Bürohaus Wertle: Relikt eines verlorenen Kampfes



Wertle-Gebäude: Der Abbruch hat begonnen.


Abschied vom Ex-Bürogebäude im Wertle in Mühlacker, zuletzt Domizil für Jugendhaus Pro Zwo, Familienbildung und Vereine. Abschied von einem Pappendeckelgebäude, wie es der frühere Stadtrat Joseph Mayer bezeichnetge. Denn die Immobilie im Quadrat - 35 mehr lang und 35 Meter breit - war die Produktion einer Fertighausfirma in Ölbronn und als Provisorium für 20 Jahre gedacht. Inzwischen sind es 40 Jahre geworden. Damit ist es so alt wie der Enzkreis. Und mit dessen Zustandekommen hängt seine Geschichte zusammen. Das Bürohaus ist Relikt eines verlorenen Kampfes, den um die Selbstständigkeit des Landkreises Vaihingen und ums eigene Kfz-Schild mit dem Kürzel VAI. Zum 1. Januar 1973 entstand der Enzkreis, dessen östlicher Teil der westliche Teil des Kreises Vaihingen war. Um Balsam auf die wunden Seelen im Raum Mühlacker zu streichen, gab es dann dieses Bürogebäude als Außenstelle des Landratsamtes - ein Holzständerbauwerk mit Pressspanplatten und Betonwänden. In einem Teil residierte die Außenstelle der Kfz-Zulassung, die Statthalter einiger Enzkreis-Ämter, in einen anderen Teil zog die vom Posten zum Revier gewordene Polizei ein. 


Eigentlich hatte der letzte Vaihinger Landrat Erich Fuchslocher zusammen mit einer Mehrheit des Kreistages gehofft, den gesamten Kreis Vaihingen dem Enzkreis zuschlagen zu können. Fast wäre es auch gelungen, doch kurz vor der dritten und entscheidenden Lesung im Landtag gingen die Vaihinger mit dem Ruf "Auf nach Ludwigsburg, nicht zu den Gelbfüßlern!" auf die Barrikaden und schließlich entschied sich das Landesparlament dafür, VAI zweizuteilen und den Westen dem Kreis Ludwigsburg zuzuordnen (Oberderdingen landete als nördlicher Zipfel im Kreis Karlsruhe). Erinnerungen werden wach, so an eine Podiumsdiskussion in der Kreisberufsschule Mühlacker unter anderem mit Fuchslocher, die ich als Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Vaihingen geleitet hatte und bei der es schon nicht mehr um den Erhalt des Kreises als selbstständige Einheit ging, sondern darum, wenigstens vereint zum Kreis Pforzheim zu kommen, um dort auch Einfluss zu haben.


Weil Mühlacker zum 1. Januar 1973 Große Kreisstadt wurde und das Rathaus für die zusätzlichen Ämter nicht ausreichte, musste auch Platz geschaffen werden im noch neuen Bürohaus Wertle. Die Konstruktion blieb einige Jahre, bis der Enzkreis seine Zweigstelle abmagerte und vor allem die Kfz-Zulassung in die Vetterstraße 21 verlegte. Nun konnte sich die Stadtverwaltung ausweiten, denn sie brauchte wegen des Abbruchs des alten Rathauses an der B 10 und den Bau des neuen Verwaltungssitzes an selbiger Stelle einige Ausweichquartiere. Nach der Einweihung des neuen Rathauses 1990 war dann der Weg frei für den Umzug des Jugendhauses vom früheren Jugenddorf im rückwärtigen Bereich der Firma Metzler ins Wertle im August 1990.

Eigentlich ist das eine eigene Geschichte wert. Denn wie das Bürohaus war das Jugendhaus ein Provisorium: Zuerst in den siebziger Jahren im Kelteranbau (heute Bücherei) und damit vor der Sanierung der Kelter untergebracht - eine Einrichtung in Selbstverwaltung, was gründlich schief lief und zur abrupten Schließung durch die Stasdt führte, weil Gerüchte über Drogen die Runde machten. Einen Neuanfang (und erstmals einen Sozialarbeiter) gab es dann im früheren Jugenddorf des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland, das in der Historie als erstes Provisorium gebucht wird, obwohl es eigentlich das zweite war. Im Wertle nannte sich das Jugendhaus Pro Zwo. Die Polizei zog 1998 in die Goldshalde und machte Räume frei für Vereine, unter anderem den Bouleclub.


In den nächsten drei Wochen verschwindet das Bürohaus, das Gelände wird Teil der kleinen Gartenschau 2015 und damit schließt sich der Kreis: Eigentlich hatten einst die Krautgärtenbesitzer die Fläche an die Kommune verkauft, um einen Stadtpark anzulegen. Die Kreisreform und das Pappendeckelgebäude kamen dazwischen. 2015 erfüllen sich die alten Wünsche. Inzwischen ist das Jugendhaus in sein viertes Provisorium umgezogen, in den alten Badischen Bahnhof. Ende 2015 wechselt es - auf Dauer - in ein neues Gebäudes im nördlichen Gartenschaugelände auf Höhe B 10, das während der Gartenschau als Baden-Württemberg-Treff dient.  Die Familienbildung wechselt in den Mühlehof und damit in ein neues Provisorium, der Bouleclub kommt im Vereinsgebiet beim Wullesee unter.


Heute habe ich mir die Abbrucharbeiten angeschaut und auch die Kunst am Bau, soweit noch nicht Opfer der Abrissbirne. Es ist Abschied von einem Stück jüngerer Stadthistorie, die zwar nicht mit der der Burg Löffelstelz, die über dem Gebäude thront, konkurrieren kann, aber doch Arbeitsplatz oder Treffpunkt für mehr als eine Generation war. Ein Platz für Partys, Feste und Weiterbildung. Fürs Diskutieren und Chillen. Ein bisschen Wehmut darf man sich auch bei einem Provisorium erlauben. Die Jugendhausleiterin Gudrun Sautter wird heute in der Zeitung mit der Aussage zitiert, sie nehme Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wobei das weinende Auge im Moment deutlich größer sei. Ich finde: das trifft's!

Dabei wussten wir alle, dass der bauliche Zustand nicht auf Dauer bleiben konnte und eine Sanierung sich auch nicht lohnte.  

Hier die Wertle-Chronik des Stadtarchivs Mühlacker: Wertle-Chronik.pdf "Bürohaus Wertle: Relikt eines verlorenen Kampfes" vollständig lesen

Vom papierlosen Büro bis zur Stadt-App



Beispiel Wernigerode

Digitale Zukunft: Vom papierlosen Büro bis zur Stadt-App - nachstehend einige Punkte aus einer Veröffentlichung über die Fachmesse Public IT in der Messe Stuttgart, die auch für Mühlacker einige Anregungen gebracht hat. Was ist möglich, was ist sinnvoll, was kann umgesetzt werden? Ein Thema für unsere Verwaltung und die Kommunikation auch der Kommunalpolitik mit den Bürgern. Hier die Pressemitteilung der Veranstalter:

Neue Reichweiten und Rollen für Verwaltungsmitarbeiter durch Social Media

Viele Städte und Gemeinden nutzen heutzutage Social Media wie Facebook, Twitter oder auch eigene Internet-Plattformen, um mit Bürgern und Touristen zu kommunizieren. Rund 300 Städte und Gemeinden seien in Facebook aktiv, bestätigte Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Gerade die kleineren Gemeinden seien in diesem Bereich oft Vorreiter. Aber man dürfe den Blick nicht nur auf die Gemeinden richten, sondern auch und vor allem auf die Bürger. „Facebook ist in erster Linie nicht dafür da, zu informieren, sondern um einen Dialog zu führen! Und auf diesen muss man sich einlassen“, beschrieb Habbel die Verständigungsform über Social Media. Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht, der sich bereits 2007 auf die rechtlichen Implikationen von Facebook und Co. spezialisiert hat, unterstrich die Rolle der Mitarbeiter: Diese hätten eine neue Verantwortung, da ihr Handeln in Sozialen Netzwerken über eine ganz andere Reichweite verfüge. Dies müsse man ihnen bewusst machen; Aufklärung, Leitplanken und Regeln seien deshalb essentiell.  Übrigens: Unser Nachbar Vaihingen macht es bei Facecook vor.

Open Data: Daten für jedermann

Vom digitalen Dokument zur offen zugänglichen Datenplattform: Welche Chancen und Barrieren offene Verwaltungsdaten bieten, präsentierte Jens Klessmann, Mitarbeiter am Kompetenzzentrum Electronic Government beim Fraunhofer-Institut FOKUS. Beim Ansatz „Open Government Data“ gehe es darum, Datenschätze der Verwaltungen zu öffnen, in maschinenlesbarer Form bereitzustellen und für Dritte verfügbar zu machen. Unternehmen könnten diese Rohdaten in der Entwicklung eigener Softwareanwendungen einsetzen, die dann von den Bürgern genutzt werden könnten –  ein Wertschöpfungsnetzwerk aus Verwaltung, Unternehmen und Bürgern entstehe.

Vorreiter zu diesem Thema sei in Deutschland die Stadt Berlin, dort sei bereits vor zwei Jahren der Open Data Prozess angestoßen worden. Eine Umfrage, welche Daten zivilgesellschaftliche Akteure benötigten, ergab, dass ein besonders hohes Interesse an Daten zur Stadtplanung, zu Verwaltung und zur Umwelt bestehe. Zudem wurde ein App-Wettbewerb ausgeschrieben, der hohes Interesse hervorrief. Wichtig sei ein politisches Bekenntnis und ein Paradigmenwechsel hin zu offenen Daten, so Klessmann. Dann könnten Unternehmen Daten für die Bürger auf eine Weise aufbereiten und nutzbar machen, wie Kommunen es selbst nicht leisten könnten.

Mit Geo-Daten und Apps zusammen Städte planen

Viele neue Möglichkeiten für die Nutzung solcher Daten durch Bürger, aber auch für die Stadtplanung stellte Dr.-Ing Peter Zeile vor. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter im Fachgebiet CPE an der TU Kaiserslautern beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den Nutzungsmöglichkeiten von Geo-Daten für unterschiedliche Apps sowie den Chancen mobiler Datenerfassung für die Stadtplanung.

Über die App des deutschen Projektes Wheelmap.org etwa könne jedermann rollstuhlgerechte Orte – dazu zählen auch Zugänge zu Haltestellen im ÖPNV, Verwaltungsgebäude, Cafés oder Geschäfte – im virtuellen Stadtplan seiner Stadt eintragen. So könnten sich Rollstuhlfahrer vorab ein Bild von einer Stadt und ihren Einrichtungen machen und ihre Routen besser planen. Planer erhielten zudem Anregungen für Verbesserungen bei der Zugänglichkeit. Ideen und Visionen für die Weiterentwicklung ihrer Stadt könnten Bürger der Hansestadt Hamburg in der Community Nexthamburg in einen virtuellen Stadtplan eintragen und miteinander diskutieren. Ziel des Projektes sei es zu helfen, dass vielversprechende Lösungen der Bürger ihren Weg in die Umsetzung finden.

Stadt-App: Mobile Informationssysteme im Einsatz

„Immer mehr Kommunen bieten Dienstleistungen im Internet an, gleichzeitig steigt die Nachfrage nach ortsunabhängig verfügbaren Informationen“, erklärte Benjamin Strozinsky von der brain-SCC GmbH. Er stellte die Möglichkeiten der Stadt-Apps von Halberstadt und Wernigerode vor, die sowohl Informationen für Bürger und Touristen als auch für Investoren bereithalten. Die Städte nutzten die Apps etwa, um Sehenswürdigkeiten zu präsentieren, auf Veranstaltungen hinzuweisen sowie Übernachtungsmöglichkeiten und gastronomische Angebote zu präsentieren. Zudem gebe es Funktionalitäten eines virtuellen Rathauses, Bürger könnten hier etwa Terminanfragen im Bürgerbüro stellen und Adressen sowie Öffnungszeiten unterschiedlicher Behörden erfahren. Darüber hinaus könnten Investoren Hinweise zu Gewerbemöglichkeiten, -gebieten, Fördermöglichkeiten sowie ein Firmenverzeichnis abrufen.




(Quelle: Nachbericht zur Fachmesse Public IT 2012. www.messe.org)