschulischen Jugendbildung zu stärken. Oberbürgermeister Frank Schneider und Michael Gutekunst (Evangelisches Jugendwerk) für den Arbeitskreis Jugend hoben darauf ab, wie differenziert junge Menschen ihre Stadt Mühlacker sehen. In der Ausstellung und einem 52-seitigen Heft geben 23 Jugendliche und junge Erwachsene Einblicke.
Es ist beileibe keine repräsentative Befragung, aber ein kleiner, aufschlussreicher Querschnitt, der eine grundsätzlich positive Einstellung der jungen Menschen zu "ihrer" Stadt verrät. Das geht nicht ohne konträre Positionen ab. "Einige Busverbindungen sind sehr schlecht", sagt Christina (20), während Giu (19) gute Verkehrsanbindungen lobt. Positiv fällt durchweg die Bewertung des Jugendhaus Pro Zwo aus, verbunden mit dem Wunsch nach einem neuen Jugendhaus (dessen Planung läuft). Freizeitaktivitäten werden abgefragt, Treffpunkte mit Freunden, was an Mühlacker gefällt beziehungsweise nicht gefällt, was für Jugendliche in der Stadt gewünscht wird und welche Ziele die Einzelnen für die Zukunft haben. 
Zehra (18) beklagt: "Die Erwachsenen stecken auch alle Jugendlichen in eine Schublade." Und was gefällt? "Dass man alles um sich hat, was man braucht" (Maurice, 13). Wiederum Johannes (23) kritisiert, dass die Politiker lieber Geld im großen Stil im Mühlehof und in der Bahnhofstraße vergraben statt sich um wirklich wichtige Sachen zu kümmen - was wirklich wichtig ist, bleibt allerdings offen. Als Pluspunkte der Stadt werden die Burg Löffelstelz genannt, Tanzkurse, Eisdiele, Einkaufsmöglichkeiten, das Straßenfest. Gleichzeitig setzen sich andere für mehr Treffpunkte und für eine Disco ein. Es ist das gesamte Spektrum an Wünschen und Vorstellungen. In der Rubrik "An Mühlacker gefällt mir nicht" schreibt Giu: "Ich mag Mühlacker!" Sie wünscht sich aber mehr Akzeptanz und Toleranz von den Erwachsenen - und steht damit nicht allein. 
Fotos und Texte, die sich lohnen angeschaut und gelesen zu werden. Die Ausstellung ist bis 24. Mai im Foyer des Rathauses zu sehen. "Junge Menschen sehen ihre Stadt: "Ich mag Mühlacker" " vollständig lesen

Tiefbauer verlegen jetzt die Glasfaserkabel



Tiefbauarbeiten in der Friedenstraße

In Lienzingen wird schon eifrig gebuddelt: Die Tiefbauarbeiten haben begonnen, um die Glasfaserkabel zu den neun Kabelverzweigern zu verlegen, an denen die Outdoor DSLAM aufgestellt werden. Noch müssen eineinhalb Kilometer Glasfaserkabel in die Erde gebracht werden. Die von den Stadtwerken Mühlacker GmbH beauftragte Firma ist gerade im Bereich Friedenstraße/Ringstraße tätig. Es kann davon ausgegangen werden, dass vom Oktober 2012 an unser Stadtteil schnelles Internet durch Datenübertragungsraten von bis zu 50 MB/sec hat: dank Stadtwerken und Neckarcom. Inzwischen ist auch die Web-Seite www.mühlacker.net geschaltet, auf denen potentielle Wechsler die notwendigen Informationen erhalten (Daten, Tipps, Hotlinenummer, Antragsformulare). Bei der Mühlacker Messe Ende April informierten sich viele Menschen nicht nur aus Lienzingen, sondern auch aus Enzberg und Mühlhausen, die nächsten Stadtteile auf der schnellen Datenautobahn. In Gesprächen höre ich immer wieder, dass das Interesse an den neuen Angeboten groß ist. Jetzt sind die Tage des Schnecken-Internets gezählt.

Bürohaus Wertle: Relikt eines verlorenen Kampfes



Wertle-Gebäude: Der Abbruch hat begonnen.


Abschied vom Ex-Bürogebäude im Wertle in Mühlacker, zuletzt Domizil für Jugendhaus Pro Zwo, Familienbildung und Vereine. Abschied von einem Pappendeckelgebäude, wie es der frühere Stadtrat Joseph Mayer bezeichnetge. Denn die Immobilie im Quadrat - 35 mehr lang und 35 Meter breit - war die Produktion einer Fertighausfirma in Ölbronn und als Provisorium für 20 Jahre gedacht. Inzwischen sind es 40 Jahre geworden. Damit ist es so alt wie der Enzkreis. Und mit dessen Zustandekommen hängt seine Geschichte zusammen. Das Bürohaus ist Relikt eines verlorenen Kampfes, den um die Selbstständigkeit des Landkreises Vaihingen und ums eigene Kfz-Schild mit dem Kürzel VAI. Zum 1. Januar 1973 entstand der Enzkreis, dessen östlicher Teil der westliche Teil des Kreises Vaihingen war. Um Balsam auf die wunden Seelen im Raum Mühlacker zu streichen, gab es dann dieses Bürogebäude als Außenstelle des Landratsamtes - ein Holzständerbauwerk mit Pressspanplatten und Betonwänden. In einem Teil residierte die Außenstelle der Kfz-Zulassung, die Statthalter einiger Enzkreis-Ämter, in einen anderen Teil zog die vom Posten zum Revier gewordene Polizei ein. 


Eigentlich hatte der letzte Vaihinger Landrat Erich Fuchslocher zusammen mit einer Mehrheit des Kreistages gehofft, den gesamten Kreis Vaihingen dem Enzkreis zuschlagen zu können. Fast wäre es auch gelungen, doch kurz vor der dritten und entscheidenden Lesung im Landtag gingen die Vaihinger mit dem Ruf "Auf nach Ludwigsburg, nicht zu den Gelbfüßlern!" auf die Barrikaden und schließlich entschied sich das Landesparlament dafür, VAI zweizuteilen und den Westen dem Kreis Ludwigsburg zuzuordnen (Oberderdingen landete als nördlicher Zipfel im Kreis Karlsruhe). Erinnerungen werden wach, so an eine Podiumsdiskussion in der Kreisberufsschule Mühlacker unter anderem mit Fuchslocher, die ich als Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Vaihingen geleitet hatte und bei der es schon nicht mehr um den Erhalt des Kreises als selbstständige Einheit ging, sondern darum, wenigstens vereint zum Kreis Pforzheim zu kommen, um dort auch Einfluss zu haben.


Weil Mühlacker zum 1. Januar 1973 Große Kreisstadt wurde und das Rathaus für die zusätzlichen Ämter nicht ausreichte, musste auch Platz geschaffen werden im noch neuen Bürohaus Wertle. Die Konstruktion blieb einige Jahre, bis der Enzkreis seine Zweigstelle abmagerte und vor allem die Kfz-Zulassung in die Vetterstraße 21 verlegte. Nun konnte sich die Stadtverwaltung ausweiten, denn sie brauchte wegen des Abbruchs des alten Rathauses an der B 10 und den Bau des neuen Verwaltungssitzes an selbiger Stelle einige Ausweichquartiere. Nach der Einweihung des neuen Rathauses 1990 war dann der Weg frei für den Umzug des Jugendhauses vom früheren Jugenddorf im rückwärtigen Bereich der Firma Metzler ins Wertle im August 1990.

Eigentlich ist das eine eigene Geschichte wert. Denn wie das Bürohaus war das Jugendhaus ein Provisorium: Zuerst in den siebziger Jahren im Kelteranbau (heute Bücherei) und damit vor der Sanierung der Kelter untergebracht - eine Einrichtung in Selbstverwaltung, was gründlich schief lief und zur abrupten Schließung durch die Stasdt führte, weil Gerüchte über Drogen die Runde machten. Einen Neuanfang (und erstmals einen Sozialarbeiter) gab es dann im früheren Jugenddorf des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland, das in der Historie als erstes Provisorium gebucht wird, obwohl es eigentlich das zweite war. Im Wertle nannte sich das Jugendhaus Pro Zwo. Die Polizei zog 1998 in die Goldshalde und machte Räume frei für Vereine, unter anderem den Bouleclub.


In den nächsten drei Wochen verschwindet das Bürohaus, das Gelände wird Teil der kleinen Gartenschau 2015 und damit schließt sich der Kreis: Eigentlich hatten einst die Krautgärtenbesitzer die Fläche an die Kommune verkauft, um einen Stadtpark anzulegen. Die Kreisreform und das Pappendeckelgebäude kamen dazwischen. 2015 erfüllen sich die alten Wünsche. Inzwischen ist das Jugendhaus in sein viertes Provisorium umgezogen, in den alten Badischen Bahnhof. Ende 2015 wechselt es - auf Dauer - in ein neues Gebäudes im nördlichen Gartenschaugelände auf Höhe B 10, das während der Gartenschau als Baden-Württemberg-Treff dient.  Die Familienbildung wechselt in den Mühlehof und damit in ein neues Provisorium, der Bouleclub kommt im Vereinsgebiet beim Wullesee unter.


Heute habe ich mir die Abbrucharbeiten angeschaut und auch die Kunst am Bau, soweit noch nicht Opfer der Abrissbirne. Es ist Abschied von einem Stück jüngerer Stadthistorie, die zwar nicht mit der der Burg Löffelstelz, die über dem Gebäude thront, konkurrieren kann, aber doch Arbeitsplatz oder Treffpunkt für mehr als eine Generation war. Ein Platz für Partys, Feste und Weiterbildung. Fürs Diskutieren und Chillen. Ein bisschen Wehmut darf man sich auch bei einem Provisorium erlauben. Die Jugendhausleiterin Gudrun Sautter wird heute in der Zeitung mit der Aussage zitiert, sie nehme Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wobei das weinende Auge im Moment deutlich größer sei. Ich finde: das trifft's!

Dabei wussten wir alle, dass der bauliche Zustand nicht auf Dauer bleiben konnte und eine Sanierung sich auch nicht lohnte.  

Hier die Wertle-Chronik des Stadtarchivs Mühlacker: Wertle-Chronik.pdf "Bürohaus Wertle: Relikt eines verlorenen Kampfes" vollständig lesen